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»Was heißt: Sie haben es versucht?«

Strathmore drehte Susan den Bildschirm zu. Der Monitor hatte sich zu einem merkwürdigen Dunkelbraun verfinstert und war bis zum unteren Rand mit einer Säule aus Befehlen zum Programmabbruch

gefüllt. Hinter jedem Befehl stand die gleiche Meldung:

ABBRUCH NICHT MÖGLICH ABBRUCH NICHT MÖGLICH

ABBRUCH NICHT MÖGLICH

Susan fröstelte. Abbruch nicht möglich? Aber warum? Sie befürchtete, die Antwort bereits zu kennen: Tankados Rache – die Zerstörung des TRANSLTR! Jahrelang hatte Tankado darum gekämpft, dass die Welt von der Existenz des TRANSLTR erfuhr, aber niemand hatte ihm glauben wollen. So hatte er sich eines Tages entschlossen, selbst Hand anzulegen, um das Untier zu vernichten. Er hatte bis zum Tode für seine Überzeugung gekämpft: das Recht des

Bürgers auf den Schutz seiner Privatsphäre.

Unten plärrte der Alarm.

»Wir müssen den Notstrom auch noch abschalten«, erklärte Susan. »Jetzt sofort!« Wenn sie sich beeilten, war der große Parallelrechner noch zu retten. In Situationen wie dieser war jedem Computer der Welt, vom Billig-PC bis zu den Kontrollsystemen der NASA­Satelliten, mit einer einfachen Maßnahme beizukommen: Stecker

herausziehen. Keine elegante Lösung, aber garantiert wirksam.

Wenn sie das Notstromaggregat auch noch abschalteten, konnte der TRANSLTR nicht weiterrechnen. Um den Virus konnte man sich später noch kümmern. Dazu brauchte man nur sämtliche Festplatten des Rechners neu zu formatieren. Damit war das Gedächtnis der Maschine komplett gelöscht – ihre Datenspeicher, ihre Programme, allfällige Viren, einfach alles. In den meisten Fällen bedeutete der mit der Neuformatierung einhergehende Datenverlust von manchmal Tausenden von Dateien den Verlust von vielen Jahren Arbeit, aber beim TRANSLTR war das anders. Er konnte ohne jeden Datenverlust neu formatiert werden. Parallelrechner wurden zum Denken, nicht

zum Erinnern gebaut. Der TRANSLTR speicherte nichts. Sobald ein Code geknackt war, wurde das Resultat in die zentrale Datenbank

der NSA überspielt, und dort ...«

Susan erstarrte. Die Erkenntnis traf sie wie ein Keulenhieb. Sie schlug die Hand vor den Mund, um einen Aufschrei zu unterdrücken.

»Die zentrale Datenbank!«

Strathmore starrte blicklos ins Dunkle. Offenbar war ihm der Zusammenhang schon längst aufgegangen. »Ja, Susan, unsere zentrale

Datenbank...«, sagte er mit Grabesstimme.

Susan nickte ausdruckslos. Tankado hat sich den TRANSLTR zu Nutze gemacht, um einen Virus in unsere zentrale Datenbank zu

schleusen!

Strathmore deutete müde auf den Monitor. Am unteren Rand des Bildschirms leuchteten zwei Zeilen:

SCHLUSS MIT DEM GEHEIMNIS UM DEN TRANSLTR!

JETZT HILFT NUR NOCH DIE WAHRHEIT!

Susan war es kalt geworden. Die NSA hütete in ihrem Datenspeicher die geheimsten Geheimnisse der Nation: Manöverpläne, Fernwaffencodes, die Deckidentitäten ausländischer Agenten, Pläne für modernste Waffentechnologie, digitalisierte

Dokumente, Handelsabkommen – die Liste war endlos.

»Das wird Tankado nicht wagen!«, sagte sie im Brustton der Überzeugung. »Er kann doch nicht das gesamte geheime Archivmaterial eines Landes löschen wollen!« Einen Angriff auf die NSA-Datenbank traute Susan selbst einem Ensei Tankado nicht zu.

Sie betrachtete die Zeile:

JETZT HILFT NUR NOCH DIE WAHRHEIT!

»Die Wahrheit?«, fragte sie. »Welche Wahrheit?«

Strathmore atmete schwer. »Die Wahrheit über den TRANSLTR«, keuchte er.

Susan nickte. So ergab die Sache einen Sinn. Tankado wollte die NSA zwingen, in Sachen TRANSLTR die Hosen herunterzulassen. Es ging also doch nur um Erpressung. Er hatte die NSA vor die Wahl gestellt: Entweder bekennt ihr euch zu dem TRANSLTR, oder ihr verliert eure Datenbank. Susan betrachtete nicht ohne Respekt den

Text vor ihren Augen. Ganz unten blinkte eine Aufforderung.

PRIVATE-KEY EINGEBEN:

Susan begriff. Der Virus, der Schlüssel, Tankados Ring – ein genialer Erpressungscoup. Der Key hatte mit dem angeblichen Algorithmus gar nichts zu tun. Er war die Notbremse. Er konnte den Virus aufhalten. Susan hatte schon viel über derartige Viren gelesen.

Sie waren tödlich, aber sie hatten eine eingebaute Notbremse, eine geheime Tastenkombination, mit der man sie deaktivieren konnte. Tankado hat keinen Anschlag auf unsere Datenbank geplant, er wollte uns lediglich zwingen, den TRANSLTR der Öffentlichkeit preiszugeben. Sobald das geschehen wäre, wollte er uns den Schlüssel geben, mit dem wir den Virus schachmatt setzen können!

Aber leider war Tankados Plan entsetzlich schief gegangen. Er hatte nicht mit seinem Tod gerechnet. Er hatte gedacht, er könne in Spanien irgendwo an einer Bar sitzen und sich auf CNN die Pressekonferenz über Amerikas streng geheimen Dechiffrierungs-Großcomputer ansehen. Dann hätte er Strathmore angerufen, den Key von seinem Ring abgelesen, und die Datenbank wäre gerettet gewesen. Er hätte sich kräftig ins Fäustchen gelacht und wäre von der

Bildfläche verschwunden – als eine Art Säulenheiliger der EFF.

Susan hieb mit der flachen Hand auf den Tisch. »Wir brauchen diesen Ring! Es gibt gar keinen zweiten Schlüssel!« Sie hatte verstanden. Es gab keinen North Dakota, keine Kopie des Schlüssels. Aber selbst wenn die NSA mit dem TRANSLTR sofort an die Öffentlichkeit gegangen wäre, es gab auch keinen Ensei Tankado

mehr, der als Retter hätte auftreten können.

Strathmore brütete stumm vor sich hin.

Die Lage war ernster geworden, als Susan es je für möglich gehalten hatte. Am meisten schockierte sie, dass Tankado es so weit hatte kommen lassen. Er musste gewusst haben, was geschehen würde, wenn die NSA nicht in den Besitz des Ringes gelangte – aber dennoch hatte er den Ring in den letzten Sekunden seines Lebens fortgegeben. Er hatte ihnen den Ring willentlich vorenthalten. Aber was hätte man andererseits schon erwarten sollen – etwa, dass er der NSA den Ring auf dem Silbertablett servieren würde, nachdem er davon ausgehen musste, dass man dort seine Ermordung betrieben

hatte?

Trotz allem war Susan nicht bereit zu glauben, dass Tankado es so

weit kommen lassen wollte. Er war Pazifist. Er war gegen Zerstörung. Er wollte lediglich für ausgeglichene Kräfteverhältnisse sorgen. Es ging ihm bestimmt nur um den TRANSLTR und das allgemeine Bürgerrecht auf eine ungestörte Privatsphäre, nur darum, dass die Welt von den Schnüffelpraktiken der NSA erfuhr. Die zentrale Datenbank der NSA zu löschen wäre ein so ungeheuerlicher Akt der

Aggression gewesen, wie sie ihn Ensei Tankado nicht zutraute.

Das Alarmgeheul brachte sie wieder in die Wirklichkeit zurück. Susan betrachtete den am Boden zerstörten Commander. Sie wusste, was in seinem Kopf vorging. Nicht nur, dass sein famoser Plan, Diabolus mit einem Hintertürchen zu versehen, sich schmählich in Luft aufgelöst hatte, seine Fahrlässigkeit hatte die NSA außerdem an

den Rand der vermutlich katastrophalsten Sicherheitskrise in der Geschichte des Landes gebracht.

»Commander, das ist nicht Ihre Schuld«, versuchte Susan ihn zu trösten. »Wenn Tankado noch leben würde, hätten wir eine

Verhandlungsoption. Wir könnten etwas unternehmen.«

Commander Strathmore hörte sie nicht. Sein Leben war ruiniert. Nach dreißig Jahren im Dienste seines Landes hätte die Installation des Hintertürchens im globalen Verschlüsselungsstandard der Augenblick seines größten Triumphs werden sollen, sein persönlicher Akt des gelungenen Widerstands gegen das Verbrechen. Stattdessen hatte er der NSA einen Virus in ihre zentrale Datenbank geschossen! Es gab keine Möglichkeit, das Zerstörungswerk des Virus aufzuhalten – es sei denn, man stellte den Speichern den Strom ab, und das hieß, viele Milliarden Byte an unwiederbringlichen Daten restlos zu löschen. Nur der Ring konnte die Katastrophe noch verhindern. Aber