suchte, ihre Suche war bis auf weiteres storniert.
Um keine Spuren zu hinterlassen, navigierte sich Hale geschickt in Susans System-Aktiväts-Protokoll und löschte sämtliche von ihm eingegebenen Befehle. Zum Abschluss drückte er die Tasten von
Susans Zugriffscode.
Der Monitor wurde wieder schwarz.
Als Susan zurückkam, saß Greg Hale an seinem Terminal, als ob
nichts geschehen wäre.
KAPITEL 30
Das Vier-Sterne-Hotel Alfonso XIII lag von einem hohen schmiedeeisernen Gitter umgeben inmitten von Fliederbüschen etwas zurück von der Puerta de Jerez. David Becker stieg die marmornen Stufen des Eingangs hinauf. Als er nach dem Türknauf greifen wollte, tat sich die Tür wie von selbst vor ihm auf. Ein Page erschien, um ihn hineinzukomplimentieren. »Ihr Gepäck, Señor? Kann ich Ihnen
behilflich sein?«
»Danke, ich möchte nur den Portier sprechen.« Das beleidigte Gesicht des Pagen verriet, dass ihre noch keine fünf Sekunden alte Bekanntschaft nicht zu seiner Zufriedenheit verlaufen war. »Por aquí, señor, « näselte er, »hier entlang«, und schritt Becker zum Empfang voraus. Er deutete auf den Portier, um sich sogleich wieder in nichts
aufzulösen.
Der Eingangsbereich war erlesen – nicht allzu groß, aber elegant. Spaniens goldenes Zeitalter war zwar schon längst Vergangenheit, aber in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts hatte diese kleine Nation die Welt beherrscht. Die Räumlichkeit mit ihren Rüstungen, Radierungen von militärischen Begegnungen und dem Schaukasten mit Goldbarren aus der Neuen Welt bot eine stolze Reminiszenz
dieser großartigsten Epoche der spanischen Geschichte.
Hinter dem Empfangstresen mit der Aufschrift CONSERJE stand ein gepflegter schlanker Mann. Nach der Intensität seines beflissenen Lächelns zu schließen, hatte er das ganze Leben auf diesen einen Augenblick gewartet, um seine Dienste anzubieten. »¿En qué puedo servirle, señor? Womit kann ich dienen?«, lispelte er affektiert, wobei
er Becker von oben bis unten taxierte.
»Ich möchte Manuel sprechen«, antwortete Becker auf Spanisch.
Das Lächeln auf dem gebräunten Gesicht des Mannes wurde noch beflissener. »Sí, sí, señor, Sie sprechen mit Manuel. Was wünschen
Sie?«
»Señor Roldán von Escortes Belén hat mir gesagt, Sie würden...«
Der Portier brachte Becker mit einer hastigen Geste zum Schweigen. Nervös schaute er sich in der Lobby um. »Wenn Sie sich bitte hier herüber bemühen wollen!«, lispelte er und wedelte Becker zum Ende der Empfangstheke. »Also«, nahm er den Faden fast im
Flüsterton wieder auf, »womit kann ich Ihnen behilflich sein?«
Becker senkte die Stimme und begann von vorne. »Ich möchte eine von Señor Roldáns Damen sprechen, die, wie ich annehme, hier
zu Abend speist. Es handelt sich um Señorita Rocío.«
Der Portier blies überwältigt die Backen auf. »Ah, Señorita Rocío! – ein wunderbares Geschöpf!«
»Ich muss sie unverzüglich sprechen.«
»Aber Señor, Señorita Rocío betreut zurzeit einen Kunden!«
Becker nickte verständnisvoll. »Gewiss. Leider ist es sehr wichtig.« Eine Frage der nationalen Sicherheit.
Der Portier schüttelte den Kopf. »Unmöglich. Aber wenn sie vielleicht eine...«
»Es dauert nur einen Moment. Befindet sich die Señorita denn nicht im Restaurant?«
Der Portier schüttelte den Kopf. »Das Restaurant hat vor einer halben Stunde geschlossen. Ich fürchte, Señorita Rocío und ihr Gast haben sich schon zurückgezogen. Wenn Sie so freundlich sind, eine
Nachricht zu hinterlassen, kann ich sie Señorita Rocío morgen früh überreichen.« Er deutete hinter sich auf die nummerierten Fächer an
der Wand.
»Vielleicht könnte ich sie kurz auf dem Zimmer anrufen und...«
»Tut mir Leid.« Die Geduld des Portiers näherte sich langsam ihrem Ende. »Im Alfonso XIII ist die Ungestörtheit des Gastes das
oberste Gebot!«
Becker hatte nicht die Absicht, mindestens zehn Stunden zu warten, bis ein Fettwanst mit seiner Nutte zum Frühstück
heruntergewatschelt kam.
»Verstehe«, sagte er. »Tut mir Leid, dass Sie sich wegen mir bemühen mussten.« Er drehte sich um und ging zu einem NussbaumRollpult, das ihm schon beim Hereinkommen aufgefallen war. Ein großzügiges Sortiment von Alfonso-XIII-Postkarten, Briefpapier, Schreibzeug und Umschlägen war darauf ausgelegt. Er steckte ein leeres Blatt in einen Umschlag. Vorne drauf schrieb er ein einziges
Wort. ROCÍO.
Er ging zum Empfang zurück.
»Wie dumm von mir, dass ich Sie noch einmal behelligen muss«, sagte er verlegen zum Portier. »Ich hätte Señorita Rocío gern persönlich gesagt, wie gut ich mich neulich mit ihr amüsiert habe, aber ich werde leider heute Nacht noch abreisen. Dann muss es eben mit diesen wenigen Zeilen ein Bewenden haben.« Er legte den
Umschlag auf die Empfangstheke.
Der Portier blickte auf den Umschlag. Wieder so ein liebeskranker
Heterosexueller, dachte er betrübt. Welch eine Vergeudung. Er blickte hoch und lächelte. »Aber selbstverständlich, Señor... ?«
»Buisán«, ergänzte Becker. »Miguel Buisán.«
»Gewiss doch. Sie können sicher sein, dass Señorita Rocío Ihren Gruß gleich morgen früh erhält.«
»Vielen Dank.« Becker lächelte und wandte sich zum Gehen.
Nach einem diskreten Kennerblick auf Beckers Allerwertesten nahm der Portier den Umschlag und wandte sich den nummerierten Fächern in der Rückwand zu. Als seine Hand mit dem Umschlag in
eines der Fächer glitt, fuhr Becker jäh herum zu einer letzten Frage.
»Bitte, wo bekomme ich ein Taxi?«
Das Timing war perfekt. Die Antwort des Portiers war Becker gleichgültig, aber er hatte das Kuvert in dem Fach mit der Aufschrift
SUITE 301 verschwinden sehen.
Becker bedankte sich noch einmal und machte kehrt. Sein Blick suchte den Aufzug.
Rein und raus, murmelte er vor sich hin.
KAPITEL 31
Susan begab sich wieder an ihren Arbeitsplatz. Das Gespräch mit Strathmore hatte ihre Sorge um Davids Sicherheit vertieft.
»Nun, was hat Strathmore denn gewollt? Ein romantisches Tête-à-Tête mit seiner Chefkryptographin?«, stichelte Hale hinter seinem
Terminal.
Susan ignorierte die Spitze. Sie setzte sich an ihr Terminal und gab ihren Zugriffscode ein. Der Bildschirm wurde hell. Das TracerProgramm hatte immer noch keine Rückmeldung über North Dakota
geliefert.
Verdammt, was dauert denn da so lang?
»Du machst so ein wütendes Gesicht«, sagte Hale unschuldig. »Ärger mit deinem Diagnoseprogramm?«
»Nichts Ernstes«, gab sie zurück, aber sie war sich keineswegs sicher. Der Tracer war längst überfällig. Sie überlegte, ob sie sich bei der Eingabe vertan haben konnte, und begann, die langen LIMBO-Zeichenfolgen auf ihrem Bildschirm nach einem Grund für die
Verzögerung zu durchsuchen.
Hale sah ihr schadenfroh zu. »Hey, ich wollte dich immer schon was fragen. Was hältst du eigentlich von dem unentschlüsselbaren
Algorithmus, an dem Ensei Tankado angeblich herumdoktert?«
Susan fuhr hoch. Ihr Magen schlug einen Purzelbaum. »Ein unentschlüsselbarer Algorithmus?« Sie erlangte ihre Fassung wieder.
»Ach so ... Ich glaube, davon habe ich schon mal was gelesen.« »Ziemlich überzogen, so eine Behauptung«, meinte Hale.
»Aber ja«, stimmte Susan zu. Warum fing Hale plötzlich davon an? »Ich glaube nicht daran. Schließlich weiß doch jeder, dass etwas
Derartiges mathematisch unmöglich ist.«
Hale lächelte. »Sicher. Das Bergofsky-Prinzip.«
»Und der gesunde Menschenverstand!«, ergänzte Susan bissig.
»Aber, wer weiß...« Hale ließ einen theatralischen Seufzer los. »›Es gibt mehr Ding im Himmel und auf Erden, als eure