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«Du kommst vom alten Pelzgesicht, ja«, lachte eine helle, feminine Stimme.

Der Wolf fuhr zusammen.

«Nein, trink nur weiter. Du mußt deine Kehle schützen — so heiß es bei euch ist, in der alten Welt, unser Wetter seid ihr dann doch nicht gewohnt, was?«

Vor ihm im Wasser schwamm eine Frau, die ein Mensch und ein Schwan war.

Dmitri fielen die Walküren ein, aus dem ersten Film, den er sich mit Clea Dora angesehen hatte: Die streiften ihr Federkleid zum Baden ab. Die Erscheinung legte den wunderschönen Menschenkopf zurück und lachte, daß dem Wolf seltsam wurde. Er schämte sich vor so viel Selbstbewußtsein und sah mit Staunen, wie die dichten weißen Federchen am Kopf und auf den Schultern sich sträubten. Es sah aus wie zerstrubbelt kurzes, weißes Haar. Daunen lagen eng am Körper an, in schleppengleichen Falten, zwischen Armen und Hüften, blitzende Tröpfchen perlten da. Die Spannweite, riet Dmitri, als sie sich aus dem Wasser erhob und feucht glänzend wie eine Venus auf ihn zuwatete, mußte länger sein als sein ganzer Leib.

«Ich rieche schon, wen du suchst und wer dich schickt. Er hat sich lange nicht bei mir gemeldet.«

Der Vogel, dachte Dmitri. Das ist der Vogel? Diese merkwürdige Schönheit?

Er widersprach dem Gedanken laut und deutlich:»Ich… nein, ich sollte einen Mann suchen. Einen Kerl.«

Was geschah hier, zwischen ihnen? Ein déjà vu, ein Geschenk, vielleicht eine Falle.»Das war ich, früher«, sagte sie mit ihrer singenden, weichen Stimme, daß Dmitri dachte: Ich habe Mühe, zu verstehen, was gesagt wird, ist das Hypnose?

«Ich bin«, sie deutete, hochaufgeschossen vor ihm stehend, eine Verbeugung an,»Alexandra Élodie Paula Mirameí, die du suchst. Aber dir helfen — ihm helfen —, das kann ich leider nicht. Mein Gast darfst du sein. Vielleicht bleibst du ja ganz gern.«

Sie ging vor ihm in die Hocke, berührte mit den langen Fingern seinen Nacken, kraulte ihn, als hätte sie das oft getan.

Eben noch hatte er nur hier fortgewollt, jetzt war ihm, als gehöre er her.

«Ein König ist er geworden, hör ich«, sagte sie und hielt Dmitris Schnauze kurz in ihrer schmalen Hand,»das macht aus mir dann wahrscheinlich eine Comtesse.«

Der Wolf verstand nicht, was sie meinte, aber als sie ihn umarmte und dann flüchtig küßte, wußte er, daß er tatsächlich gern bleiben würde.

Solange ich hier bin, sagte ihm sein Herz, bin ich, wo ich sein soll.

2. Die klaren Himmel

Er blieb länger, als selbst die weitherzigste Auslegung der Löwenorder ihm gestattet hätte.

Daß Alexandra nicht bereit war, das Angebot der» erneuten Waffenbrüderschaft, wie in alten Zeiten «anzunehmen, das der Löwe ihr ausrichten ließ, nahm der Wolf gelassen zur Kenntnis und sandte Bienen mit Sprühcodes nach Osten, auf einen weiten, aber sicheren Weg, um diese Auskunft ihrem Adressaten zuzustellen.

Im zerfallenen Palast der Comtesse und an ihrem Teich, im Wäldchen ihrer Katzen und in ihren zerzausten Parks gab es Wichtigeres als den kommenden Krieg: das gute Leben.

Nicht Dmitri kam schließlich noch einmal aufs Thema, sondern die Schwänin.

«Militärische Probleme, sicher, die wird er haben«, sagte sie bei einem Spaziergang durchs saftige Wuchern rund um die geborstenen Gewächshäuser,»aber das ist nur wieder das Spiel, aus dem wir damals ausbrechen wollten. Die ewige Kette: Wärest du der Löwe, so würde der Fuchs dich betrügen; wärest du das Lamm, so würde der Fuchs dich fressen; wärest du der Fuchs, so würdest du dem Löwen verdächtig werden, wenn dich der Esel vielleicht verklagte; wärst du der Esel, so würde deine Dummheit dich plagen und du lebtest doch nur als Frühstück für den Wolf. Welch ein Geschöpf könntest du sein, das nicht einem anderen Geschöpf unterworfen wäre?«

«Shakespeare«, Dmitri lächelte und schaute den Katzen zu, in den klaren Himmeln.

«Du sagst das so, als wüßtest du, wer das war. Wer das für uns gewesen ist, damals, in der schlechten Zeit.«

«Ihr Alten«, der Wolf rieb seinen Hals an ihrer wohlriechenden Seite, sie ließ das gern zu,»tut so, als gäbe es keine Kultur mehr.«

«Gibt's ja auch nicht. Habt ihr nicht nötig, eine eigene Kulturwelt, als etwas vom sonstigen Leben Verschiedenes. Für uns war Kunst selten, wertvoll, für euch… das ganze Leben ist doch Kunst heute.«

«Bis der Krieg zurückkommt«, sagte er in gespielter Besorgnis. Sie faßte nach ihm, er entwischte ihr. Sie liefen durch die schönen Ruinen, bis es dunkel wurde.

Dann schliefen sie das erste Mal miteinander.

Am besten gefiel ihm, daß er neben ihr liegen konnte wie bei Wölfen, Leib an Leib, geschwisterlich.

Der Mond sah auf diesem Erdteil nachts größer aus als in Dmitris Heimat. Der Wolf mußte sich beherrschen, ihn nicht anzuheulen, wenn die Schwänin und er im metallischweißen Licht zusammen schwimmen gingen.

Die Tage waren ein Versteck- und Enthüllspiel hinter Hitzevorhängen.

Wenn Alexandra von der Vergangenheit erzählte, war das eine ganz andere Geschichte als aus dem Mund des Löwen. Ihr Blick aufs Gewesene schien freier, unverstellt von Schuld vielleicht, von Zweifeln. Sie konnte das, was unwiederbringlich war, leicht von dem unterscheiden, was wiederkommen konnte, wie Jahreszeiten.

«Wir hatten auch unsere guten Tage. Halkyonische Sommer, und zum Schluß einen helliconischen.«

«Helliconisch?«

«Dichtung. ›Helliconia‹, ein Kunstwerk, das von einem fremden Stern erzählt, das heißt, von zweien. Es ging da um einen Planeten namens Helliconia, mit Jahreszeiten, die ganze Geschlechter lang währten. Aldiss hieß der Verfasser — ein Engländer.«

«Engländer, was war das für ein Beruf?«

«Oh, nein, kein Beruf… das ist eine geographische Zuordnung. Er kam von der kleinen knautschigen Insel, die vor der größeren Insel liegt, auf der zwei von den drei Städten… Das waren Leute mit Schneid, diese Engländer. Sind früher der ganzen Welt auf der Nase herumgetanzt.«

Sie lachte, und er verbiß sich das Mitlachen, damit er ihr beim Lachen besser zuhören konnte.

In den Gemächern der Comtesse sah Dmitri schöne und rätselhafte Schatten an den papierenen Wänden und Türen, wenn er die Mittagszeit über keuchend auf der Seite lag. Es war ihm unmöglich, sich zu dieser Stunde draußen aufzuhalten; sie dagegen tänzelte mal drinnen, mal draußen durch Pläne, die er nicht erraten konnte, und ihre Füße schienen dabei kaum den Boden zu berühren.

Gegen Abend gingen sie fast immer zusammen schwimmen und tauchen. Er überraschte und beeindruckte sie mit seinen amphibischen Eigenschaften. Sie spielten zwischen den Seerosen, er freute sich: Alles ist Blatt hier, Papier oder Blüte, Lotus oder Kirsche.

Manchmal dachte er an zu Hause und was die dort jetzt vielleicht von ihm dachten, von ihm erwarteten. Da wurde er leicht trotzig: Wir sollten wohl wenigstens noch eine Weile so tun dürfen, als wäre alles ein Spiel. Wir verletzen niemanden und machen einander glücklich, ist das nicht genug?

In Neumondfinsternis, am Lagerfeuer, auf dem Dach des Hauptlabors, gab sie zu bedenken:»Es spricht überhaupt vieles für ein zyklisches Geschichtsbild, Ricorsi, große Räder mit kleineren drin.«

Er zog die Stirn ein bißchen kraus, damit sie sah, daß ihn das interessierte.

Sie sagte:»Na, daß das hier alles schon einmal passiert ist und alles wieder passieren wird. Der Götterhimmel als Zoo. Die Schimären, Sphinxe, die alten Ägypter — daß die ältesten Hieroglyphen vielleicht falsch verstandene Dokumente eines hybriden sodomitischen Äons sind, einer Epoche, in der das Wissen, wie man Tier und Menschen auf einen Nenner bringt und so viele Arten erzeugt, wie es Einzelwesen gibt, bereits einmal da war, aus sogar noch älteren Menschenaltern geerbt, während aber die richtige Auslegung allmählich verlorenging, unter den Pharaonen.«