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Erfuhr mit einem Ruck herum und ging mit weit ausgreifenden Schritten auf die Bank zu, auf der Logar ihn erwartete. »Du wolltest mich sprechen.«

Logar sah auf. Für einen Moment schien er verwirrt, dann lächelte er in einer sanften, ehrlichen Art, die Skar in diesem Augenblick am allerwenigsten erwartet hätte. »Wie geht es dir?« fragte er anstelle einer direkten Antwort. Er rutschte ein Stück zur Seite und machte eine einladende Geste, die Skar absichtlich übersah. Plötzlich, von einem Augenblick auf den anderen, ärgerte ihn Logars Verhalten. Jedermann in dieser Stadt schien bemüht, ihn freundlich und zuvorkommend zu behandeln, aber gerade das ärgerte ihn noch mehr.

»Ich fühle mich gut«, antwortete er gereizt. »Du hättest dir keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können, mir die Kehle durchzuschneiden.«

Zwischen Logars Brauen erschien eine steile Falte, aber seltsamerweise wirkte sein Gesicht dadurch eher noch jünger und verwundbarer. »Du bist verärgert«, sagte er. »Und ich kann deinen Ärger verstehen. Ein Mann wie du ist es sicher gewohnt, anders empfangen zu werden.«

Skar lauschte vergeblich nach einem Unterton von Ironie oder gar Spott in Logars Stimme. Der Stadtkommandant schien das, was er sagte, durchaus ernst zu meinen.

»Ein Mann wie ich«, sagte er, bewußt Logars Wortwahl übernehmend, »ist es gewohnt zu wissen, woran er ist. Ich bin jetzt mehr als drei Tage in eurer Stadt, und wie es aussieht, ist unser Schicksal längst entschieden. Wahrscheinlich bin ich der einzige, der noch nicht weiß, was mit Del und mir geschehen wird. Aber wozu auch? Schließlich geht es ja nur um unser Leben.« Er schnaubte ärgerlich, schürzte die Lippen und nahm nun doch neben Logar Platz. Natürlich wußte er, daß er sich ungerecht und obendrein dumm benahm. Logar hatte - selbst wenn er gewollt hätte - weder Zeit noch Gelegenheit gehabt, mit ihm zu reden. Aber er mußte seinem Ärger einfach Luft machen, und Logar erschien ihm im Moment das passende Ventil dafür. »Ich warte«, fuhr er, ein wenig sanfter gestimmt, aber immer noch gereizt, fort.

Logar sah ihn eine Zeitlang schweigend an und beugte sich dann vor, um ein paar kleine Steine vom Boden aufzuheben. »Niemand entscheidet über das Schicksal eines anderen«, sagte er, aber die Worte schienen kaum für Skars Ohren gedacht zu sein. Er lehnte sich zurück, spielte einen Moment gedankenverloren mit den Steinen, die er vom Boden aufgelesen hatte, und warf sie dann, einen nach dem anderen und jeden etwas weiter, ins flache Wasser des Sees. »Ich habe Reiter hinaus in die Wüste geschickt, um nach euren Spuren zu suchen«, begann er, ohne Skar anzusehen. Er zögerte erneut, lächelte und nahm einen größeren Stein auf. Es platschte hörbar, als er ihn ins Wasser warf, und unter der spiegelnden Oberfläche des Sees schoß ein länglicher, dunkler Schatten auf und verschwand im tieferen Wasser. »Wir fanden eure Pferde. Sie waren tot. Und wir fanden auch die Gasse, die ihr euch durch den abgestorbenen Wald gehauen habt. Natürlich ist dies kein Beweis, daß du die Wahrheit sprichst. Aber ich denke, den brauchen wir auch nicht.«

»So?« machte Skar gereizt.

Logar stand auf, trat einen Schritt auf den See zu und blieb stehen, als das Wasser seine nackten Zehen umspülte. »Ihr seid frei.«

»Frei?« echote Skar verblüfft. »Was ... was heißt das?«

Logar zuckte mit den Schultern. »So frei wie wir«, erklärte er. »Ihr könnt gehen, wenn ihr wollt. Aber ihr könnt auch bleiben. So wie es im Moment aussieht, wirst du sowieso noch eine Weile abwarten müssen, bevor Del sich weit genug erholt hat. Ihr seid unsere Gäste, so lange ihr wollt. Hier in Went, in Ipcearn - das Gebiet von Cearn ist groß, und ihr werdet einen Ort finden, an dem ihr leben könnt. Wenn ihr euch entschließt zu bleiben.«

»Aber wir können auch ... weggehen?« fragte Skar mißtrauisch.

»Natürlich. Wir stehen in deiner Schuld, Skar. Wenn ihr kräftig genug seid und wirklich gehen wollt, werden wir euch geben, was immer ihr braucht, um die Wüste lebend zu überwinden. Wenn ihr das wirklich wollt.«

»Du zweifelst daran?«

Logar lächelte auf eine Art, die sowohl Zustimmung als auch schlichtes Resignieren bedeuten konnte. »Ihr habt es einmal geschafft«, murmelte er, »doch das muß nicht bedeuten, daß es euch auch ein zweites Mal gelingt. Nicht jeder Weg«, fuhr er geheimnisvoll fort, »ist in jeder Richtung gleich lang. Aber uns bleibt noch viel Zeit, darüber zu reden. Zuerst werdet ihr euch erholen und neue Kräfte sammeln, dann sehen wir weiter. Ich habe dich nicht hergebeten, um mit dir über deinen Abschied zu sprechen.«

»Warum dann?«

»Aus zwei Gründen. Zum einen, um mich bei dir zu entschuldigen. Ich ... der Eindruck, den ihr von unserem Volk gewonnen habt, muß alles andere als gut sein, Skar. Wir sind keine Barbaren, auch wenn ich es dir nicht verdenken könnte, wenn du uns nun dafür hältst.«

Skar wollte etwas erwidern, aber Logar machte eine hastige Bewegung und sprach schnell weiter. »Laß mich ausreden, Skar. Ich war unhöflich zu dir, und du mußt glauben, daß es bei uns Sitte ist, Hilfe mit Mißtrauen zu danken. Sei versichert, daß dies nicht unsere Art ist, normalerweise. Die Umstände eurer Ankunft waren unglücklich, nicht nur für euch. Ich war ... das heißt, wir alle sind im Moment übermäßig nervös und gereizt, aber das gibt mir nicht das Recht, meine Launen an Fremden auszulassen, die hierherkommen und uns um Hilfe bitten. Vergib mir.« Skar war für die Dauer eines Herzschlages sprachlos vor Verblüffung. Der Mann, mit dem er sprach, schien kaum mehr Ähnlichkeit mit dem Logar zu haben, mit dem er vor drei Tagen zusammengetroffen war. Bei ihrer ersten Begegnung war Logar mißtrauisch, vielleicht sogar offen feindselig gewesen, aber darüber hinaus hatte ihn eine beinahe greifbare Aura der Macht umgeben. Davon war nichts mehr geblieben. Mehr noch - wenn es zwischen ihnen noch einen Unterschied gab, so schien nun er, Skar, es zu sein, der der Ranghöhere und Mächtigere war - auch wenn Logar es weder mit Worten noch mit Gesten direkt ausdrückte. Aber Skar kam Logar wie ein Mann vor, der zu spät bemerkt hat, daß er sich einem anderen gegenüber im Tonfall vergriffen hat und nun um Vergebung bittet. Skar erinnerte sich plötzlich, einen ähnlich unerklärlichen Wechsel schon einmal erlebt zu haben - bei Coar und ihren Reiterinnen. Und mit einemmal war er sicher, daß die Cearner in ihm und Del mehr sahen als zwei zufällig des Weges gekommene Fremde. Aber er fragte nicht danach. Noch nicht.

»Du sprachst von Problemen«, sagte er, als das Schweigen zwischen ihnen peinlich zu werden begann.

Logar nickte betrübt. »Es war kein Zufall, daß ihr in jener Nacht auf die Garde gestoßen seid«, gestand er. Seine Worte überraschten Skar nur wenig. Er hatte Coars Erklärung, sie wären von den Waldbewohnern um Hilfe gebeten worden, ohnehin nicht geglaubt. Went war zu weit entfernt und der Weg von dort zu mühsam, als daß die Botschaft von ihrem Kommen die Stadt erreicht hätte und die Reiter in wenig mehr als zwei Stunden zu ihnen hätten hinausgelangen können. »Die Garde patrouilliert seit Wochen durch den Wald«, fuhr Logar fort. »Nicht nur Coars Reiter, sondern auch andere. Die Hoger sind wie toll - sie greifen alles an, was sich bewegt, und dringen selbst in Gebiete Cearns vor, die sie sonst meiden.« Er blieb stehen, legte den Kopf in den Nacken und blinzelte zum Himmel empor. Skar folgte seinem Blick. Die dunklen Punkte im Westen waren noch da, und mit einemmal war er fast sicher, daß es Hoger waren, keine normalen Vögel. »Du sprichst, als wären sie sonst nicht so wild«, sagte er vorsichtig.