«Pherinfone«, sagte Hecate,»da, aus dem Strauch. Es heißt — riecht ihr's? — ja, es heißt… die vierzehnte Armee ist überrannt.«
Alle vier schwiegen lange.
Dann sagte Storikaclass="underline" »Ja, das heißt ja die daß, daß die ja die Fische dann kommen und uns ja rausholen.«
Es war keine Frage.
Man wartete. Die Fische kamen nicht.
«Vielleicht, ja, kommen sie geschwommen statt, ja, geflogen? Bluntsch?«mutmaßte Storikal.
Aber auch der Kanal auf halber Abhanghöhe an der Westseite des Tals der gelben Steine blieb leer (und roch, wie Anubis fand,»verheerend, als ob erst vor kurzer Zeit was Großes drin gestorben sei«).
Das Pferd sah den Tiger an und sagte:»Also rettet uns niemand. Es ist vorbei. Wir wollten Helden sein. Gut. Du hast die Pherinfone auch gerochen und kennst die taktischen Gegebenheiten besser als wir alle — wie lange, glaubst du, wird es dauern, bis sie hier sind?«
«Zwei Stunden«, sagte Huan-Ti.»Wenn die Sonne untergeht.«
«Ich weiß nicht, wie ihr's halten wollt«, pfiff Anubis und kletterte auf Hecates breiten Rücken,»aber ich werd bis zum Schluß beißen und kratzen, daß mein Angstschweiß und mein Blut in alle Richtungen von mir erzählen können, was ich für ein Kerl war.«
«Versteht sich«, sagte der Tiger,»wir sind Vorbilder.«
Das Maultier gab einen zustimmenden, wenn auch vage klagenden Laut von sich. Es hatte während der kurzen Zeit mit den Freunden vieles gelernt, das ihm im Archiv nie aufgegangen war, darunter einiges über Pflichten, Selbstachtung und Geschichte.
«Für wen eigentlich? Vorbilder?«fragte das Pferd niemand Bestimmten und trat auf eine der mächtigen Grabplatten. Dann ließ es sich von Anubis eine Zigarre anzünden.
«Für die Gente, die sich unsere Berichte antun, möchte ich meinen«, sagte der Marder und hob das kluge Köpfchen, um nach dem Chlorgeruch der herannahenden Vernichtung zu schnuppern.
Die Luft war schwül und drückend, der Saum des Himmels auf den Bergkämmen schwang wellig wie eine Gardine im Heißluftstrom. Bald empfing der Marder, der das feinste Gehör der vier Helden hatte, Echos der Ultraschallverständigung zwischen den Keramikanern:»Ist ihr Geschnatter, kein Zweifel. Ich verstehe es nicht, weil immer was fehlt und weil die Teile, die ich mitbekomme, schwer zu übersetzen sind. Aber sie sind's.«
«Also. «Das Pferd spuckte den Stumpen aufs Grabmal und erfand, mit dem Huf im Sand zeichnend, eine kleine Schlachtordnung: Hecate selbst stand in der Mitte, am tiefsten Punkt des Tals. Der Marder sollte möglichst rasch hin und her laufen, die Sensoren der Anrückenden nervös machen, ablenken, ihre Reihen verwirren. Der Tiger erhielt den Auftrag, für den Fall, daß Anubis Erfolg mit seiner Ablenkung hatte und welche aus den Formationen fallen würden, sie zu reißen und zu töten.
Das Muli sollte sich im Zedernwäldchen zur Verfügung halten, diejenigen zu treten, die Hecate nicht selbst unter die Hufe bekam.
«Ja, also man kann sie ja dann auch doch bekämpfen?«fragte Storikal hoffnungsvoll.»Obwohl sie ja in mehreren, uns ja fopp fremden Dimensionen…«
«Ihre Breite ist trotzdem breit, ihre Höhe trotzdem hoch, ihre Tiefe ausreichend tief und ihre Dauer, die dauert schon viel zu lang«, sagte der Tiger kampfeslustig.
Kaum hatten die vier ihre Positionen eingenommen, waren die Schrecklichen da.
«Sie sind schön«, dachte der Marder, davon überrascht. Die Leiber in den vordersten Reihen — konnte man das so sagen, waren das Leiber? — schienen aus Lichtgittern gemacht, in deren Lücken die Keramiklegierungen der Skelette arbeiteten wie Dampfmaschinen in Gelatine. Die Nesseln wirbelten aus den höheren Dimensionen herunter, der fünften und sechsten, oder herauf, es war schwer, den Richtungen Namen zu geben.
Auch Hecate dachte: Schön ist das. Was sie sah, war wie das Nachbild von Feuer, wenn man in Flammen geschaut hat und die Augen schließt. Ineinanderverschlungenheit von Nichtmassivem, Bewegung seitwärts durchs Wirkliche: Die Angreifer glichen Liebenden, die einander umarmten, in unendlicher Kette, einer die andre die nächste.
Das Muli wurde von unten gegriffen.
Die Monster waren schneller bei ihm als bei den andern. Er fiel ins Gebüsch, sie schlitzten es auf.
Der Marder hörte es schreien, bleckte die Zähne und stellte sich auf die Hinterbeine.»Feiglinge! Arschlöcher! Fotzen!«
Die Keramikaner wurden jetzt Schleier, bloße Abdrücke oder Schatten von dem, was sie eben gewesen waren, und ihr Sichrühren tat den Helden beim bloßen Zusehn in den Köpfen weh, weil es alle Intuitionen verletzte. Eine blutige Rippe brach aus dem Bauch des Esels; da sprang das Pferd, das seinen Posten vergaß, ihm zu Hilfe. Hecate traf sogar etwas wie einen Keramikanerkopf, daß das Knirschende, Giftige vor ihr zurückwich. Storikal aber hatte keine Hinterbeine mehr und zuckte und schwamm im Blut, das den Staub tränkte.
Hecate sah hinter sich: Der weiße Tiger war von Schmierlicht eingekreist. Nicht kräftig, nicht sicher, sondern blind und panisch wischte er mit den Pranken nach Unfaßbarem. Ein spitzes Etwas, heiß und nadeldünn, traf ihn im rechten Auge; es war zu sehen, wie Schmerz ihm als Leuchtspur durch sein Rückgrat fuhr.
Der Marder, zur Kugel zusammengerollt, fiel über Steine und Splitter den Abhang hinunter, drei Keile, die flimmerten, setzten ihm nach, spitzköpfig und voller Zähne.
Hecate trampelte, als wollte sie die Erde spalten.
Huan-Ti hatte eine Extremität zwischen die Zähne bekommen und biß so fest zu, als wäre sein Haupt eine Falle aus Stahl, die zusammenschnappte. Aber in seine linke Flanke fraß sich ein Bohrer, und sein gesundes Auge sah, wie dem Pferd schon ein Bein wegknickte.
Der Marder kreischte, wandte sich um wie ein Windchen und fuhr zwischen die Verfolger als haariger Blitz. Er kratzte und spuckte, wie er's angekündigt hatte, aber sie saßen bald auf ihm, drückten ihn in den trockenen Dreck. Storikal, im Sterben, dachte daran, was Huan-Ti ihm gesagt hatte: Die Bauart dieser Wesen beruht auf dem Ausgefallenen, Unverständlichen und schwer Anwendbaren.
Worauf, wollte Storikal schreien, beruhen wir?
Die Tinkerstute dachte, schöne Helden sind wir, und spürte, wie ihr schwindlig wurde, und riet, daß das vom Blutverlust kam, denn in ihrer knochigen Stirn klaffte eine lange Wunde.
Der Marder, bevor er das Bewußtsein verlor, schimpfte mit schmutzigen Flüchen und wünschte sich, die Fische wären gekommen und hätten sie alle abgeholt. Die Aussicht auf den Untergang im Kampf war, jetzt, da es wirklich geschah, nicht halb so nobel, wie Anubis geglaubt hatte.
Der Tiger Huan-Ti ergab sich seinem Zorn, stritt mit Geifer und Haß, schlug die Feinde gegeneinander wie wertloses Geschirr. Einiges davon zerbrach. Er hörte und spürte sie durch seinen eigenen Schmerz leiden, er brachte ihnen, das war also möglich, schwerste Verletzungen bei und dachte an die Büffel an der Wasserstelle, an die Löwen, an den König in Borbruck.
Sie rissen ihm die Ohren ab, sie fuhren ihm in den Skalp, sie versengten sein Fell mit Nesselbrand und Ätzendem. Noch immer gab er nicht auf. Es war, als wäre er zehn Tiger.
Huan-Ti hörte das Pferd im Zusammenbrechen wiehern, sah große Stücke aus dem Fleisch des Mulis durch die Luft fliegen wie Gänsedaunen. Sein geschlossenes Auge brannte, als ob man ihm mit einer chemischen Fackel in der Höhle herumbohrte, aber der weiße Tiger brüllte nicht, denn das hätte von ihm verlangt, loszulassen, was sein Biß faßte. Ins Rutschen kam er schließlich, die Hinterbeine verloren den Tritt. Hier war es jetzt schlammig und glitschig, vermutlich von seinem eigenen Leben, das sie aus ihm heraussaugten und — preßten.
Er wußte, daß er nicht mehr lange weitermachen konnte, und biß also noch fester zu. Dann schüttelte er, obwohl sie ihn festhielten, seinen Kopf heftig nach links und nach rechts, um das Körperglied, das er festhielt, aus seiner Verankerung zu drehen und zu brechen.