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Tina Daniell

Der Zauber des Dunkels. Die Jäger der Wüste

Danksagung

Mein Dank gilt den ursprünglichen Autoren der DRACHENLANZE-Saga, Margaret Weis und Tracy Hickman.

Es ist mir eine Ehre, in ihren Fußstapfen die Welt Krynn zu durchstreifen.

Besonders die Abenteuermodule von Harold Johnson und Douglas Niles waren unerläßlich für mein Verständnis der Minotauren und der Kyrie.

Als Chefin der Abteilung Buch gab mir Mary Kirchoff mit Dark Heart eine Chance, dann mit The Companions eine weitere.

Redakteur Bill Larson hat Fehler erkannt und meine Prosa aufpoliert.

Und nicht zuletzt danke ich TSR-Redakteur Patrick McGilligan, der nur das Beste akzeptierte, was ich zu geben hatte.

1

Verschwunden

Tolpan Barfuß war allein. Nachdem er fürs erste alles erkundet hatte, was es auf einem mittelgroßen Schiff wie der Venora zu erkunden gab, hatte sich der Kender in die Kabine zurückgezogen, die er mit Sturm Feuerklinge und Caramon Majere teilte. Dabei entging ihm nicht, daß sein Verschwinden dem Kapitän irgendwie gefiel, dessen laute Flüche und Drohungen ihn bis unter Deck verfolgten. Und das, nachdem Tolpan sich so viel Mühe gegeben hatte, beim Hissen des Hauptsegels behilflich zu sein!

In der Kabine, die eigentlich nur ein schmaler Raum mit drei übereinander stehenden Kojen war, setzte sich Tolpan im Schneidersitz auf den Boden. Mit wippendem Haarknoten wühlte er sein Gepäck und die unzähligen Beutel durch, die er stets bei sich trug, und untersuchte ihren Inhalt, als hätte er ihn noch nie zuvor betrachtet. Sein anpassungsfähiges Gedächtnis versicherte ihm, daß es sich ausschließlich um »Fundsachen« handelte, obwohl er in den meisten Fällen vergessen hatte, wie und wo er sie eigentlich gefunden hatte.

Um ihn herum lagen alle möglichen Sachen ausgebreitet – ein kleines Einhorn aus Porzellan, eine leuchtend bunte Feder, glitzernde Steine und Schmuckstücke, ein knorriges Stück Ast, ein aufgerolltes und verschnürtes Pergament, eine hölzerne Flöte, vergilbte Karten, Lieblingsknöpfe, das bräunliche Abzeichen eines Waldläufers, ein Stück Haut mit strähnigen, grauen Haaren, das Tolpan hegte und pflegte, denn er schwor jeden Eid, daß es ein Andenken an seine phantastische Begegnung mit dem großen, seltenen Wollmammut war…

Ein verschrumpeltes Ding fand er besonders interessant. Tolpan untersuchte es im schwachen Licht der Öllampe, die auf einem grobgezimmerten Brett stand, das unter dem einzigen Bullauge der Kabine an die Wand geschraubt war.

»Hm… das kenn’ ich gar nicht!« grübelte Tolpan, der sein schrumpliges Besitztum betrachtete. »Sieht mir aus wie ein Ogerohr, auch wenn ich mich nicht daran erinnern könnte, eins abgeschnitten zu haben. Ein Ogerohr. Vielleicht hat Flint es mir gegeben, auch wenn ich mich nicht daran erinnern könnte, daß der je einem Oger das Ohr abgeschnitten hat. Ich weiß, daß er einmal einem Oger den Fuß abgehackt hat, aber das ist was anderes.« Er blinzelte das Ding an, ohne sich entscheiden zu können. »Nein, eindeutig ein Ohr.«

Schulterzuckend legte er das Ohr wieder hin und sah weiter seine geliebten Habseligkeiten durch. Ursprünglich hatte er etwas ganz Bestimmtes gesucht, das jetzt offenbar in Gefahr geriet, vergessen zu werden, weil dieser oder jener glitzernde Tand den Kender von seiner Suche ablenkte. Schließlich ging ein entzücktes Lächeln über Tolpans Gesicht, als ihm sein anfänglicher Wunsch wieder einfiel und er nach einer gewöhnlich aussehenden, grünen Glasflasche griff. Sie war klein und rund und hatte einen langen Hals.

»Aha!« rief Tolpan befriedigt aus. Nach kurzer Untersuchung stellte er die Flasche neben die Lampe auf das Brett. Im Lampenschein wirkte sie irgendwie ungewöhnlicher, denn sie glitzerte in allen Regenbogenfarben. Eine Schreibfeder und ein Stück grobes Pergament lagen bereits auf dem Regal, das niedrig und breit genug war, um als Schreibtisch zu dienen.

Voller Stolz auf seine ausgesprochen gute Ordnung ging Tolpan daran, seine Schätze aufzusammeln, um sie wieder in seine diversen Beutel und den Rucksack zu stecken. Er nahm sich fest vor, sich an einem der nächsten Tage hinzusetzen und all seine kostbaren Besitztümer sorgfältig durchzusehen.Oben an Deck saß hinten am Heck Caramon Majere im Schneidersitz zwischen ein paar rauhbeinigen Seeleuten. Überall wo Caramon hinkam, fand er bald Freunde. Er, Sturm und Tolpan hatten die Passage auf der Schaluppe schon vor einigen Tagen gebucht. Obwohl die Venora erst vor zwei Tagen von Osthafen nach Abanasinia in See gestochen war, war Caramon bereits mit jedem an Bord per du, einschließlich des Kapitäns, den er Jhani Murloch nennen durfte. Jetzt, unter dem Himmel des frühen Abends, genoß die schmuddelige Gruppe an Deck das Gefühl zünftiger Kameradschaft und einen Krug Met, der die Runde machte. Die Dämmerung nahte, aber noch erfüllte die untergehende Sonne den Himmel mit hellem, orangerotem Licht. Keine Wolke verdarb den Anblick. Ein leichter Wind hielt die Schaluppe beständig in Bewegung. Keiner der versammelten Matrosen war für die Nachtwache eingeteilt. Sie schienen sich um Caramon zu scharen, weil seine gute Laune und seine Lebensfreude sie anzogen. So lockten sie den muskulösen, jungen Mann weiter aus der Reserve, als der mit seinen zahllosen weiblichen Eroberungen prahlte.

»Kargod hat die besten Frauen von allen Häfen auf Krynn«, versicherte gerade ein vierschrötiger Seemann mit Schnurrbart.

»Sie sind sehr stattlich, das stimmt«, gab einer seiner Gefährten zurück, der blinzelnd die Augen zusammenkniff. Er stieß ein verächtliches Lachen aus. »Ich hab’ sie lieber schlank und lebhaft, und dann ist man in Treibgut besser bedient.«

»Ravinia werd’ ich nie vergessen«, sann Caramon, der vom Trinken bereits eine sehnsüchtige Stimme bekam. Die Seefahrer schienen bei seinen Worten aufzumerken. »Kennt ihr das Schankmädchen Ravinia aus Osthafen?« Einer der Männer grunzte bestätigend. »Mit ihren Küssen hat sie gegeizt«, beklagte sich Caramon, um dann eine effektvolle Pause einzulegen. »Aber mit meinen war ich großzügig!«

Brüllendes Gelächter erhob sich auf diese Bemerkung hin. Caramon warf den Kopf zurück und stimmte mit ein. Er lachte so sehr, daß ihm die Tränen aus den Augenwinkeln liefen. Man reichte ihm den Metkrug, und er nahm einen tiefen Schluck, bevor er ihn weiterreichte. Der Krug machte unter den übrigen sechs überraschend schnell die Runde und landete wieder in Caramons Händen.

Erfreut über den Eindruck, den er schinden konnte, strich sich Caramon die goldbraunen Haare aus den Augen und nahm einen weiteren, tiefen Schluck. Ihm war gar nicht aufgefallen, daß er schon eine Weile der einzige war, der aus dem Krug trank.

Sturm Feuerklinge, der oben auf dem Vordeck stand, beachtete das dröhnende Gelächter kaum. Mit gefalteten Händen lehnte der junge Mann, der unbedingt Ritter von Solamnia werden wollte, gedankenverloren über der seitlichen Reling des Schiffes und starrte ins dunkler werdende Wasser. In Sturms klaren, braunen Augen spiegelte sich kein Licht.

Lange Minuten verharrte er fast regungslos. Man hätte ihn mit einer Statue verwechseln können. Als ungeselligster der drei Kameraden an Bord der Venora behielt Sturm seine Gedanken in einer Weise für sich, die man hätte für arrogant halten können – was nicht nur einmal auch geschehen war. Doch im abendlichen Zwielicht wirkte das einsame Profil von Sturm weniger arrogant als abwesend, fremd nicht nur gegenüber Unbekannten, sondern auch gegenüber seinen Freunden.

Seit die Reise begonnen hatte, brütete er nur noch vor sich hin. Sturms Leben hatte einst auf einem Schiff eine dramatische Wende erfahren. Als Kinder waren er, seine Mutter und ihr Gefolge aus dem alten Schloß der Familie in Solamnia geflohen. Seinen Vater hatten sie zurückgelassen, denn er sollte mit der wütenden Bevölkerung fertigwerden, die sich gegen die Ritterschaft erhoben hatte.