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»Bist du sicher?« fragte Mergell. »Du kennst die Wüste. Du bist ihr einmal entronnen, aber du solltest das Schicksal nicht unnötig herausfordern. Die Nonakesh ist launisch. Sie hat dich einmal am Leben gelassen, doch das nächstemal wird sie dich töten.«

»Vielleicht«, sagte Skar mit erzwungener Ruhe. »Doch wir können nicht bleiben. Bei dem, was man euch über die Satai erzählt hat, scheint man etwas Wesentliches vergessen zu haben. Satai verkaufen sich nicht. Für keinen Preis.«

»Niemand spricht von verkaufen«, sagte Mergell.

»Es ist uns sogar strengstens untersagt, das Wissen weiterzugeben, das den Satai eigen ist«, fuhr Skar unerschütterlich fort. »Und selbst wenn wir es wollten, wäre es unmöglich. Es dauert ein Menschenleben, ein Satai zu werden. Mehr Zeit, als wir haben.«

»Niemand verlangt, daß ihr eure Geheimnisse preisgebt«, erklärte Mergell geduldig. »Aber du hast unser Volk kennengelernt. Wir sind keine Kämpfer wie ihr. Mit einem Mann wie dir an der Spitze ...«

Skar schüttelte entschieden den Kopf. »Es ist sinnlos, Mergell. Du verschwendest deine Zeit. Wir würden Jahre brauchen, um auch nur eine Handvoll eurer Leute auszubilden. Und auch dann wäre es nur Stückwerk. Euer Krieg, Mergell, ist nicht der unsere. Ich weiß nicht, gegen wen ihr kämpfen wollt, aber es ist euer Kampf. Ihr werdet ihn allein bestehen müssen.«

Mergells Miene schien zu Eis zu gefrieren. »Ich werde deine Worte nicht zur Kenntnis nehmen, Skar«, sagte er steif. »Wir brechen morgen bei Sonnenaufgang auf. Du hast einen Tag und eine Nacht Zeit, dich zu entscheiden.«

»Die brauche ich nicht«, sagte Skar verärgert. Er stand auf, nickte Mergell und seinem Begleiter kühl zu und verließ mit raschen Schritten den Raum. Er wirkte noch immer ruhig und gelassen, aber unter dieser Maske brodelte es. Er hatte den Raum verlassen müssen, um nicht aufzuspringen und Mergell zu ohrfeigen. Er stürmte aus dem Haus, warf die Tür hinter sich zu und stapfte ein paar Meter in den Wald hinein, ehe er stehenblieb und wütend die Fäuste ballte. Nach allem, was er in den letzten Tagen erlebt hatte, versetzte ihn Mergells Benehmen mehr in Rage, als er selbst zugeben wollte.

Das Geräusch leiser Schritte ließ ihn aufblicken. Es war Coar. Sie hatte das Gebäude hinter ihm verlassen und blieb nun unschlüssig stehen. Ein besorgter Zug lag um ihre Mundwinkel.

»Was ... was ist mit dir los?« fragte sie stockend. »So wie gerade kenne ich dich gar nicht.«

Skar lachte humorlos. »Dafür kenne ich Menschen wie Mergell leider viel zu gut, solche Typen sind mir ein paarmal zu oft begegnet«, gab er zurück. »Sind alle Bewohner Ipcearns so wie er?«

Coar schüttelte den Kopf, trat einen Schritt auf ihn zu und griff nach seiner Hand. Skar zog trotzig den Arm zurück.

»Nicht alle«, sagte sie. »Aber du mußt ihn verstehen. Er ist ein sehr mächtiger Mann und kommt gleich nach dem König.« Selbst jetzt schien noch so etwas wie Ehrfurcht in ihrer Stimme mitzuschwingen, und Skar mußte sich beherrschen, um nicht abfällig zu lachen.

»Er scheint es zu wissen«, sagte er säuerlich.

»Aber er hat dir nur die Wünsche der Könige ausgerichtet«, meinte Coar. »Ipcearn ist nicht Went. Die Könige tragen die Verantwortung für unser ganzes Volk. Du kannst ihnen nicht verübeln, wenn sie alles unternehmen, was ihm nutzt.«

»Das tue ich auch nicht«, gab Skar schärfer, als nötig gewesen wäre, zurück. »Aber Mergell hat mir nicht die Wünsche eurer Könige ausgerichtet. Er hat mir eine Rechnung präsentiert. Auf eine schmutzige und unfaire Art.«

»Das hat er nicht.«

»Doch, das hat er«, schnappte Skar wütend. »Oder hast du nicht begriffen, was er damit gemeint hat, daß du mich begleiten kannst. Wie er gesagt hat, daß wir eure Gastfreundschaft genossen haben? Verdammt, Coar - er hat alles, was euer Volk für Del und mich getan hat, in den Schmutz getreten. Mit ein paar Sätzen hat er eure Freundschaft zu reiner Berechnung und dich zu einer billigen Kurtisane gemacht. Und da erwartest du, daß ich höflich bleibe?!!« Coar sog erschrocken die Luft ein. »Du ... du glaubst, was du da sagst, nicht?« flüsterte sie.

»Ich glaube es nicht, ich weiß es«, sagte Skar ruhig. »Ich weiß nicht, ob er auf Geheiß der Könige so handelt, oder ob er sich vielleicht gar nichts dabei denkt. Aber er ist kein so großer Diplomat, wie er sich einbildet, wenn er wirklich glaubt, mich auf diese Weise kaufen zu können.«

»Vergib ihm, Skar«, bat Coar. »Ich bin sicher, er hat seine Worte nicht so gemeint. Er... er hat sich ein falsches Bild von dir gemacht. Aber du hilfst nicht, es zu korrigieren, wenn du so reagierst.«

»Er hält mich für einen Barbaren«, knurrte Skar. »Vielleicht sollte ich ihm zeigen, wie ein Barbar auf eine Beleidigung wie diese reagiert.«

»Du solltest ihn nach Ipcearn begleiten und mit den Königen Freden«, sagte Coar leise. »Niemand hier mag Mergell, aber er ist kein schlechter Mann. Er hat nur das Wohl unseres Volkes im Auge, genau wie ...«

»Genau wie jeder hier«, unterbrach sie Skar. »Seit ich hierhertgekommen bin, habe ich diesen Satz ein paarmal zu oft gehört, Coar. Jedermann hat nur das Wohl des Volkes im Auge! Habt ihr eigentlich auch so etwas wie ein Leben? Für euch, meine ich? Ich ... ich muß allmählich an einen Ameisenstaat denken, wenn ich euch sehe. Cearn mag ein Paradies sein, aber ihr erkauft dieses Paradies mit Selbstaufgabe.«

»Aber das stimmt doch nicht!«

Skar schwieg einen Moment. »Vielleicht nicht«, sagte er leiser. »Vielleicht mußtet ihr so werden, um zu überleben. Ich weiß es nicht. Aber das ist es gerade, was ich versucht habe, Mergell zu sagen, Coar. Del und ich können nicht hierbleiben, selbst wenn wir es wollten.« Er stockte, nahm Coar sanft in die Arme und preßte sie an sich. »Es geht nicht«, fuhr er im Flüsterton fort. »Was gerade geschehen ist, beweist mir, daß ich recht habe. Ihr und wir, das sind Vertreter zweier verschiedener Welten, Coar. Ich habe Mergell belogen, als ich behauptet habe, euch nicht ausbilden zu können. Ich könnte in wenigen Jahren ein Volk von Kriegern aus euch machen, aber der Preis, den ihr dafür zahlen müßtet, wäre es nicht wert. Ich kann aus einem Cearner keinen Satai machen, ohne daß er sich verändert. Wir sind mehr als zwei Menschen, die zufällig an zwei verschiedenen Orten geboren sind, Coar. Ich habe dir von Enwor erzählt, und nicht ein Wort von dem, was ich sagte, war unwahr. Die Welt ist hart, hart und voller Gewalt und Brutalität und Unmenschlichkeit. Ihr würdet ebenso werden, würde ich Mergells Wünschen folgen. Die Männer, die ich ausbilden würde, wären keine Cearner mehr, hinterher. Eure Kultur würde zugrunde gehen.«

»Ich glaube es dir nicht«, sagte Coar. »Unmenschlich ... brutal ... bist du es denn?«

Skar zögerte einen winzigen Moment. Er wußte, daß er Coar weh tun würde, wenn er weitersprach, daß er das Bild, das sie sich von seiner Welt - von ihm - gemacht hatte, zerstören würde, aber er wußte auch, daß ihm keine Wahl blieb. Nicht jetzt, nicht in diesem Augenblick. Es war noch nicht einmal so sehr die Wut auf Mergell. Natürlich war er verärgert, aber Coars Reaktion zeigte nur zu deutlich, wie falsch das Bild war, das sie von ihm hatte.

»Ja«, sagte er schließlich. »Den Mann, den du bisher kennengelernt hast, den gibt es nicht, Coar. Es hat ihn nie gegeben, und wenn doch, dann nur für wenige Tage.« Coar verzog die Lippen zu einem trotzigen Lächeln. »Das sagst du nur, um -«

»Du hast mich kämpfen sehen, Coar«, fiel ihr Skar grob ins Wort. »Und du warst beeindruckt davon. Was du nicht gesehen hast, das war die Einstellung, die man braucht, um so zu kämpfen. Ich habe mehr Menschen getötet, als Went Einwohner hat, Coar. Ich habe gemordet und gebrandschatzt, und ich habe Heere kommandiert, die größer waren als euer ganzes Volk. Ich habe lernen müssen, Männer in den sicheren Tod zu schicken und einen Feind zu vernichten, bevor er wirklich zum Feind werden kann. Ich habe mehr Macht gehabt, als sich Männer wie Mergell überhaupt vorstellen können. Ich habe lernen müssen, Frauen und Kinder zu töten und wehrlose Dörfer in Brand zu setzen. Willst du, daß ich euch das zeige? Willst du wirklich, daß eure Männer so werden? Willst du das?« Coar antwortete nicht, aber Skar sah deutlich, wie betroffen sie zwar. Sie sah ihn an, öffnete den Mund, brachte aber nur einen kläglichen, halbwegs wimmernden Ton hervor. Ihre Lippen zuck:ten. Aber Skar wußte, daß sie ihm immer noch nicht glaubte. Obwohl es ihn beinahe mehr schmerzte als sie, mußte er das Messer in der Wunde auch noch herumdrehen. Er ergriff Coars Arm, zog sie grob zu sich heran und drückte zu. Sie wand sich unter seinem Griff, aber er ließ nicht los, sondern drückte im Gegenteil noch fester zu.