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»Nein. So schlimm ist es nicht«, hörte sich Diane sagen.

Er lächelte. »Gut.« Wieder zögerte er kurz. »Sie könnten mir einen großen Gefallen tun, Miss West.«

Diane warf einen Blick auf seine Hände. Er trug keinen Ehering. »Ja?«

»Ich habe zufällig zwei Karten für die Premiere von Noel Cowards Geisterkomödie morgen Abend, und ich habe noch niemanden, der mich begleitet. Wenn Sie nichts anderes vorhaben ...?«:

Diane musterte ihn einen Moment lang. Er wirkte nett und umgänglich und war ausgesprochen attraktiv, aber immerhin war er auch ein wildfremder Mensch. Zu gefährlich. Viel zu gefährlich. »Ich würde gern mitkommen«, hörte sie sich sagen.

Es wurde ein hinreißender Abend. Richard Stevens war ein überaus amüsanter Begleiter, mit dem sie sich auf Anhieb verstand. Sie stellten fest, dass sie viele gemeinsame Interessen hatten, nicht nur die Leidenschaft für Musik und bildende Kunst. Sie fand ihn faszinierend, war sich aber nicht sicher, ob es ihm genauso ging.

Als sie sich voneinander verabschiedeten, fragte Richard:

»Sind Sie morgen Abend noch frei?« »Ja«, antwortete Diane, ohne einen Moment zu zögern.

Am Abend darauf speisten sie in einem ruhigen Restaurant in Soho.

»Erzählen Sie etwas von sich, Richard.«

»Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Ich bin in Chicago geboren. Mein Vater war Architekt. Er war ständig unterwegs und hat in aller Welt Bauwerke entworfen. Meine Mutter und ich haben ihn begleitet. Ich bin auf fünfzehn verschiedene Schulen gegangen, alle im Ausland, und habe einige Fremdsprachen gelernt. Zur Selbstverteidigung.«

»Und was machen Sie? Beruflich?«

»Ich arbeite bei der KIG - der Kingsley International Group. Das ist eine große Denkfabrik.«

»Klingt aufregend.«

»Es ist spannend. Wir forschen nach bahnbrechenden Zukunftstechnologien. Unser Motto, wenn wir denn eines hätten, könnte lauten: >Was wir heute nicht lösen, fällt uns spätestens morgen ein.<«

Nach dem Abendessen brachte Richard Diane nach Hause. Vor ihrer Tür ergriff er ihre Hand und sagte: »Ich habe diesen Abend sehr genossen. Vielen Dank.«

Dann ging er.

Diane stand da und blickte ihm hinterher. Ich finde es schön, dass er ein Gentleman ist, kein gieriger Wolf. Wirklich schön. Ach, verflixt!

Danach verbrachten sie jeden Abend gemeinsam, und jedes Mal, wenn sie Richard sah, hatte Diane das gleiche wohlige Gefühl.

Eines Freitagabends sagte Richard: »Ich trainiere samstags eine Baseball-Juniorenmannschaft. Hätten Sie Lust, mitzukommen und zuzusehen?«

Diane nickte. »Aber gern, Trainer.«

Am nächsten Morgen sah Diane zu, wie Richard mit seinen Jungs arbeitete. Er ging behutsam mit ihnen um, war geduldig und fürsorglich, schrie aber auch vor Freude, als der zehnjährige Tim Holm einen Flatterball fing. Und die Jungs beteten ihn offensichtlich an.

Ich glaube, ich liebe diesen Mann, dachte Diane. Ja, ich glaube, ich liebe ihn.

Ein paar Tage später traf sich Diane mit ein paar Freundinnen zum Mittagessen. Als sie das Restaurant verließen, kamen sie am Stand einer alten Zigeunerin vorbei, einer Wahrsagerin.

»Kommt, wir lassen uns die Zukunft voraussagen«, sagte Diane spontan.

»Ich kann nicht, Diane. Ich muss wieder zur Arbeit.«

»Ich auch.«

»Ich muss Johnny abholen.«

»Warum gehst du nicht hin und berichtest uns anschließend, was sie gesagt hat?«

»Na schön. Ich mache es.«

Fünf Minuten später saß Diane vor dem verhutzelten, hohlwangigen alten Weib, das den Mund voller Goldzähne hatte und ein schmutziges Kopftuch trug.

Das ist doch Unsinn, dachte Diane. Wieso mache ich das? Doch sie wusste, warum sie es tat. Sie wollte fragen, wie es mit ihr und Richard weiterging. Das ist doch bloß aus Spaß, sagte sie sich.

Diane sah zu, wie die alte Frau die Tarotkarten nahm und mischte, ohne auch nur einmal aufzublicken.

»Ich möchte gern wissen, ob .« »Schscht.« Die Frau deckte eine Karte auf. Es war der Narr in seinem kunterbunten Kostüm, mit einem Ranzen auf dem Rücken. Die Frau musterte die Karte einen Moment lang. »Viele Geheimnisse, die Sie müssen erfahren.« Sie deckte eine weitere Karte auf. »Das ist der Mond. Sie haben Wünsche, Sehnsüchte, aber Sie auch unsicher.«

Diane zögerte, dann nickte sie.

»Geht es um Mann?«

»Ja.«

Die Alte deckte die nächste Karte auf. »Das sind die Liebenden.«

Diane lächelte. »Ist das ein gutes Omen?«

»Wir werden sehen. Die nächsten drei Karten uns zeigen.« Sie deckte eine weitere Karte auf. »Der Gehängte.« Sie legte die Stirn in Falten, zögerte einen Moment und deckte die nächste Karte auf. »Der Teufel«, grummelte sie.

»Ist das schlecht?«, fragte Diane.

Die Zigeunerin antwortete nicht.

Diane sah zu, wie die Frau die nächste Karte aufdeckte. Sie schüttelte den Kopf. Ihre Stimme klang dumpf und unheilvoll. »Der Tod.«

Diane stand auf. »Ich glaube nicht an dieses Zeug«, sagte sie unwirsch.

Die Alte blickte auf, und als sie sprach, klang ihre Stimme noch unheimlicher. »Spielt keine Rolle, was Sie glauben. Der Tod begleitet Sie.«

3

Berlin

Oberkommissar Otto Fischer, zwei Kollegen in Uniform und Karl Götze, der Hausmeister des Apartmenthauses, starrten auf die nackte Frauenleiche mit der verschrumpelten Haut, die in der überlaufenden Badewanne lag. Ein schmaler, blau-roter Streifen zog sich um ihren Hals.

Der Oberkommissar hielt den Finger unter den tropfenden Wasserhahn. »Kalt.« Er schnupperte an der leeren Schnapsflasche, die neben der Wanne stand, und wandte sich an den Hausmeister. »Wie heißt sie?«

»Sonja Verbrügge. Ihr Mann ist Hans Verbrügge. Er ist so ’ne Art Wissenschaftler.«

»Hat sie mit ihrem Mann hier gewohnt?«

»Seit sieben Jahren. Sie waren wunderbare Mieter. Haben ihre Miete immer pünktlich gezahlt. Keinerlei Ärger gemacht. Jeder mochte .« Er stockte, als ihm klar wurde, was er gerade sagen wollte.

»War Frau Verbrügge berufstätig?«

»Ja, sie hat im Internet-Cafe Cyberlin gearbeitet, wo die Leute Geld bezahlen, um an den Computern .«

»Wie kam es, dass Sie die Leiche gefunden haben?«

»Weil der Kaltwasserhahn in der Badewanne getropft hat. Ich habe ihn schon ein paar Mal repariert, aber er ließ sich nicht ganz abdrehen.«

»Und?«

»Und deshalb hat sich der Mieter in der Wohnung drunter heute Morgen beschwert, weil bei ihm das Wasser durch die Decke getropft ist. Ich bin raufgegangen, hab an die Tür geklopft, und als sich niemand gemeldet hat, hab ich mit meinem Generalschlüssel aufgeschlossen. Dann bin ich ins Badezimmer gegangen und habe ...« Die Stimme versagte ihm.

Ein weiterer Kriminalbeamter kam ins Badezimmer. »Keine Schnapsflaschen in den Schränken, bloß Wein.«

Der Oberkommissar nickte. »Gut.« Er deutete auf die Schnapsflasche neben der Badewanne. »Lassen Sie sie auf Fingerabdrücke überprüfen.«

»Wird gemacht.«

Der Oberkommissar wandte sich an Karl Götze. »Wissen Sie, wo Herr Verbrügge ist?«

»Nein. Den seh ich immer nur morgens, wenn er zur Arbeit geht, aber .« Er breitete die Arme aus.

»Haben Sie ihn heute Morgen gesehen?«

»Nein.«

»Wissen Sie, ob Herr Verbrügge verreisen wollte?«

»Nein. Keine Ahnung.«

Der Oberkommissar wandte sich an seinen Kollegen.

»Reden Sie mit den anderen Mietern. Stellen Sie fest, ob Frau Verbrügge möglicherweise unter Depressionen litt, ob sie und ihr Mann sich gestritten haben und ob sie Trinkerin war. Sehen Sie zu, dass Sie so viel wie möglich in Erfahrung bringen.« Er schaute Karl Götze an. »Wir werden den Mann überprüfen. Falls Ihnen irgendetwas einfällt, das uns weiterhelfen könnte .«