«Ach ja? Was haben die denn, was wir… was der Fuchs kaufen könnte?«
«Ihre Kadaver. Die ganze alte Biologie. Vor den Gente. Die Genetik. Kolonien von Mikroorganismen, die in biotischen Archiven aufzubewahren niemand für nötig gehalten hat, in der Zeit der Befreiung — und jetzt plötzlich, da ein Gegner existiert, der mit menschlicher Biologie arbeitet und anderen Resten der Ökotekturen vor der Befreiung, müssen wir wieder Experimente anstellen, in vivo, um…«
Anubis war entsetzt:»Izquierda kauft über Ryuneke Menschen?«
«Alte hauptsächlich. Tote vor allem. Ihre Jungen, wie du uns ja«, sie schenkte Anubis ein eher gereiztes als freundliches Kopfnicken,»berichtet hast, brauchen die Menschen für Knochenarbeit selber. Jedenfalls lassen sie sich, wenn sie gerade wieder einmal nicht wissen, was sie sonst von uns haben wollen, oder keine Verwendung finden für die Güter, die wir ihnen anbieten, in Gold bezahlen — weil sie glauben, darin könnten sie den Reichtum speichern, weil sie denken, er werde sich auf magische Art… verzinsen — fragt mich nicht, das ist so ein Aberglaube, ein Hirnfehler bei denen.«
«Brah. Bah. Bäh. «Die drei unbestimmten Laute gaben sehr genau die Denkschritte wieder, die Huan-Ti vollzog, während er verarbeitete, was Hecate erzählt hatte. Er bestand danach nicht mehr auf seinem Haß; aber ein anderer Punkt fiel ihm ein:»Wir haben trotzdem keine Wahl. Wir müssen hin. Sie stellen.«
«Stellen, das klingt wie ein Polizeieinsatz«, Hecate blähte die Nüstern.
«Ist es auch. Oder sollte dir entgangen sein, daß diese… Leute ein Verbrechen gegen Gente begangen haben? Ich muß dich nicht an unsre Rechtsvorschriften erinnern: Wir können umherschweifen, soviel wir wollen, sogar unzivilisierte Gegenden betreten, aber der Iemelianpakt sagt, daß Gente an Feinden der Gente vergelten müssen, was die den Gente getan haben. Und der ist überall in Kraft, wo wir atmen können.«
Anubis verstand, worum es dem Tiger ging:»Ich weiß aber nicht, ob es Gente waren, von denen der… der Mann mit dem Stock geredet hat.«
Jetzt begriff auch das Pferd, wovon die Rede war, und zitierte, was Anubis in seinem Bericht erwähnt hatte:»Ah ja: ›die Köter‹. Die sie… gekocht haben. Zumindest hat der Mensch das behauptet und damit dem Jungen gedroht.«
«Richtig«, sagte Huan-Ti,»und wenn wir Menschen, die uns essen, ungehindert…«
«…dann verletzen wir den Iemelianpakt, in der Tat. «Hecate war beinah schon umgestimmt.»Zumindest verlangt der begründete Verdacht… eine Untersuchung. Ich gebe dir recht. Wir wissen zwar nicht, ob es Gente waren — meine Kenntnis der Sprachen der Menschen sagt mir so wenig Sicheres wie dir, nämlich, daß sich das Wort auf vernunftlose Geschöpfe ebensogut beziehen kann wie auf gewisse Gente —, aber nachsehen müssen wir.«
Der weiße Tiger brummte zufrieden.
«Also, wie machen wir's?«wollte Anubis wissen, erleichtert über die erreichte Einigkeit.
Viel zu planen war nicht.
Man folgte der Spur des Frettchens zurück bis zur Talsenke am Waldrand; nach einer Weile merklich beschleunigt, denn alle drei nahmen, als sie etwa die Hälfte des Wegs zurückgelegt hatten, Gerüche wahr von Feuer und von Blut. Die Tinkerstute, eben noch Bedenkenträgerin, trieb alle zur Eile und achtete nicht einmal auf Huan-Tis Warnung:»Vielleicht sollten wir nicht wie die Trampel ins Lager einbrechen, sondern uns anpirschen, um…«
Als er erkannte, daß das Pferd auf Vorsicht nichts mehr gab, schlug er sich nach rechts ins Unterholz, mit einer Kopfbewegung, die den Freunden — Anubis hockte auf Hecates Rücken, in die Gurte für Taschen mit Proviant und Apparaten gekrallt — bedeutete, daß man sich am Kampfplatz wieder treffen würde.
Erst ein paar hundert Meter vor dem Ziel verlangsamte Hecate ihren Tritt.
«Geh voran, erkunde die Lage«, sagte sie zum Frettchen, das von ihrem Rücken glitt und flink zum Aussichtspunkt davonwuselte.
Der Geruch hatte nicht getäuscht.
Die Menschen waren am Feuer versammelt und gerade dabei, eine Wölfin totzuschlagen.
Zwei weitere Leichen — heiliges Wetzelchen, dachte Anubis — lagen, teils bereits gehäutet, auf dem Platz. Die Kinder machten sich mit Messern und kurzen Spießen darüber her, während auf dem Feuer Fleischbrocken in großen flachen Pfannen brutzelten.
«Sie haben sie nicht mal im Kampf besiegt«, flüsterte der weiße Tiger, der neben Anubis im Dickicht erschienen war, ohne daß das Frettchen sein Kommen gehört oder gerochen hätte.
«Woher willst du das wissen?«zischte Anubis zurück.
«Die Wunden. Die Markierungen an den Wölfen. Da, die Körper, siehst du das? Das haben wir schon früher gesehen. «Anubis schaute genauer hin, ließ seine Linsen den Bildausschnitt vergrößern: Sowohl bei der Armen, die sie traten und mit dem Lederbeutelstock verprügelten, wie bei den andern, die's schon hinter sich hatten, waren Brand- und Kerbverletzungen im Fell zu erkennen, wie sie inzwischen alle Gente, die sich überhaupt für die Vorgänge in der Welt interessierten, kannten und fürchten gelernt hatten — Anubis, Huan-Ti und Hecate waren vor ein paar Monaten die ersten gewesen, die solche Verletzungen erblickt hatten.
«Keramikanernesseln«, stellte Anubis fest.
«Die Monster müssen sie zurückgelassen und sich dann im Pulk seitwärts von ihnen wegbewegt haben, oder die Wölfe sind ihnen entkommen, halb tot, nur um auf Menschen zu treffen, die…«
«…statt ihnen Asyl zu bieten…«, setzte das Frettchen den Satz fort.
«Genug gequatscht«, zischte der weiße Tiger und sprang mit einem Riesensatz laut brüllend aus der Deckung.
Die Menschen hatten Gewehre; sie nützten ihnen nichts.
Zu langsam griffen sie danach, zu umständlich bedienten sie die Waffen. Hecates Hufe zerschlugen die Schädel der Jungen. Huan-Ti war nicht ganz so gnädig; er brachte den Schreienden, Durcheinanderlaufenden und sich mit allen untauglichen Mitteln ihrer Haut Wehrenden zunächst Verletzungen bei, die sie kampfunfähig machten, um dann der Reihe nach die so Gefällten mit Bissen zu töten. Anubis rettete dem Pferd das Leben, indem er dem Anführer — es war der Mann mit dem Knüttelstock — ins Gesicht sprang, als der eine lange Schußwaffe auf die Stute anlegte, um sie in die Stirn zu schießen.
Nach zwanzig Minuten war der ungleiche Kampf vorüber. Elf Menschen lagen tot oder im Sterben.
Die Wölfin, die Britt hieß, wie sie ihren Befreiern mit schwacher Stimme sagte, war nicht zu retten.
Zu stark angegriffen von keramikanischer Verwundung, Nahrungsmangel, Schlägen, den Parasiten der Menschen und den Giften der Kinder Katahomenleandraleals, lag sie auf dem Wagen, den Huan-Ti beschlagnahmt hatte und den Hecate zog, der nächsten Siedlung entgegen, die viel zu weit weg war: eine Woche Marsch, und kein schnelles technisches Verkehrsmittel in Sicht.
«Du schaffst das schon«, redete Anubis, davon in Wahrheit wenig überzeugt, auf der Tragplattform der Wölfin zu, die sich an ihn schmiegte, wie Welpen ihrer Gattung sich an ihre Eltern schmiegen.
«Nein… ich… schaff… das nicht…«, erwiderte Britt lächelnd, mit einem Blick, der bat: Laß gut sein.
Als man eine hochkonnektive Hecke erreichte und also die Pherinfonverbindung zur Gentewelt wieder stand, von Anubis eilends freigeschaltet, mit erstklassigen Protokollen auf schnellstmöglichen Durchlauf hin codiert, fragte Hecate bei medizinischen Datenbanken an, ob es nichts gab, was man für die Wölfin tun konnte.
Die Antwort war sehr ungünstig.
Am Ende bat die Wölfin, man möge ihr das Geruckel ersparen und ihr erlauben, sich unter einen Baum zu legen, damit sie die letzten Atemzüge in Ruhe und Würde tun konnte.