Dienst?«
Die Angestellte nickte. »Von sieben bis sieben.«
»Dann müssten Sie das Mädchen eigentlich gesehen haben. Es ist
noch sehr jung, etwa fünfzehn oder sechzehn. Die Haare sind ...« Die Worte waren noch nicht heraus, da wusste Becker schon, dass er
einen Fehler gemacht hatte.
Die Augen der Angestellten verengten sich. »Sie haben ein Verhältnis mit einer Fünfzehnjährigen?«
»Nein!«, beteuerte Becker. Mist. »Bitte, Sie müssen mir helfen! Es ist wahnsinnig wichtig.«
»Bedauere«, sagte die Angestellte kühl.
»Sie haben einen völlig falschen Eindruck bekommen. Wenn Sie vielleicht nur ...«
»Gute Nacht, Señor!« Die Angestellte zog die Jalousie ihres Schalters zu und verschwand durch eine Tür im Hintergrund.
Becker verdrehte stöhnend die Augen. Saubere Arbeit, David! Er ließ den Blick durch die Weite der Halle schweifen. Nichts. Megan muss den Ring verkauft und das Flugzeug genommen haben. Er ging zu dem Mann mit der Bohnermaschine. »iHas visto a una niña?«, rief er ihm über das Geheul der Maschine zu. »Haben Sie ein Mädchen
gesehen?«
Der Alte griff nach unten und stellte den Motor ab. »iEh?«
»Una niña«, wiederholte Becker, »pelo rojo, bianco, y azul. Ein Mädchen, mit rot-weiß-blauen Haaren.«
Der Alte lachte. »jQuefea! Wie scheußlich!« Kopfschüttelnd machte er sich wieder an die Arbeit.
David Becker stand ratlos mitten in der verlassenen Empfangshalle des Flughafens. Wie sollte es nun weitergehen? Der Abend hatte sich zu einer Komödie der Irrungen ausgewachsen. Strathmores Worte dröhnten in seinem Kopf. Rufen Sie mich erst wieder an, wenn Sie den
Ring haben.
Eine tiefe Erschöpfung ergriff von Becker Besitz. Wenn Megan den Ring verkauft und das Flugzeug genommen hatte, war der Verbleib des Rings nicht mehr feststellbar. Er schloss die Augen und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Was nun? Er musste in Ruhe darüber nachdenken. Aber zuerst wollte er sich den längst
überfälligen Gang zur Toilette gönnen.
KAPITEL 64
Susan stand allein in der Düsternis von Node 3 . Ihre Aufgabe war klar umrissen: Hales Terminal aktivieren, den Key lokalisieren und die Kommunikation zwischen ihm und Tankado komplett löschen.
Kein Hinweis auf Diabolus durfte zurückbleiben.
Ihr Unbehagen meldete sich wieder. Nachdem bislang alles so glücklich verlaufen war, fand sie es im Grunde vermessen, mit der Bergung des Schlüssels und dem Öffnen von Diabolus das Schicksal herauszufordern. North Dakota war unversehens direkt vor ihrer Nase aufgetaucht und saß jetzt in der Falle. Der einzige ungeklärte Punkt betraf David. Er musste noch den anderen Schlüssel auftreiben.
Hoffentlich kommt er gut voran, dachte Susan.
Sie trat tiefer in den Raum und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Seltsamerweise fühlte sie sich trotz der vertrauten
Umgebung unwohl in ihrer Haut. In der Düsternis kam ihr Node 3 fremdartig vor. Aber da war noch etwas anderes. Zögernd blickte sie
zurück zu der außer Funktion gesetzten Tür. Aus Node 3 gab es kein
Entkommen. Noch zwanzig Minuten, dachte sie.
Als sie sich Hales Terminal zuwandte, bemerkte sie einen merkwürdigen Geruch – eindeutig keiner der üblichen Gerüche von
Node 3 . Sie überlegte, ob es an der ausgefallenen Entionisierungsanlage liegen könnte. Der Geruch war ihr irgendwie
bekannt und brachte sie zum Frösteln. Sie musste an Hale denken, der unten im dunstgeschwängerten Silo eingeschlossen war. Sie sah zu den Schlitzen der Klimaanlage hinauf und schnüffelte, doch der Geruch schien aus nächster Nähe zu kommen.
Jetzt erkannte sie den Geruch. Herrenparfüm ... und Männerschweiß. Ihr Blick fiel auf die Gittertür der Küche.
Durch die Lattenschlitze starrte ein Augenpaar zu ihr heraus. Sie prallte zurück. Die schreckliche Erkenntnis traf sie wie ein
Keulenschlag. Greg Hale war keineswegs im Orkus eingesperrt – er
war hier in Node 3 ! Er musste die Leiter erklommen haben, bevor Strathmore die Bodenklappe wieder verschlossen hatte. Er war auch
kräftig genug gewesen, die Schiebetür allein aufzubekommen.
Susan hatte gehört, Entsetzen würde lähmen, aber nun wusste sie, dass das ein Märchen war.
Ihr Gehirn hatte die Lage noch nicht vollständig registriert, da war sie schon in Bewegung – zurück in die Dunkelheit, mit einem einzigen Gedanken: Flucht.
Im gleichen Moment schon krachte es hinter ihr, als Hale, der stumm auf dem Herd gesessen hatte, die Beine wie zwei Rammböcke gegen die Schwingtür stieß, die splitternd aus den Scharnieren flog.
Mit großen kraftvollen Sätzen setzte er ihr nach.
Susan warf Hale eine Stehlampe als Stolperfalle in den Weg, doch er sprang geschickt darüber hinweg und kam schnell näher. Wie eine stählerne Klammer glitt sein Arm von hinten um ihre Taille. Sein Bizeps presste ihr die Luft aus den Lungen. Susan schrie auf vor
Schmerz.
Wild um sich schlagend, setzte sie sich zur Wehr. Als ihr Ellbogen eher zufällig gegen etwas Knorpeliges stieß, fiel Hales Umklammerung von ihr ab. Er schlug die Hände schützend über die
Nase und ging schreiend in die Knie.
Susan flitzte zum Ausgang und sprang auf die Kontaktplatte. Sie flehte zum Himmel, Strathmore möge in diesem Augenblick wieder
für Strom sorgen und die Tür aufgehen lassen, aber die Flucht endete mit einer hilflosen Trommelei ihrer Fäuste gegen das dicke Glas.
Hale torkelte mit blutender Nase herbei. Im Nu umklammerte sein Arm wieder Susans Taille. Seine Gürtelschnalle bohrte sich in ihr Kreuz, seine rechte Hand umfasste fest ihre linke Brust. Als er Susan
von der Tür fortzerrte, verlor sie die Schuhe.
Sie ruderte schreiend mit den Armen, doch ihre Gegenwehr war fruchtlos. Hale besaß unglaubliche Kräfte. In einer einzigen fließenden Bewegung hob er Susan hoch und legte sie neben dem
Rundtisch mit den Terminals auf dem Teppichboden ab.
Susan fand sich plötzlich auf dem Rücken wieder. Ihr Rock war bis zu den Hüften hochgerutscht, einige Blusenknöpfe aufgesprungen. Ihre Brust wogte im bläulichen Licht. Hale hatte sich mit seinem vollen Gewicht rittlings auf sie gehockt und presste sie auf den Boden. Voller Entsetzen starrte Susan ihn an. Ein schwer deutbarer Ausdruck
stand in seinen Augen – es mochte Wut sein, oder war es etwa Angst? Hales Blicke bohrten sich in Susans Leib. Eine neue Welle der Panik rollte über sie hinweg. Alles, was sie je zum Thema Selbstverteidigung gelernt hatte, schoss ihr durch den Kopf. Sie versuchte, zu kämpfen, aber ihre Glieder versagten ihr den Dienst.
Gefühllos geworden, schloss sie die Augen. Oh Gott, bitte nicht!
KAPITEL 65
Brinkerhoff ging in Midges Büro hin und her. »Kein Mensch kann Gauntlet umgehen! Ausgeschlossen!«
»Falsch!«, gab sie zurück. »Ich habe gerade mit Jabba gesprochen. Letztes Jahr hat er eigens einen Programmschalter dafür installiert.«
Brinkerhoff sah sie skeptisch an. »Davon habe ich noch nie etwas gehört.«
»Da bist du nicht der Einzige. Das ist damals ganz heimlich über die Bühne gegangen.«
»Aber Midge«, wandte Brinkerhoff ein, »Jabba ist in Sachen Computersicherheit doch geradezu ein Zwangsneurotiker! Niemals
würde er...«
»Strathmore hat ihn praktisch dazu gezwungen«, fiel ihm Midge ins Wort.
Brinkerhoff hörte die Rädchen in ihrem Kopf arbeiten.
»Weißt du noch, letztes Jahr, als Strathmore diesen antisemitischen Terroristenring in Kalifornien auf dem Kieker hatte?«
Brinkerhoff nickte. Es war damals einer der größten Coups Strathmores gewesen. Bei der Dechiffrierung eines abgefangenen Codes mit Hilfe des TRANSLTR war er auf den Plan eines Bombenattentats auf eine jüdische Schule in Los Angeles gestoßen. Die verschlüsselte Nachricht der Terroristen konnte erst zwölf Minuten vor der geplanten Bombenexplosion geknackt werden. In letzter Sekunde hatte Strathmore mit ein paar Blitztelefonaten dreihundert Schulkinder retten können.