Выбрать главу

Arsch!«

»Ich habe dich schon beim ersten Mal verstanden«, erwiderte Becker und stand auf. Er hatte keine Lust auf eine Rangelei. Es war

Zeit zu verschwinden.

»Wo hast du meine Flaschen hingetan?«, kreischte ihn der Junge an. Eine Sicherheitsnadel steckte in seiner Nase.

Becker deutete auf die Flaschen auf dem Boden. »Das ist doch nur Leergut.«

»Aber mein Scheiß-Leergut!«

»Entschuldigung!«, sagte Becker und wollte gehen.

Der Punker vertrat ihm den Weg. »Aufheben!«

Becker blinzelte ihn an. »Das soll wohl ein Witz sein?« Er war einen ganzen Kopf größer und fünfzig Pfund schwerer als diese halbe

Portion.

»Seh ich aus wie einer, der Witze macht?« Becker hielt es für besser, zu schweigen.

»Aufheben!« Die Stimme des Bürschchens überschlug sich fast.

Becker versuchte, ohne weiteren Kommentar an dem Jungen vorbeizukommen.

Der Knirps stellte sich ihm wieder in den Weg. »Verdammt nochmal, ich habe gesagt: Aufheben!«

Die zugedröhnten Punks an den Tischen in der Nähe wurden aufmerksam. Sie drehten die Köpfe, um nichts zu verpassen.

»Nun mach keinen Ärger, der dir hinterher Leid tut, mein Junge«, sagte Becker versöhnlich.

»Ich warne dich«, zischte der Punker. »Das ist mein Tisch, eh! Ich bin jeden Abend hier. Und jetzt: Aufheben!«

Beckers Geduld war zu Ende. Wollte er nicht eigentlich in den Smoky Mountains sein? Was hatte er sich hier in Spanien mit einem

durchgedrehten Halbwüchsigen herumzustreiten?

Ohne jede Warnung packte er den Knaben unter den Achseln, hob ihn hoch und knallte ihn mit dem Hintern auf den Tisch. »Du Lausebengel wirst jetzt schön Ruhe geben, oder ich rupf dir die Sicherheitsnadel aus deiner Rotznase und verschließ dir damit deine

große Klappe, verstanden?« Der Knabe wurde blass.

Becker ließ ihn einen Moment zappeln, ehe er ihn freigab. Ohne das erschrockene Bürschchen aus den Augen zu verlieren, bückte er sich, hob die Flaschen auf und stellte sie auf den Tisch. »Gut so?«,

sagte er.

Der Punker glotzte blöd.

»Man sagt Dankeschön!«, belehrte ihn Becker. Der Kerl ist ein wandelndes Argument für Empfängnisverhütung!

»Verpiss dich!«, schrie der Junge, der gemerkt hatte, dass seine Kumpels über ihn lachten. »Arschgeige!«

Becker rührte sich nicht. Der Junge hatte etwas gesagt, das bei ihm hängen geblieben war. Ich bin jeden Abend hier. Vielleicht konnte der Bursche ihm weiterhelfen. »Tut mir Leid, ich habe deinen Namen

nicht mitbekommen«, sagte Becker.

»Two-Tone«, zischte der Knirps, als wär's ein Todesurteil.

»Two-Tone?«, sagte Becker tiefsinnig. »Lass mich raten. Wegen deinem zweifarbigen Kopf?«

»Mann, du merkst auch alles! Klugscheißer.«

»Guter Name. Selbst drauf gekommen?«

»Aber klar«, kam die stolze Antwort. »Werd's mir patentieren lassen.«

Becker sah ihn stirnrunzelnd an. »Du meinst wohclass="underline" schützen lassen.«

Der Junge machte große Augen.

»Für einen Namen brauchst du einen Gebrauchsmusterschutz«, erläuterte Becker. »Patentieren geht da nicht.«

»Mir doch scheißegal!«, kreischte der Junge frustriert.

Das desolate Sortiment von besoffenen und zugedröhnten Halbwüchsigen an den umstehenden Tischen wieherte inzwischen

hysterisch. Two-Tone stand auf. »Eh, Mann, was liegt überhaupt an?«

Was anliegt? Dass du dir die Rübe wäschst, eine vernünftige Ausdrucksweise angewöhnst und einen Job besorgst, das liegt an!, dachte Becker versonnen. »Ich hätte gern ein paar Informationen«,

sagte er.

»Leck mich am Arsch.« »Ich suche jemanden.«

»Hab niemanden gesehen.«

Becker winkte einer vorbeikommenden Bedienung. Er erstand zwei Flaschen Águila-Bier und hielt eine davon dem Jungen hin. Two-Tone war sprachlos. Er nahm einen kräftigen Zug aus der

Flasche und beäugte argwöhnisch seinen Wohltäter.

»Soll das 'ne Anmache sein, Mister?«

Becker lächelte Two-Tone an. »Ich suche ein Mädchen.« Two-Tone lachte schrill. »Eh, Alter, so krass wie du angezogen

bist, läuft hier gar nichts!«

»Es soll auch nichts laufen«, meinte Becker. »Ich möchte das Mädchen nur mal sprechen. Würdest du mir helfen, die Kleine zu

finden?«

Two-Tone ließ die Bierflasche sinken. »Bist du 'n Bulle?«

Becker schüttelte den Kopf.

Der Halbwüchsige sah ihn aus Augenschlitzen an. »Siehst aber aus wie 'n Bulle.«

»Junge, ich komme aus Maryland. Wenn ich ein Bulle wäre, wäre ich hier wohl ein bisschen weitab von meinem Zuständigkeitsbereich,

meinst du nicht auch?«

Das Problem schien dem Jungen zu schaffen zu machen.

»Ich heiße David Becker.« Becker streckte lächelnd die Hand über den Tisch.

Der Punker zuckte angeekelt zurück. »Pfoten weg, schwule Sau!«

Becker zog die Hand zurück.

»Wenn ich dir helfen soll«, sagte der Bursche verächtlich, »dann kostet das was.«

Becker ging darauf ein. »Wie viel?«

»Hundert Dollar.«

»Ich habe aber nur Peseten.«

»Mir egal. Dann eben hundert Peseten.«

Wechselkurse gehörten offensichtlich nicht zu Two-Tones Stärken. Hundert Peseten waren etwas über achtzig Cent. »Abgemacht!«, sagte

Becker und knallte die Bierflasche auf den Tisch.

Der Junge verzog zum ersten Mal das Gesicht zu einem Lächeln. »Abgemacht!«

»Okay«, sagte Becker kumpelhaft. »Es könnte sein, dass die Kleine, die ich suche, hier rumhängt. Sie hat rot-weiß-blaue Haare ...«

Two-Tone zog den Rotz hoch. »Judas Taboo hat heute seinen Memorial-Day. Jeder Arsch hat heute .. .«

»Gut. Sie hat ein T-Shirt mit der britischen Flagge an und einen Totenkopf als Ohrhänger an einem Ohr.«

Ein Ausdruck des Erkennens huschte über Two-Tones Gesicht. In

Becker keimte neue Hoffnung auf. Aber Two-Tones Miene schlug sogleich um. Er knallte die Flasche hin und packte Becker am Hemd. »Das ist die Schnecke von Eduardo, du Wichser! Wenn ich du wäre, würde ich höllisch aufpassen. Wenn du die anmachst, macht er dich

kalt!«

KAPITEL 56

Midge Milken stapfte wütend in den Konferenzraum. Die Ausstattung des Raums umfasste neben dem neun Meter sechzig langen Konferenztisch mit dem in Schwarzkirsche und Nussbaum eingelegten Wappen der NSA drei Marion Pike Aquarelle, einen Bostonfarn, eine Bar und natürlich den unverzichtbaren Wasserspender für gekühltes Trinkwasser. Midge genehmigte sich

einen Becher, um das innere Gleichgewicht wiederzugewinnen.

Beim Trinken schaute sie zum Fenster. Durch die offenen Lamellenjalousien fiel das Licht des Mondes herein und spielte auf der Maserung der Tischplatte. Midge war seit jeher der Meinung gewesen, das Büro des Direktors wäre hier wesentlich besser aufgehoben als an der Vorderfront des Gebäudes, wo Fontaine derzeit residierte. Statt auf den Parkplatz, hatte man von hier einen Ausblick auf eine stattliche Anzahl eindrucksvoller NSA-Gebäude – darunter auch die Crypto-Kuppel, jene High-Tech-Insel, die abseits vom Hauptgebäude aus über zwölftausend Quadratmetern Waldgelände herausragte. Von den meisten Fenstern des NSA-Komplexes war die mit Bedacht hinter einen Ahornhain gesetzte Kuppel kaum auszumachen, aber von hier aus lag sie prächtig im Blick. Für Midge wäre dies der ideale Söller für den weit über das Reich schweifenden königlichen Ausblick ihres Chefs gewesen. Vor längerer Zeit hatte sie

Leland Fontaine vorgeschlagen, sein Büro nach hier zu verlegen, was er allerdings mit dem knappen Kommentar abgetan hatte: »Hinten heraus? Niemals.« Fontaine war nicht der Mann, der sich mit der Rückseite von was auch immer begnügte.

Midge zog die Jalousien beiseite und schaute hinaus in die Hügellandschaft. Mit einem wehmütigen Seufzer suchte ihr Blick die Crypto-Kuppel, einen Anblick, den sie immer als tröstlich empfunden hatte, wie den eines Leuchtturms, der sein Licht beständig und verlässlich zu jeder Stunde scheinen ließ. Aber als sie jetzt hinausschaute, konnte von Trost keine Rede sein. Sie starrte in eine dunkle Leere. Das Gesicht an die Fensterscheibe gepresst, verlor sich ihr Blick in endloser Finsternis. Ein hysterischer Angstzustand machte