Выбрать главу

Türspalt. Er bedauerte es sofort.

Der Deutsche brauste auf. »Was soll das?«

Becker wusste, dass er wieder einmal zu sehr auf die Tube gedrückt hatte. Nervös blickte er rechts und links den Flur hinunter. Er war bereits aus der Klinik hinausgeflogen, einen zweiten

Rausschmiss konnte er sich nicht leisten.

»Nehmen Sie sofort den Fuß weg!«, brüllte ihn der Deutsche an.

Becker suchte an den Wurstfingern des Mannes nach einem Ring. Nichts. Du bist so nah dran!, dachte er. »Sie haben einen Ring!«, rief

er.

Die Tür knallte ihm ins Gesicht.

David Becker stand eine geraume Zeit auf dem prächtigen Hotelflur. Die Reproduktion eines surrealistischen Bildes von Salvador Dalí hing nicht weit von ihm an der Wand. Das passt, stöhnte er, du befindest dich mitten in einem absurden Alptraum! Heute früh war er in seinem eigenen Bett aufgewacht, und jetzt war er im Begriff, auf der Suche nach einem geheimnisvollen Ring in das

Hotelzimmer eines wildfremden Mannes einzudringen.

Strathmores ernste Stimme rief ihn in die Wirklichkeit zurück. Sie müssen diesen Ring finden!

Becker atmete tief durch. Er wäre am liebsten umgekehrt und nach Hause geflogen. Er betrachtete wieder die Tür mit der Nummer 301.

Auf der anderen Seite wartete seine Rückfahrkarte – der goldene Ring. Er brauchte ihn nur zu holen.

Er stieß entschlossen die Luft aus, schritt zur Tür und pochte. Jetzt waren härtere Bandagen angesagt.

Der Deutsche riss die Tür auf und wollte protestieren, aber Becker schnitt ihm das Wort ab. Mit dem Ruf »Polizei!« hielt er ihm die Mitgliedskarte seines Squash-Clubs vor die Nase, drängte sich ins

Zimmer und knipste das große Deckenlicht an.

Der Dicke fuhr herum und schaute Becker entgeistert an. »Was fällt Ihnen ein ... ?«

»Ruhe!« Becker schaltete um auf Englisch mit spanischem Akzent. »Sie haben eine Prostituierte auf Ihrem Zimmer!« Becker sah sich um. Das Zimmer war so nobel, wie ein Hotelzimmer nur sein konnte. Rosen, Champagner im Kühler, ein riesiges Himmelbett. Rocío war

nirgendwo zu sehen. Die Tür zum Badezimmer war geschlossen.

»Eine Prostituierte?« Der Blick des Deutschen flog zur Badezimmertür. Der Mann war größer, als Becker gedacht hatte. Seine haarige Brust begann unmittelbar unter dem Dreifachkinn und wölbte sich vor bis zu seiner kolossalen Wampe. Die Kordel des

Bademantels umspannte nur knapp seine Leibesfülle.

Becker starrte dem Riesen in die Augen. »Wie heißen Sie?«

Panik huschte über das feiste Gesicht. »Was wollen Sie?«

»Ich bin vom Touristendezernat der Guardia Civil von Sevilla. Haben Sie eine Prostituierte auf Ihrem Zimmer?«

Der Deutsche schaute wieder nervös zur Badezimmertür. »Ja«,

räumte er schließlich ein.

»Wissen Sie, dass das in Spanien eine Straftat ist?«

»Nein«, log der Dicke, »das habe ich nicht gewusst. Aber ich werde die Dame sofort wegschicken.«

»Ich fürchte, dafür ist es jetzt zu spät«, erwiderte Becker. Er machte ein paar Schritte durch das Zimmer. »Aber ich könnte Ihnen

einen Vorschlag machen.«

»Einen Vorschlag?«, sagte der Deutsche hoffnungsvoll.

»Ja. Ich könnte Sie jetzt sofort auf das Kommissariat mitnehmen, oder ...« Becker legte eine dramatische Pause ein und ließ die Knöchel knacken.

»Oder was?« In die Augen des Dicken kroch die Angst.

»Oder wir machen ein kleines Geschäft.«

»Ein Geschäft?« Der Deutsche schien die Storys zu kennen, die über die Bestechlichkeit der spanischen Guardia Civil im Umlauf

waren.

»Sie haben etwas, wofür ich mich interessiere.«

»Aber natürlich!« Der Dicke griff eilfertig nach seiner Brieftasche auf der Kleiderablage. »Wie viel?«

Beckers Kinnlade sackte in gespielter Empörung herunter. »Beabsichtigen Sie etwa, einen Hüter des Gesetzes zu bestechen?«,

fragte er scharf.

»Aber nein, keinesfalls! Ich dachte nur...« Der Dicke legte geflissentlich die Brieftasche wieder weg. »Ich... ich...« Er war völlig von der Rolle. Händeringend ließ er sich auf die Bettkante fallen. Das

Bett ächzte unter seinem Gewicht. »Ich bedaure, dass ...«

Becker zog wie nebenbei eine Rose aus dem Bukett in der Mitte des Zimmers und roch daran, um sie dann achtlos auf den Boden fallen zu lassen. Unvermittelt fuhr er herum. »Was wissen Sie über

den Mord?«

Der Deutsche wurde leichenblass. »Mord?«

»Jawohl. Der Asiat heute Vormittag. Im Park. Es war ein heimtückischer Mord!« Becker benutzte den deutschen Ausdruck. Er

liebte ihn. Er war so Furcht einflößend.

»Ein Mord? Er ... er hatte doch ...«

»Ja, bitte?«

»Aber ... das ist unmöglich«, stieß der Deutsche hervor. »Ich war doch dabei. Der Japaner hatte einen Herzanfall. Ich habe es doch

genau gesehen. Kein Schuss, kein Blut!«

Becker schüttelte herablassend den Kopf. »Die Dinge sind in Wirklichkeit oft anders, als sie zu sein scheinen ...«

Der Dicke wurde noch blasser. Becker lächelte, innerlich mit sich zufrieden. Die Lüge hatte gewirkt. Der Dicke schwitzte wie ein

Schwein.

»Was ... was wollen Sie von mir?«, stotterte er. »Ich weiß gar nichts.«

Becker fing an, auf und ab zu gehen. »Das Mordopfer hat einen goldenen Ring getragen. Ich brauche diesen Ring.«

»Ich ... ich habe ihn nicht!«

Becker seufzte gönnerhaft und machte eine Geste zur Badezimmertür. »Und Rocío? Dewdrop?«

Die Farbe des Dicken wechselte von schneeweiß zu dunkelrot. »Sie kennen Dewdrop?« Er wischte sich den Schweiß mit dem Ärmel des Bademantels von der feisten Stirn. Er wollte gerade etwas sagen,

als die Badezimmertür aufging.

Die beiden Männer blickten auf.

Eine himmlische Erscheinung bot sich ihren Blicken. Rocío Eva Granada stand in der Tür. Langes, fließendes rotes Haar, makellose iberische Haut, dunkelbraune Augen, eine hohe glatte Stirn. Sie trug den gleichen Frottee-Bademantel wie der Deutsche, die Kordel eng um die schmale Taille geschlungen, darunter ausladende Hüften. Die am Hals locker herabfallenden Schals des Bademantels umrahmten die Wölbungen eines leicht gebräunten, vollkommenen Busens. Sie

trat ins Zimmer – das Selbstbewusstsein in Person.

»Kann ich etwas für Sie tun?«, erkundigte sie sich auf Englisch.

Becker schaffte es, die atemberaubende Frau auf der anderen Seite des Zimmers anzusehen, ohne mit der Wimper zu zucken. »Ich

brauche den Ring«, sagte er kühl.

»Wer sind Sie?«

Becker schaltete um auf Spanisch mit andalusischem Akzent. »Guardia Civil.«

Rocío lachte auf. »Ach was, niemals!«, prustete sie auf Spanisch.

Becker spürte einen Kloß im Hals. Rocío war bei weitem nicht so auf den Kopf gefallen wie ihr Freier, aber Becker blieb ruhig. »Niemals?«, äffte er sie nach. »Sie möchten wohl, dass ich Sie aufs

Kommissariat mitnehme, um es Ihnen zu beweisen?«

Rocío schien das nicht zu beeindrucken. »Ich möchte Sie nicht in eine peinliche Lage bringen, deshalb werde ich von Ihrem Angebot

keinen Gebrauch machen. Nun, wer sind Sie also?«

Becker blieb bei seiner Geschichte. »Ich bin von der Guardia von Sevilla.«

Rocío kam drohend auf ihn zu. »Ich kenne jeden Polizisten in dem Verein! Die Bullen sind meine besten Kunden!«

Becker fühlte sich nackt unter ihren Blicken. Er versuchte eine andere Tour. »Ich gehöre zu einem Sonderdezernat für Touristen. Geben Sie mir jetzt den Ring, oder ich muss Sie aufs Kommissariat

mitnehmen und ...«

»Und was?«, fiel ihm Rocío ins Wort, die Brauen in gespielter Neugier hochgewölbt.

Becker verstummte. Er hatte das Spiel überreizt. Der Schuss war nach hinten losgegangen. Verdammt noch mal, warum fällt sie nicht

darauf herein?

Rocío kam noch näher. »Ich weiß nicht, wer Sie sind und was Sie wollen, aber wenn Sie nicht augenblicklich verschwinden, rufe ich den Hoteldetektiv, und die echte Guardia Civil buchtet Sie ein wegen