Выбрать главу

«Jetzt wird es Zeit, Moro einzusperren!«schrie Tapa Tambog ins Telefon und brachte damit den Polizeichef von Manila in eine unangenehme Lage. Memanuk war ein harmloser Mensch, die Touristen betrachteten ihn als eine Attraktion wie die Kathedrale von Manila oder die herrliche Manila Bay, die durch eine Landzunge mit den Kegelbergen Mont Natib und Mont Mariveles gebildet wurde. Moro gehörte zu den Sehenswürdigkeiten wie die Händlerboote im Hafen und die Dirnenhäuser im chinesischen Viertel.»Wenn er weiter so dummes Zeug redet und die Polizei zu schwach ist, einen Idioten einzusperren, verstecke ich ihn selbst so lange, bis das Turnier vorbei ist.«

Der Wunsch der Russen war natürlich nicht erfüllbar. Die Ställe waren gut und massiv, blitzten vor Sauberkeit und rochen nach frischer Farbe. Die Philippinen taten alles, um dieses erste internationale Reitturnier zu einem Erfolg zu machen.

Die deutsche Equipe hatte sich in der Nähe der Ställe, in einer Privatvilla, einquartiert, die einem reichen Malaien gehörte. Ein Haus wie aus einem Märchenbuch. Große Terrassen, plätschernde Springbrunnen, verschlungene Wege durch einen von Blüten-sträuchern und Blumenbeeten fast labyrinthartigen Park. Hier gab es einen Swimming-pool, einen kleinen Käfig mit den schönsten, buntesten und seltensten Vögeln. Der Hausherr, Sana Kawio, klein, dick, überströmende Freundlichkeit und Gastfreundschaft, war mit dem deutschen Botschafter gut bekannt. Er hatte sein Vermögen mit Reis- und Kakaohandel verdient. Einmal im Jahr verbrachte er sechs Wochen in Bad Kissingen, ließ sein Herz untersuchen, hungerte sich zwanzig Pfund ab und behauptete, daß er noch lebe, dieses Wunder sei den deutschen Ärzten zu verdanken.

Romanowski schliefselbstverständlich neben Laska im Stall. Hier lernte er auch Moro Memanuk kennen, der um ihn herumtanzte, schrille Schreie ausstieß und seine Weissagungen wiederholte. Ro-manowski verstand ihn nicht, aber die hingehaltene Hand war eine internationale Geste.

«Ick hab schon 'nen schöneren Affen tanzen sehn«, sagte er und gab Memanuk eine deutsche Mark. Moro starrte auf die Münze, überlegte, ob man so etwas Unbekanntes annehmen konnte, spuckte darauf und steckte sie ein.

«Feuer und Asche wird regnen!«brüllte er Romanowski an.»Bete, Bruder!«

Romanowski zuckte bei dem Ton zusammen, packte Moro an den Schultern, drehte ihn um und gab ihm einen Tritt. Memanuk sauste ein paar Meter vorwärts, fing sich an einer Palme auf und wirbelte herum.

«Gott wird dich zerschmettern!«schrie er hell.»Ich sehe, wie sich die Erde öffnet und die Toten Spazierengehen auf den Wegen der Lebenden.«

«Halt de Fresse!«sagte Romanowski. Er führte Laska auf die Wiese, um sie abzulongieren. Überall trabten die Pferde, wurden gelockert und trainiert.

Gegen elf erschienen Hartung, Angela und Fallersfeld bei den Ställen. Dr. Rölle, der schon eine Stunde früher draußen war, weil das Pferd von Hubert Kaske plötzlich eine Kolik bekommen hatte, zeigte auf einen dürren Mann, bunt, fast clownhaft gekleidet, der mit dem Kopf wackelte, als sei sein Hals eine Spirale.

«Den sollten Sie sich mal anhören«, sagte Dr. Rölle.»Memanuk heißt der alte Knabe, säuft wie ein Loch und prophezeit den Weltuntergang. Die Amerikaner haben ihn zu ihrem Maskottchen ernannt, sie stopfen die Dollars in ihn hinein wie in einen Spielautomaten. Und ebenso fleißig wie ein Automat droht Memanuk mit Feuer und Verderben. Die Polizei war schon da, aber da hätten Sie mal die Amis sehen sollen! Es wäre fast zu diplomatischen Verwicklungen gekommen. Er spricht auch Englisch, erstaunlich, was? Die Filipinos sagen, er sei ein Negrito, ein Ureinwohner.«

«Dr. Rölle, der Asienexperte. «Hartung winkte Moro Memanuk zu. Der harmlose Idiot machte eine tiefe Verbeugung, hüpfte, als habe er Feuer unter den Fußsohlen, und tanzte dann aufdie Deutschen zu.

«Ein tolles Land. «Dr. Rölle wusch sich die Hände in einer Schüssel mit Desinfektionslösung. Er war gerade mit der Untersuchung des erkrankten Pferdes fertig geworden. Hubert Kaske führte es zurück in den Stall. Ruhe, Diätnahrung. >Enno< hatte sich überfressen.»7.085 Inseln, davon nur 2.440 bewohnt. 56 Stämme mit 8 verschiedenen Sprachen und 56 Dialekten, rund um uns herum noch eine Ansammlung von speienden Vulkanen, jedes Jahr soll hier mindestens einmal die Erde wackeln. Ein Paradies auf Feuer. Und nun hören Sie sich das an!«

Moro Memanuk war herangekommen. Kreischend umtanzte er Hartung, Fallersfeld, Dr. Rölle und Angela, brach dann plötzlich ab und hielt seinen Hut hin.

«So blöd ist er wieder nicht«, lachte Fallersfeld und warfzwei Dollars hinein. Und dann aufenglisch:»Wann geht die Welt unter, großer Zauberer?«

Memanuk zog den Kopf ein wie eine Schildkröte. Seine schwarzen, gar nicht irren Augen blickten Fallersfeld erstaunt an. Plötzlich war er ganz still, schüchtern fast und nichts als ein elender, alter, vom Schnaps zerstörter Mann.

«Toll!«sagte Hartung fröhlich.»Baron, Ihr Monokel fasziniert ihn. Sie hypnotisieren ihn glatt mit Ihrem verglasten Auge.«

«Glauben Sie daran, Sir?«fragte Memanuk. Auch seine Stimme klang völlig normal, etwas heiser, alkoholgebeizt, aufgerauht, aber durchaus nicht idiotisch.»Das große Sterben.«

«Das ist nichts Neues. «Fallersfeld spürte auf einmal einen kalten Hauch über seiner Haut. Er wehrte sich gegen das Gefühl und nannte sich innerlich saublöd. Aber das Gefühl blieb und verstärkte sich sogar noch, je länger er Moro Memanuk ansah.

«Es gibt immer das große Sterben«, warf Hartung ein.»Taifun in Pakistan, Überschwemmung in China, Hungersnot in Indien, Cholera und Typhus, die Pocken. Das ist keine Weissagung.«

«Hier, Sir, hier wird das große Sterben kommen. «Memanuk brei-tete die dürren Arme aus, Knochen mit einer faltigen Haut überzogen. Braungelbe, gegerbte Lederhaut.»Keiner will es glauben. Sie lachen mich aus, treten mich, verjagen mich, wollen mich einsperren, spucken mich an, nennen mich einen Idioten, rennen mit Knüppeln hinter mir her. Aber der Tag wird kommen, an dem sie an Me-manuk denken! Dann aber hat Gott sie vergessen!«

«Wann?«fragte Fallersfeld kurz. Er war sehr ernst geworden.

«In zwei Tagen.«

«Wo?«

«Hier, wo wir stehen! Die Erde wird sich öffnen.«

Fallersfeld langte in seinen Rock, zog seine Brieftasche heraus und gab Memanuk einen Fünfzigdollarschein. Dr. Rölle und Hartung starrten den Baron entgeistert an.

«Beten Sie«, stammelte Memanuk. Er küßte die Banknote, ergriff Fallersfelds Hand und schlug ein Kreuz darüber.»Gehen Sie, wenn der Mond über den Bergen von Bataan Pen steht, nicht in ein Haus.«

Er wirbelte auf dem Absatz herum, machte einen hohen Luftsprung und rannte davon.

«Der hat seine fünfzig Dollar — ein Vermögen für ihn — schnell verdient. «Hartung tippte Fallersfeld an, der wie erstarrt stand.»Baron, ich weissage Ihnen auch — in hundert Jahren haben die Pferde sechs Beine. Leider können Sie die Weissagung nicht kontrollieren.«

Dr. Rölle begriff als erster, was hier geschehen war.»Er glaubt daran«, sagte er leise.»Kinder, der Baron glaubt daran.«

«Das ist doch Blödsinn!«

«Nein. «Fallersfeld schüttelte den Kopf. Er ging langsam zu den Ställen, als mache ihm jeder Schritt Beschwerden.»Es ist die gleiche Weissagung, die einmal in Ostpreußen eine alte Bäuerin aus meiner Hand gelesen hat. Das große Sterben.«

«Und wann war das?«

«Vor vierzig Jahren.«

«Dann haben Sie's hinter sich, Baron. Sie haben den Krieg überlebt.«»Er war damit nicht gemeint. Dieser Memanuk sagte übermorgen. Das war eine präzise Zeitangabe.«

«Einen Kognak für den Herrn Baron!«rief Hartung.»Doktor, haben Sie einen in Ihrer Giftapotheke?«

«Im Arztkoffer, natürlich. «Dr. Rölle faßte Fallersfeld unter.»Ich wußte gar nicht, Baron, was für eine empfindliche Seele Sie in der Brust haben.«