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hin zur Cyber-Pornographie geworden.

Nach einer Serie von nicht öffentlich bekannt gewordenen, aber nichtsdestoweniger höchst schädlichen Hacker-Einbrüchen in die Computer des Marine-Geheimdienstes führte kein Weg mehr an der Erkenntnis vorbei, dass Regierungsgeheimnisse in Computern, auf die man über das wuchernde Internet zugreifen konnte, nicht mehr sicher

waren.

Der Präsident erließ in Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium eine Geheimverordnung zur Finanzierung eines neuen, völlig abgeschütteten Regierungs-Computernetzwerks, das an die Stelle des unbrauchbar gewordenen Internets treten und die Verbindung zwischen den US-Nachrichten- und Geheimdiensten und der Regierung garantieren sollte. Um Staatsgeheimnisse in Zukunft vor Hackern zu schützen, sollten sämtliche sensiblen Daten an einem einzigen, hochgradig gesicherten Ort zusammengefasst werden: in der

neu entworfenen zentralen Datenbank der NSA, dem Fort Knox der

Geheimdiensterkenntnisse der USA.

Buchstäblich Millionen von Fotos, Tonbändern, Videos und Dokumenten der höchsten Geheimhaltungsstufe wurden digitalisiert und in die unersättlichen Speicher überspielt, worauf die Originaldokumente vernichtet wurden. Die Datenbank wurde durch eine dreifach abgesicherte Stromversorgung und ein mehrstufiges digitales Datensicherungssystem geschützt. Zum Schutz vor

magnetischer Strahlung und der Einwirkung von Explosionen hatte man sie fünfundsechzig Meter tief unter die Erde verlegt. Alles, was im Kontrollraum vor sich ging, war prinzipiell Top Secret Umbra –

Gegenstand der höchsten Geheimhaltungsstufe der USA.

Nie zuvor waren die Geheimnisse des Landes sicherer aufgehoben gewesen. Die uneinnehmbare Datenbank beherbergte Baupläne von modernsten Waffensystemen, Namenlisten des Zeugenschutz-Programms, die Deckidentitäten von Feldagenten, detaillierte Analysen und mögliche Strategien für verdeckte Operationen und vieles andere mehr. Die Liste war endlos. Mit Einbrüchen in US-Geheimdienstarchive war es vorbei.

Die Führungskräfte der NSA wussten natürlich genau, dass gespeicherte Daten nur dann etwas nützen, wenn man auch auf sie zugreifen kann. Der eigentliche Clou der Datenbank war weniger, dass alle Daten durch die Speicherung aus dem Verkehr gezogen waren, sondern dass sie jeweils nur den befugten Personen zur Verfügung standen. Jede gespeicherte Information hatte eine Sicherheitseinstufung und war nur in einem vom Tätigkeitsfeld des jeweiligen Regierungsbeamten abhängigen Umfang verfügbar. Ein U-Boot-Kommandant zum Beispiel konnte sich die neuesten Satellitenaufnahmen russischer Häfen aus dem Speicher holen, hatte aber keinen Zugriff auf eine Antidrogenkampagne in Südamerika. CIA-Analysten konnten die Biografien bekannter und mutmaßlicher Attentäter einsehen, nicht jedoch die Codes zum Abfeuern von Atomraketen, die wiederum nur dem Präsidenten zugänglich waren.

Die Sys-Sec-Techniker hatten natürlich keinerlei Zugriff auf die Informationen der Datenbank, aber sie waren für ihre Sicherheit verantwortlich. Wie alle großen Datenbanken – von Versicherungsgesellschaften bis zu Universitäten – stand auch diese Einrichtung der NSA unter dem ständigen Beschuss von Computerhackern, die gern einen Blick in die dort schlummernden Geheimnisse geworfen hätten. Aber die NSA hatte die besten Sicherheitsprogrammierer der Welt. Nie war es jemandem auch nur ansatzweise gelungen, die Datenbank der NSA zu infiltrieren – und die NSA hatte keinerlei Grund zu der Befürchtung, dass es jemals

gelingen könnte.

Phil Charturkian saß im Sys-Sec-Lab und überlegte fieberhaft, ob er verschwinden sollte oder nicht. Strathmores Unbekümmertheit war für ihn mehr als beunruhigend, denn Probleme im TRANSLTR zogen

Probleme in der zentralen Datenbank nach sich.

Es musste doch jedem klar sein, dass der TRANSLTR und die Datenbank unlösbar miteinander verbunden waren! Jeder neue Code wurde sofort nach der Dechiffrierung durch vierhundertfünfzig Meter Glasfaserkabel von der Crypto-Abteilung zur sicheren Aufbewahrung in die Datenbank geschossen. Das geheiligte Speicherwerk hatte nur wenige Zugänge – und der TRANSLTR besaß einen davon. Der Gauntlet-Filter sollte der unüberwindliche Wächter dieser Pforte sein.

Und Strathmore hatte Gauntlet einfach umgangen!

Charturkian konnte sein Herz pochen hören. Der TRANSLTR hat die achtzehn-Stunden-Marke überschritten! Die Vorstellung, dass ein Virus in den TRANSLTR gelangt war und bald in den Kellern der NSA Amok laufen würde, war zu viel für ihn. »Das musst du

melden!«, brach es aus ihm heraus.

In einer Situation wie dieser hatte Charturkian einen bestimmten Mann anzurufen: Seinen Sys-Sec-Abteilungsleiter mit dem Spitznamen Jabba, den äußerst kurz angebundenen, vierhundert Pfund schweren Computer-Guru, der das Gauntlet-System konstruiert hatte. Bei der NSA war er ein Halbgott – stets allgegenwärtig, löschte er virtuelle Feuersbrünste unter hemmungslosen Flüchen auf die Unfähigkeit und Ignoranz der verantwortlichen Idioten, denen es offensichtlich an jeglicher Vorstellungskraft fehlte. Wenn Jabba erfuhr, dass Strathmore das Gauntlet-System umgangen hatte, würde der Teufel los sein. Tut mir Leid, dachte Charturkian, aber du hast hier einen Job zu erledigen. Er griff nach dem Telefon und wählte die Nummer des Mobilanschlusses, auf dem Jabba rund um die Uhr

erreichbar war.

KAPITEL 45

David Becker wanderte ziellos die Avenida el Cid hinunter und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Auf dem Kopfsteinpflaster spielten verschwommene Schatten um seine Füße. Er war immer noch benebelt von dem Wodka. Er dachte wieder an Susan. Ob sie seine

Nachricht schon abgehört hatte?

Ein Stück weiter vorne hielt quietschend ein Bus. Die Türen gingen auf, aber niemand stieg aus. Als der Bus anfahren wollte, kamen drei Teenager aus einer Bar gestürmt und rannten schreiend

und gestikulierend hinterher. Das Motorgeräusch erstarb wieder.

Becker war noch etwa dreißig Meter entfernt. Sein getrübter Blick wurde schlagartig wieder glasklar, aber er wollte seinen Augen nicht trauen. Was er da sah, war einfach unmöglich. Die Chancen dafür

standen eins zu einer Million.

Du hast Halluzinationen.

Als die Türen für die jungen Leute noch einmal aufgingen und sie sich im Einstieg drängten, sah Becker es wieder. Diesmal war er hundertprozentig sicher. Im Licht der Straßenlampe an der Ecke hatte

er es deutlich erkannt.

Die jungen Leute stiegen ein. Als der Motor langsam auf Touren kam, rannte Becker bereits im vollen Lauf auf den Bus zu. Das bizarre Bild hatte sich in sein Hirn eingebrannt – schwarzer Lippenstift,

wilder Lidschatten und die Haare ... zu drei abstehenden rot-weiß­blauen Spitztüten hochgedreht.

Der Bus setzte sich in Bewegung. Becker stürmte in eine Auspuffwolke aus Kohlenmonoxid.

»¡Espera!«, schrie er aus vollem Halse. Seine feinen Lederslipper flitzten über das Pflaster, aber die Squasherprobte Sprungkraft fehlte. Becker verfluchte den Barkeeper und den Jetlag. Der Bus war zum Glück ein älteres Modell und musste die anstehende Steigung im ersten Gang nehmen. Becker spürte, dass er langsam aufholte. Er musste den Bus erreicht haben, bevor der Fahrer den zweiten Gang

einlegte.

Der Fahrer trat die Kupplung, um hochzuschalten. Die beiden Auspuffrohre spien Becker eine Wolke schwarzen Dieselqualm ins Gesicht, aber er legte noch einen Zahn zu. Er war schon neben dem Bus, der Heckeinstieg zum Greifen nahe. Wie bei allen Bussen von