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«Sebassus?«brüllte die Kommandantin.»Ich bin Rolfa Patel!«

«Und wer sind die andern?«schrie Dmitri zurück. Er sah schwarze Punkte, mal größer, mal kleiner, die an der ausladenden Architektur des Schiffs herumwuselten, aus Bullaugen guckten, jedes Geländer emporkraxelten oder herunterrutschten.

«Das? Die? Fische mit Beinen und geschrumpfte Pinguine! Meine Crew!«

Wirst nichts Billigeres gefunden haben, dachte der Wolf.

VIII. ANTILEONISMUS

1. Lichtung

Wo weißer Schaum schartig gespülte Rinnen im schwarzen Gestein füllte und grün zwischen Steinen in die Tiefe stürzende Fälle einander beim Tosen und Rauschen übertrafen, zeigte sich Frau Späth jeden Abend unter einem großen Baum. Vor vielen Träumen hatte sie in einer vergessenen Quelle gelesen, daß der Buddha, um Buddha zu sein, einen Baum brauchte. Da sollte er sich druntersetzen und zielstrebig seiner Erleuchtung entgegenmeditieren. Sie setzte sich nicht oft; der Gedanke an Erleuchtung war ihr unheimlich, die letzte, die sie erlebt hatte, zitterte noch nach in ihr.

Meist ging sie, wenn sie ihren Baum besucht hatte, zum unbehauenen Monolithen am großen Becken unter den Fällen. Da redete sie dann mit unbekannten Größen, die von Erleuchtung auch etwas verstanden. Alle diese Größen waren Fronten für die junge Göttin, der dieser Wald gehörte.

Eines Abends war die Göttin gut gelaunt.

Katahomenleandraleal freute sich, daß ihr ein wertvoller Kopf, den sie mit hohem Aufwand hatte jagen wollen, ohne jede Mühe in die Hände gefallen war.»Sie hat sich ganz formlos ergeben. Vermutlich glaubt sie, daß sie damit Milde erwirkt, für ihre lebendigen Spielsachen. Ich habe ihre fliegenden Kätzchen allerdings zunächst beseitigt. Die Baupläne bleiben aber; es mag später einmal neue geben. Die Konstruktion der kleinen Schwingen allein… ich habe sie einigen meiner Mädchen angepaßt, allerdings präziser eingefaltet.«

«Werde ich sie treffen? Die Gefangene?«

«Nein, tut mir leid. Was sie war, ist auch… weg. Ich mußte das… wie würdest du sagen, in deinen vier Dimensionen? Aufschneiden. Um ans Wertvolle zu gelangen.«

Frau Späth sah einen Polstersessel vor sich, in den jemand einen Schlitz hieb, daß die Füllung herausquoll.

«Das war wirklich nötig, ja?«

«Wie sonst hätte ich erfahren sollen, was sie wußte?«Es klang fast beleidigt; die Göttin war ein Kind, ein grausames, sehr junges.

«Du hättest fragen können.«

«Ach, ihr Bewußtsein… das war alles von… Ästhetik und Moral und andern Schrullen verklebt, für so viel Säuberungsarbeit fehlt mir die Zeit.«

«Sie wollte dir doch ausliefern, wer sie… war, oder nicht?«

«Was sie wußte, ist anregend. Was sie war, ist überholt.«

Frau Späth wunderte sich, daß sie nach allen düsteren Wundern, die sie in ihrem langen Leben gesehen hatte, noch zur Bestürzung fähig war. So ging das also zu: Eine aus der ersten Generation der Gente, eine aus der Population der mächtigsten Geschöpfe, die je den Planeten bewohnt hatten, war von Katahomenleandraleal ganz nebenbei vertilgt worden. Bei der Befreiung, die der Löwe und die seinen errungen hatten, war es um nichts anderes gegangen als» Transzendenz in Permanenz«, so hatte damals die Losung gelautet, Frau Späth erinnerte sich noch gut: Sich selbst im Diesseits verewigen, das wollte man. Jetzt aber mußten diese Leute lernen, daß auch über sie hinweggeschritten werden konnte, daß auch sie selbst transzendierbar waren.

Frau Späth fiel eine Arie aus einem alten Libretto ein, das ihr ein guter Freund für ihre Oper» Brouwer «geschrieben hatte:»Nur weil Großmutter siebenmal ins Krankenhaus gefahren ist und siebenmal wieder heim, heißt das nicht, sie ist unsterblich.«

Im Gegenteil, fiel Frau Späth jetzt auf, die Wahrscheinlichkeit, daß die arme Alte es auch diesmal schafft, sinkt mit jedem Lazarettabstecher, der Rest ist Statistik (oder Stochastik? Sie hatte das schon damals immer durcheinandergebracht, genau wie Entropie und Chaostheorie und den übrigen Schnickschnack, von dem sich dann herausgestellt hatte, daß er viel wichtiger für den weiteren Geschichtsverlauf war als alles im engeren Sinn politische Vokabular). Der nächste Krieg mag wieder nicht der letzte sein. Für Ungezählte, die er umbringt, ist er's aber. Wie hatte Aylett damals geschrieben? Blut kann man nicht zählen.

«Blut kann man nicht zählen«, sagte Frau Späth der Göttin.

Die lachte königlich und verschwand.

Am nächsten Abend setzte sich Frau Späth ausnahmsweise in Lotusstellung unter ihren Baum.

Mein stiller Winkeclass="underline" Ich fühle mich hier in Ruhe gelassen, gerade weil es so eintönig laut ist, von den Wasserfällen her. Bestimmte brausende Formen von Lärm sind, wenn man sich in ihnen nur furchtlos genug überläßt, von Ruhe und Frieden nicht zu unterscheiden.

Sie sagte:»Du bist mir schon so ein Buddhabaum, mein Lieber.«

Das Tolle war, daß der Baum antwortete:»Wenn's ernst wird, mußt du mich hier rausholen.«

«Wer…wa — du? Baum?«

«Du Tarzan, ich Baum. Ganz recht. «Die Stimme, Contralto, klang unaufgeregt, aber ernst:»Ich habe das genossen, wie du mir dein Herz hier immer wieder ausgeschüttet hast. Du bist, wie hieß das früher? In Ordnung.«

«Und du? Wie in Ordnung bist du?«Der Blick der Frau suchte, während sie Anschluß an diese merkwürdige Unterhaltung fand, wachsam die Umgebung ab.

Der Baum gab sich Mühe, sie zu beruhigen:»Hab keine Angst: Wir können uns ganz frei verständigen. Ein paar sehr zuverlässige… Pilze… halten Wache und sondern verwirrende, speziell auf Desinformation zurechtgeschneiderte Pherinfone ab, die Katahomenleandraleals Sinne trüben, ohne daß sie das merkt. Störtröpfchen. Irrlichter. Außerdem glaubt sie sich ohnehin sicher, in ihrem eigenen, wie würdest du sagen? Wohnzimmer — da vermutet sie niemanden, der ihr so wenig… zu Willen ist wie ich.«

«Scheint der ganze Witz an dem Riesenspiel zu sein«, sagte Frau Späth und fuhr sich mit der Rechten über den vorgestern wieder einmal von Mikrohelfern der Göttin kahlgefressenen Schädel, auf dem gerade erst neue weiße Haare zu sprießen begonnen hatten.

«Welcher Witz an welchem Spiel?«

«Daß sich alle überschätzen, bevor noch die entscheidende Schlacht begonnen hat. Der Löwe, seine Techniker, die große dicke Keramikmutter.«

«Du und ich«, sagte der Baum,»wir überschätzen uns nicht. Das macht uns zu Seelenverwandten.«

«Na ich danke«, sagte Frau Späth im Ton, in dem man niest.

Der Baum knarrte wie tausend alte Taue.»Ich hätte mich viel früher absetzen sollen. Aber ich hatte, ich geb's zu, mein Vergnügen dran, mir vorzustellen, was mein Geschiedener für ein Gesicht ziehen wird, wenn er erfährt, daß ich so lange unter der Nase seiner Nemesis gelebt habe. Außerdem war der ganze Sinn meines Exils, daß ich endlich einmal an einem selbstgewählten Ort ein paar Wurzeln schlagen kann, statt mich immer für alles so… bodenlos zu interessieren, daß ich mich in alle Wechselfälle werfe, nur den Idioten zum Nutzen.«

Sie redet gern von Gründen, dachte Frau Späth, also ist sie offenbar gewohnt, daß es noch etwas anderes als Idioten gibt. Sie fragte nach:»Dein Geschiedener?«

«Der nichtsnutzige Vater meiner wunderschönen Tochter.«

«Lasara«, sagte Frau Späth und blinzelte. Jetzt wußte sie, wen sie vor sich hatte.

Madame Baum räusperte sich; wurde dann wütend:»Er kann von Glück sagen, der Trottel, daß ich so wenig nachtragend bin. Ich habe ein paar seiner Agenten hier durch kleine Schubser, Glitches und Unregelmäßigkeiten, die meine Störtröpfchen verursachen, vor der Entdeckung bewahrt. Und ich habe Informationen, die er sammeln ließ, verbessert, interpoliert — was seine Spione ihm vorlegen, hätten sie allein nie sammeln können.«