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Was er so vier Tage später erfuhr, war bestürzend: Präriehunde und Büffel im Westen wurden von der Armee Katahomenleandraleals systematisch aufgerieben. Die Keramikaner fielen über sie her wie ein plötzlicher Regenguß; sie töteten ein Drittel, vertrieben ein Drittel, pflanzten einem Drittel eine Saat ein, aus der in kurzer Frist weitere Keramikaner werden würden.

Die Abfallprodukte dieser großmaßstäblichen Vergewaltigung der lokalen Ökotektur trieben sie ohne Gnade vor sich her. Wie Sporen erbrachen sie durch die Luft schießende Heliozoa aus Eiweißabfällen, Blut, Hast und Schmerzen, eine infernalische Wolke, die ihr Kommen schon in mehreren Kilometern Entfernung ankündigte.

Die Spinnen des Wolfes versuchten, sich auf Keramikanern niederzulassen, um biometrische Daten zu sammeln. Es war unmöglich.

Die äußerst eigenartige Magnetorientierung dieser Panzerungen erzeugte so starke Felder, daß die Spinnen sich verwirrten, taumelten, von den Heliozoawolken verschluckt und unter den eisernen Fersen der Vorrückenden zermahlen wurden. Nur etwas wie Gesang konnten die Spione des Wolfs aus vorsichtiger Entfernung aufzeichnen, das sagte: Wir sind die neuen Frauen, wir holen euch, wir kriegen euch!

Die Beine des Wolfes zuckten, als er sie sah und hörte, in unruhigem Schlaf.

Die Männchen eines großen Stammes wilder Schafe bockten, als ihnen der Gesang aufgezwungen werden sollte, und wurden zerfleischt. Nicht einmal zu fotografieren waren die Keramikaner. Ein Expertensystem im Stammhirn des Wolfs wagte aufgrund der nicht abbildbaren, immer seltsam verwischten Konfigurationen von Nesseln, die aus den Exoskeletten der Keramikaner hervorkabelten, die Vermutung, daß diese Unabbildbarkeit von ihrer Bauart herrührte.»Sie sind«, riet das Programm,»wahrscheinlich nicht vollständig vierdimensional wie das, was wir gewöhnlich wahrnehmen. Ihr Konstruktionsplan reicht in mindestens eine weitere Dimension, vielleicht auch in insgesamt sechs oder mehr. Wenn das stimmt, können sie sich selbst von allen Seiten sehen und wissen Dinge, für die wir keine Ausdrücke besitzen.«

Nur eine einzige von Dmitris fleißigen Sonden drang schließlich durch Zufall doch noch in einen der Keramikanerkörper ein.

Sie kämpfte sich durch Höhlungen und Laibungen vor bis zu einer Membran von Schleimhaut, von der sie ebensowenig wie später der Wolf wußte, ob ihr bei den Gente oder den Menschen irgend etwas Bekanntes entsprach. Der Glibber hatte nur einen Millimeter Dicke, und wie es schien, konnte er denken. Die Spinne fing Impulse ab und schickte dem Wolf ein löchriges Protokoll.

Spürbewegungen, ein Riß, Erschrecken.

Dmitri löschte die Spur sofort, weil sie nicht lesbar war. Wenn er danach noch einmal an sie dachte, wurde ihm übel.

Schließlich geschah ein Kundschafterunfall.

Der Walhai befand sich direkt unterhalb der Ionosphärengrenze und sandte, ohne daß das mit dem Wolf abgesprochen gewesen wäre, Ortungspings in Richtung Horde.

Einer davon wurde von der Spinne, die sich an der Schleimhaut des Keramikaners festgesetzt hatte, abgefangen und identifiziert. Sie meldete, weil ihre Routinen ihr das befahlen, den Empfang in zwei Richtungen: dem Wolf und dem Wal. Das führte zur doppelten Strahlstärke ihrer sonstigen Sendeleistung. Hierdurch öffnete sich für die Taster der Keramikaner ein Abhörfensterchen.

Sofort richteten sie ihr vieltausendfach geteiltes Facettenauge auf das Wänzchen.

Anstatt es auszubrennen, sandten sie ihm einen Übernahmevirus und kooptierten es ohne Mühe. Dann schickten sie dem Setzling Georgescus und dem Wolf ein bewegtes Bild: Die beiden sahen einen nackten Menschen in einem kalten, ovalen, grünlich aus unklarer Richtung von nicht sichtbaren Quellen beleuchteten Raum. Der Mensch hantierte mit Biomaterial, zog irgend etwas Lebendes auf dünne Gläser.

Sie sahen, daß er elend dran war, hohle dunkle Wangen hatte und fiebrige Augen. Sein weißer Laborkittel, der einmal gepaßt haben mußte, schlotterte ihm viel zu weit um die ausgemergelten Glieder. Ein Mensch? Eher schon ein Skelett. Seine Lippen bebten, er war erregt; offenbar nahe daran, zu finden, wonach er suchte.

Die Reihen von Spektrometeruntersuchungsbildern erinnerten den Wolf an irgend etwas; er wußte nur nicht gleich, woran.

«Es hat ganz harmlos angefangen«, höhnten die Keramikaner mit Sirenenstimmen,»als echte Neugier und Verbesserung der Lebensbedingungen des Menschen. Nanofakturen, Synbiodevices, verbesserte Wermutpflanzen, die Säuremedikamente gegen Malaria synthetisierten, ein sprechender Gymnocorymbus, ein Rechnernetzwerk aus Gangliosiden, das erste Zweithirn. Dann erfand man die Pherinfone. Bald wurde die erste rein ribobasierte universale Turingmaschine gebaut. Und als das geschehen war, stand er an seiner Schwelle, dieser abgehärmte Mann da.«

Der Blick, zu dem Wolf und Walhai gezwungen wurden, nahm sich das Gesicht des Mannes jetzt genauer vor, verweilte auf den Augen, dem Mund — es war der Wolf, der zuerst verstand, was ihnen gezeigt wurde: Das also ist er, so hat er ausgesehen, und was er hier zusammenrührt, ist die erste Generation der Befreiten.

«Wir haben keinen Grund«, das war Georgescu, sie versuchte, über die Spinne als Relais den Wolf zu erreichen,»uns für so einen Anfang zu schämen. Vieles, das später allen gefällt, nimmt sich in der Wiege kaum schön aus. Was wollen Sie? Iemelian«, das war der vertraute Name, den Georgescu für den Löwen verwandte, weil es der war, unter dem er ihr die Dachsenbataillone aufzustellen befohlen hatte,»ist das hier nicht. Das ist nur sein erster Vater. Und unserer.«

Diese Nachricht wurde nicht durchgelassen zu Dmitri, für den sie bestimmt war.

Georgescu mußte sie später mündlich nachtragen. Statt dessen sandten die Keramikaner dem Walhai eine Antwort:»Vater, Vater! Wer wen zeugt, darauf kommt's euch immer noch an. Wir sind die Mütter eines stärkeren Geschlechts.«

12. In deren Herzen

Der Tau auf Dmitris Zunge, als er zu sich kam, schmeckte bitter.

Er stand auf, sein Fell knisterte leis an tausend Stellen, er fand sich elektrostatisch geladen. Er dachte an Katzenfelle, an Clea Dora, das Lynxchen, und war verärgert, daß die Propaganda der Keramikaner zumindest ein klein wenig bei ihm verfing: Dem Wolf war mulmig beim Gedanken an den Mann mit den dunklen Augenhöhlen, der, brütend über Gestellen mit Reagenzröhrchen gebeugt, das Kinn auf von blauen Äderchen durchzogene Hände stützte.

Mein König? Mein Schwiegervater?

Natürlich war die Nachricht der Keramikaner darauf angelegt, der Propaganda zu begegnen, die der Löwe selbst im Tierreich verbreiten ließ, wonach das Schlimmste an den Keramikanern sei, daß es sich dabei um eine verbesserte Sorte Menschen handelte: Die Bleichlinge sind zurückgekehrt, sie legen ihre kalten Leichenfinger um die Hälse der Heutigen.

«Wir sind also Menschen«, erwiderten die Gepanzerten,»und was ist dann mit eurem König?«

Verdrossen nagte der Wolf an zähen blassen Halmen, die kränklich aus dem allgegenwärtigen grauen Staub herausragten. Er riß etwas ab und kaute, dann spürte er, wie der Schatten des Walhais über ihn hinwegglitt, Richtung Osten.

«Bist du zurück, ja?«

Der fliegende Riese pfiff.

«Du nimmst's ja leicht«, bellte der Wolf.

Der Walhai gab ihm recht:»Sicher. Du nicht? Nein, natürlich nicht. Du nimmst es so schwer du nur kannst, Grauröckchen.«

«Sie wissen alles über uns. Mehr, als wir selber wissen. Und über sie wissen wir gar nichts.«