»Die Fluggesellschaft hat unsere Koffer verschlampt«, erwiderte Diane rasch. »Können wir hier irgendwo einkaufen und uns ein paar Kleidungsstücke besorgen?«
»Am Ende des Blocks ist ein sehr schönes Damenbekleidungsgeschäft. Aber vielleicht möchten Sie vorher einchecken. Dann können Sie sich Ihre Sachen direkt auf Ihr Zimmer schicken lassen.«
»Gut. Sind Sie sicher, dass noch ein Zimmer für uns frei ist?«
»Um diese Jahreszeit sollte das kein Problem sein.«
Der Angestellte an der Rezeption reichte ihnen die Anmeldeformulare. Kelly unterschrieb ihres und sagte laut: »Emily Bronte.«
Diane warf dem Mann an der Rezeption einen kurzen Blick zu, um festzustellen, ob ihm der Name irgendwie bekannt vorkam. Nein.
Diane trug sich unter Mary Cassatt ein.
Der Angestellte nahm die Anmeldescheine. »Möchten Sie mit Kreditkarte bezahlen?«
»Ja, wir .«
»Nein«, warf Diane rasch ein.
Kelly blickte sie an und nickte zögernd.
»Gepäck?«
»Das kommt noch. Wir sind gleich wieder da.«
»Sie haben Suite Nummer fünf-eins-fünf.«
Der Angestellte blickte ihnen hinterher, als sie hinausgingen. Zwei wahre Schönheiten. Und allein. Was für ein Jammer.
Das Geschäft hieß »For Madame« und bot alles, was das Herz begehrte. Hier gab es Damenkleidung jedweder Art, aber auch eine Lederwarenabteilung, in der man Handtaschen und Koffer kaufen konnte.
Kelly blickte sich um und sagte: »Sieht so aus, als hätten wir Glück gehabt.«
Eine Verkäuferin kam zu ihnen. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Wir sehen uns nur um«, erklärte ihr Diane.
Die Verkäuferin sah zu, wie die beiden sich mit suchenden Blicken durch die einzelnen Abteilungen bewegten.
»Schauen Sie!«, sagte Kelly. »Strümpfe.« Sie nahm ein halbes Dutzend. Diane tat es ihr gleich.
»Strumpfhosen ...«
»BHs«
»Slips.«
Nach kurzer Zeit hatte jede von ihnen beide Arme voller Wäschestücke.
Die Verkäuferin kam herbeigeeilt, um ihnen behilflich zu sein, und trug die Einkäufe der ungewöhnlichen Kundinnen zum Kassentisch, während Diane und Kelly ihren Einkauf fortsetzten.
Kelly betrachtete eine Reihe Hosen, die an einem Ständer hingen. Sie suchte vier aus und wandte sich dann an Diane.
»Man weiß ja nie, wann wir wieder zum Einkaufen kommen.«
Diane nahm ebenfalls vier Hosen und ein gestreiftes Sommerkleid.
»Das können Sie nicht tragen«, sagte Kelly. »Mit Streifen wirken Sie zu dick.«
Diane wollte das Kleid bereits zurückhängen, warf dann einen Blick zu Kelly und reichte es der Verkäuferin. »Ich nehme das hier.«
Die Verkäuferin sah voller Erstaunen zu, wie Kelly und Diane die übrigen Ständer durchgingen. Am Ende hatten sie vier Koffer voller Kleidung gekauft.
Kelly schaute sich die Sachen an und grinste. »Das sollte eine Weile reichen.«
Als sie zur Kasse kamen, fragte die Kassiererin: »Möchten Sie bar oder per Kreditkarte bezahlen?«
»Mit Kredit .«
»Bar«, sagte Diane.
Kelly und Diane öffneten ihre Handtaschen und teilten sich die Rechnung. Beide hatten den gleichen Gedanken: Allmählich wird das Bargeld knapp.
»Wir wohnen im Adams«, sagte Kelly zu der Kassiererin.
»Könnten Sie uns das vielleicht .«
»Möchten Sie, dass wir Ihnen die Sachen liefern? Selbstverständlich. Wie heißen Sie?«
Kelly zögerte einen Moment. »Charlotte Bronte.«:
Diane warf ihr einen kurzen Blick zu und sagte rasch:
»Emily. Emily Bronte.«
Kelly erinnerte sich wieder. »Richtig.«
Die Kassiererin betrachtete sie mit großer Verwunderung. Sie wandte sich an Diane. »Und wie heißen Sie?«
»Ich ... äh ...« Diane überlegte fieberhaft. Mit welchem Namen hatte sie unterschrieben? Georgia O’Keeffe ... Frida Kahlo . Joan Mitchell?
»Sie heißt Mary Cassatt«, sagte Kelly.
Die Kassiererin schluckte. »Natürlich.«
Neben »For Madame« befand sich eine Drogerie. »Wir haben schon wieder Glück.« Diane lächelte.
Raschen Schrittes gingen sie hinein und zum nächsten Großeinkauf über.
»Wimperntusche.«
»Rouge.«
»Zahnbürsten.«
»Zahnpasta.«
»Tampons und Slipeinlagen.«
»Lippenstift.«
»Haarclips.«
»Puder.«
Bis Diane und Kelly wieder im Hotel eintrafen, hatte man die vier Koffer bereits auf ihr Zimmer gebracht.
Kelly starrte sie an. »Ich frage mich, welche Ihre sind und welche meine.«
»Das ist doch egal«, beruhigte sie Diane. »Wir werden etwa eine Woche hier sein, also sollten wir erst mal alles verstauen.« »Vermutlich.«
Sie hängten die Kleider und die Hosen auf, packten ihre Wäsche in die Schubladen und stellten die Toilettenartikel ins Badezimmer.
Als die Koffer leer und alle Sachen weggeräumt waren, zog Diane ihre Schuhe und das Kleid aus und ließ sich auf eines der Betten sinken.
»Das fühlt sich herrlich an.« Sie seufzte zufrieden. »Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen aussieht, aber ich esse heute Abend im Bett. Und danach nehme ich ein langes, heißes Bad. Von hier bringt mich so schnell niemand mehr weg.«
Ein freundliches Zimmermädchen in Uniform klopfte an die Tür und brachte einen Stapel frischer Handtücher in die Suite.
Zwei Minuten später kam sie wieder aus dem Badezimmer. »Klingeln Sie bitte nach mir, wenn Sie irgendetwas brauchen. Einen schönen Abend noch.« »Danke.« Kelly blickte ihr hinterher, als sie ging.
Diane blätterte in einer Hausbroschüre, die sie neben dem Bett gefunden hatte. »Wissen Sie, wann das Hotel gebaut wurde?«
»Ziehen Sie sich an«, sagte Kelly. »Wir gehen.«
»Es wurde im Jahr .«
»Ziehen Sie sich an. Wir müssen von hier weg.«
Diane blickte sie an. »Soll das ein Witz sein?«
»Nein. Hier passiert gleich irgendetwas Schreckliches.«
Ihre Stimme klang panisch.
Diane setzte sich erschrocken auf. »Was soll denn hier passieren?«
»Ich weiß es nicht. Aber wir müssen von hier weg, sonst werden wir beide sterben.«
Ihre Angst wirkte ansteckend, aber in Dianes Augen war sie völlig unbegründet.
»Kelly, Sie reden dummes Zeug. Wenn .«
»Ich bitte Sie, Diane.«
Im Nachhinein wusste Diane nicht mehr, ob sie nachgegeben hatte, weil Kelly sie so gedrängt hatte, oder weil sie sie zum ersten Mal mit ihrem Vornamen angeredet hatte.
»Na schön.« Diane stand auf. »Wir packen unsere Sachen und .«
»Nein! Lassen Sie alles hier.«
Diane schaute Kelly ungläubig an. »Alles hier lassen? Wir haben sie doch gerade erst -«
»Schnell! Wir müssen sofort weg!«
»Na schön.« Hoffentlich weiß sie, was sie tut, dachte Diane, während sie sich widerwillig anzog.
»Rasch!« Es klang wie ein erstickter Schrei.
Diane knöpfte in aller Eile ihr Kleid zu.
»Raus jetzt!«
Sie schnappten sich ihre Handtaschen und stürmten durch die Tür.
Ich muss schon genauso verrückt sein wie sie, dachte Diane ärgerlich.
Als sie ins Foyer kamen, musste Diane regelrecht rennen, um mit Kelly Schritt zu halten. »Würden Sie mir vielleicht verraten, wohin wir gehen?«
Draußen blickte sich Kelly um. »Auf der anderen Straßenseite ist ein Park. Ich ... ich muss mich hinsetzen.«
Wütend folgte sie Kelly in den Park.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Diane.
In diesem Augenblick wurde das Hotel von einer gewaltigen Explosion erschüttert, dann sahen Diane und Kelly, wie das Fenster ihres Zimmers aus der Fassung gerissen wurde und allerlei Trümmer durch die Luft flogen.