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»Er macht Pause?« Brinkerhoff sah sie skeptisch an. Er war lange genug die rechte Hand des Direktors gewesen, um zu wissen, dass »Pause« nicht zu den Lieblingsvokabeln seines Chefs gehörte – besonders, was den TRANSLTR betraf. Für die zwei Milliarden, die Fontaine für das Dechiffrierungsungetüm locker gemacht hatte, wollte er auch etwas sehen. Jede Sekunde, die der TRANSLTR nicht lief,

war zum Fenster hinausgeschmissenes Geld.

»Äh... Midge, Pause gibt's beim TRANSLTR nicht«, gab Brinkerhoff zu bedenken. »Er läuft Tag und Nacht durch, und das

weißt du.«

Sie zuckte wieder die Achseln. »Vielleicht hatte Strathmore gestern keine Lust, sich zur Vorbereitung des Wochenendpensums die Nacht um die Ohren zu hauen. Vielleicht hat er gewusst, dass Fontaine nicht da ist, und hat sich vorzeitig aus dem Staub gemacht,

um angeln zu gehen.«

»Nun mach mal halblang!« Brinkerhoff schaute Midge unwillig an. »Du brauchst nicht immer auf dem Mann herumzuhacken.«

Es war kein Geheimnis: Midge Milken konnte Trevor Strathmore nicht leiden. Strathmore hatte mit der zusätzlichen Programmzeile in Skipjack ein ausgeklügeltes Täuschungsmanöver in Szene gesetzt – und war damit auf die Schnauze gefallen. Die NSA hatte für seine hochfliegenden Pläne mächtig Federn lassen müssen. Die EFF hatte an Stärke hinzugewonnen, Fontaines Glaubwürdigkeit vor dem Kongress war beschädigt worden, und, was das Schlimmste war, die NSA hatte ihren Mantel der Anonymität auf weite Strecken eingebüßt. Auf einmal beschwerten sich Hausfrauen aus Minnesota bei America Online oder Prodigy, die NSA könnte ihre E-Mails mitlesen – als ob die NSA sich etwas aus einem Rezept für die Herstellung von

kandierten Süßkartoffeln gemacht hätte!

Strathmores Pleite hatte der NSA schwer geschadet, und Midge fühlte sich dafür verantwortlich. Nicht, dass sie den Alleingang des Commanders hätte voraussehen können, aber unter dem Strich sah die Sache so aus, dass hinter dem Rücken von Leland Fontaine eine nicht autorisierte Solonummer stattgefunden hatte, und Midge wurde dafür bezahlt, diesen Rücken zu decken. Fontaines Neigung zur Nichteinmischung machte ihn angreifbar – und Midge folglich nervös. Aber der Direktor hatte schon vor langer Zeit begriffen, dass man sich

aus der Arbeit von tüchtigen Mitarbeitern besser heraushält und sie ungestört ihren Job machen lässt. Getreu dieser Devise hatte er sich

auch Trevor Strathmore gegenüber verhalten.

»Midge, du weißt ganz genau, dass sich Strathmore keinen Lenz macht«, wandte Brinkerhoff ein. »Er hält den TRANSLTR ständig auf

Trab!«

Midge nickte. Im Grunde wusste sie genau, dass der Vorwurf der Drückebergerei bei Strathmore nicht griff. Der Commander hatte sich

seiner Sache verschrieben wie kaum ein Zweiter. Er trug die Übel dieser Welt als sein persönliches Kreuz. Der Skipjack-Plan war auf Strathmores eigenem Mist gewachsen – ein kühner Versuch, die Welt zu erlösen. Wie so viele Erlösungsversuche hatte leider auch dieser mit einer Kreuzigung geendet.

»Okay«, räumte Midge ein, »dann bin ich eben ein bisschen zu hart gewesen.«

»Ein bisschen?« Brinkerhoff sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. »Strathmore hat einen Dateien-Rückstau von mindestens fünf Kilometern Länge aufzuarbeiten! Und da soll er den TRANSLTR

ein ganzes Wochenende lang Däumchen drehen lassen?«

»Okay, okay«, seufzte Midge. »Mein Fehler.« Mit gerunzelter Stirn überlegte sie, weshalb der TRANSLTR den ganzen Tag keinen einzigen Code geknackt hatte. »Lass mich doch einmal etwas nachsehen«, sagte sie und fing an, in den Berichten zu blättern. Als sie gefunden hatte, was sie suchte, ging sie die Zahlen durch, um gleich anschließend zu nicken. »Okay Chad, du hast Recht. Der TRANSLTR ist unter Hochdruck gelaufen. Die Verbrauchswerte liegen sogar ein bisschen höher als sonst. Seit gestern um Mittemacht haben wir eine

halbe Million Kilowattstunden verbraten.« »Und was sagt uns das?«

»Weiß ich auch nicht genau. Aber seltsam ist es schon«, meinte Midge nachdenklich.

»Möchtest du deine Daten nicht lieber noch einmal neu kompilieren?«

Sie sah ihn unwirsch an. Es gab zwei Dinge, die man bei Midge Milken niemals in Frage stellen durfte. Das eine waren ihre Daten.

Brinkerhoff wartete ab, während Midge die Zahlen studierte.

»Hmm«, sagte sie schließlich. »Die Werte von gestern liegen im üblichen Rahmen. 237 Codes geknackt, DKD 874 Dollar.

Durchschnittszeit pro Code knapp über sechs Minuten. Ver brauchswerte durchschnittlich. Der letzte Code, der in den

TRANSLTR. ..« Sie hielt inne.

»Was ist?«

»Das ist aber komisch«, sagte sie. »Die letzte Datei von der gestrigen Serie ist um dreiundzwanzig Uhr siebenunddreißig

gelaufen.«

»Und?«

»Der TRANSLTR knackt ungefähr alle sechs Minuten einen Code. Somit müsste die letzte Datei des Tages näher an Mitternacht gelaufen

sein. Es sieht aber nicht danach aus, dass ...« Midge brach abrupt ab

und schnappte nach Luft.

Brinkerhoff schreckte zusammen. »Was ist?«

Midge starrte fassungslos den Ausdruck an. »Sieh dir diese Datei

an, die, die gestern Nacht in den TRANSLTR gekommen ist!«

»Ja, und?«

»Sie ist immer noch nicht geknackt! Die Eingabezeit war 23:37:08 Uhr, aber hier steht keine Dechiffrierungszeit!« Midge suchte hektisch

in den Blättern herum. »Weder gestern noch heute!«

»Vielleicht fahren Sie da unten ein langes Diagnoseprogramm«, sagte Brinkerhoff und zuckte die Achseln.

Midge schüttelte den Kopf. »Achtzehn Stunden lang?« Sie zögerte. »Kaum anzunehmen. Außerdem geht aus den Daten hervor, dass es

eine Datei von draußen ist. Wir müssen Strathmore anrufen.«

»Zu Hause?« Brinkerhoff schluckte. »An einem Samstagabend?«

»Ach was. So, wie ich Strathmore kenne, weiß er Bescheid. Ich wette, dass er hier ist. Ich habe das im Urin.« Midge Milkens Urin war das Zweite, was man niemals in Frage stellen durfte. »Los«, sagte sie

und stand auf. »Mal sehen, ob ich Recht habe.«

Brinkerhoff folgte Midge in ihr Büro. Sie setzte sich hin und legte auf den Keypads von Big Brother los wie ein Virtuose an der Orgel. Brinkerhoff schaute hinauf zu der Batterie der Kontrollmonitore an der Wand, auf denen überall nur das NSA-Wappen zu sehen war.

»Willst du etwa in der Crypto schnüffeln?«, erkundigte er sich nervös.

»Quatsch! Schön wär's, geht aber nicht. Die Crypto ist tabu. Da gibt's kein Video, kein Mikro, kein gar nichts – auf Strathmores Anordnung. Wir haben lediglich die Statistik über das Rein und Raus und ein paar grundsätzliche TRANSLTR – Daten. Wir können schon von Glück sagen, dass wir wenigstens das haben. Strathmore wollte auf einer Insel der Seligen leben, aber Fontaine hat auf Basisdaten

bestanden.«

Brinkerhoff sah sie überrascht an. »In der Crypto gibt es keine Videoüberwachung?«

»Was ist daran so aufregend?«, sagte sie, ohne den Blick von den Monitoren zu wenden. »Suchst du für dich und Carmen ein

ungestörtes Plätzchen?«

Brinkerhoff grunzte etwas Unverständliches.

Midge drückte noch ein paar Tasten. »Ich hole mir Strathmores Fahrstuhl-Protokoll.« Sie studierte kurz ihren Monitor, dann klopfte sie mit den Knöcheln auf den Tisch. »Er ist da«, sagte sie. »Er ist jetzt in der Crypto. Er ist gestern in aller Herrgottsfrühe reingegangen, und seitdem hat sich sein Fahrstuhl nicht mehr bewegt. Außerdem habe ich keine Meldung, dass er am Haupteingang die Magnetkarte benutzt

hätte. Er ist definitiv in seinem Bau.«

Brinkerhoff stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Wenn Strathmore in der Crypto sitzt, dann heißt das doch, dass alles in

Ordnung ist, oder?«

Midge überlegte. »Möglicherweise«, meinte sie hinhaltend. »Möglicherweise?«

»Lass ihn uns zur Sicherheit einfach mal anrufen.«