Выбрать главу

»Oh!«, sagte Andrea und ein verblüffter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. »Mach das noch mal. Aber warte.« Sie bückte sich, hob einen kleinen Stein auf und hielt ihn ein Stück von sich weg. »Jetzt.«

Verwirrt, aber folgsam rempelte Jonas sie an. Andrea schwankte vor und zurück, ließ den Stein jedoch nicht los, sondern umklammerte ihn noch fester. Kurz darauf ging sie in die Knie, legte den Stein an seinen Platz zurück und sein Marker verschwand. Dann richtete sie sich auf.

»Ich hab mich geirrt«, erklärte sie. »Es war nicht deine Schuld, dass ich den Definator verloren habe.«

»Das sag ich doch die ganze Zeit«, entgegnete Jonas gereizt.

Andrea nickte.

»Du hattest recht. Es tut mir leid. Es war einfach das zeitliche Zusammentreffen ... Du bist mit mir zusammengestoßen, unmittelbar nachdem ich auf ENTER gedrückt hatte, daher habe ich Ursache und Wirkung verwechselt.«

»Da komme ich nicht mit«, sagte Jonas.

»Man kann Dinge auf verschiedene Art verlieren«, erklärte Andrea. »Ich habe nicht darüber nachgedacht, inwiefern es sich anders angefühlt hat. Erst als du mich vorhin angerempelt hast, während ich meine Ärmel in der Hand hielt. Ich habe sie nicht losgelassen. Genauso wenig wie den Definator, als du das erste Mal mit mir zusammengestoßen bist. Ich habe ihn ganz, ganz fest gehalten und festgehalten - und plötzlich war er nicht mehr da.«

Sie öffnete die geballten Fäuste.

»Und?«, fragte Katherine, die genauso verwundert klang, wie Jonas sich fühlte. »Warum ist das so wichtig?«

»Wegen des Codes!«, sagte Andrea. »Es war der Code, den ich eingetippt habe. Er hat den Definator verschwinden lassen. Der Mann, der mich heimlich besucht hat, wollte nicht nur, dass wir in der falschen Zeit landen. Er wollte auch auf keinen Fall, dass wir HK davon erzählen.«

»Sag bloß«, sagte Jonas, inzwischen komplett frustriert.

»Weil er wusste, dass HK uns wieder in die richtige Zeit schicken würde! Das beweist nur, dass HK nicht dein mysteriöser Unbekannter war. Aber das wussten wir sowieso schon!«

Andrea machte ein langes Gesicht.

»Ich dachte, es wäre wichtig«, murmelte sie. »Ich dachte, ich hätte etwas herausgefunden.«

Katherine legte ihr den Arm um die Schulter und schaffte es irgendwie, ihr tröstend den Rücken zu streicheln, während sie ihren Bruder gleichzeitig mit einem noch vernichtenderen Blick fixierte.

»Das hast du«, sagte sie. »Alles, an das du dich erinnern kannst, ist hilfreich.«

Die beiden Mädchen gingen weiter. Mühelos folgten sie der Spur aus Markerlichtern, die sie immer tiefer in den Wald hineinführte.

Jonas sah zu dem Hund hinab, der geduldig neben ihm wartete.

»Sieht aus, als wärst du der Einzige, der nicht sauer auf mich ist«, murmelte er. Er packte Dare am Halsband. »Komm mit, alter Junge.«

Während sie weitergingen - Jonas ein paar Schritte hinter den Mädchen -, erinnerte er sich daran, wie sehr er Andrea hatte helfen wollen und dass er sich geschworen hatte, auf sie aufzupassen.

Wie können gute Absichten nur so danebengehen?, fragte er sich.

Weiter vorn hörte er, wie Katherine Andrea zuraunte: »Jungs in der Pubertät. Du kennst das ja. Sie denken nie nach, bevor sie den Mund aufmachen.«

Jonas blendete die beiden aus.

He, HK?, dachte er, weil es tröstend wäre, ihn jetzt bei sich zu haben und mit ihm reden zu können. Warum hat dein brillanter Zeitanalyst nicht vorhergesehen, dass ein mysteriöser Unbekannter bei Andrea aufkreuzen wird? Dass wir in die falsche Zeit zurückgeschickt werden und den Definator verlieren? Und warum konnte er nicht voraussagen, wo wir jetzt sind, damit du kommen und uns helfen kannst?

Allerdings wusste er nicht, ob Vorausberechnungen tatsächlich so funktionierten.

Er wusste auch nicht, dass mit jeder Minute, die verrann, ohne dass HK auftauchte, deutlicher wurde, in welchen Schwierigkeiten sie steckten.

Um sie herum entstanden mehr und mehr Markerlichter.

Elf

Die zweite Ansammlung von Ruinen entdeckten sie in einem wahren Feuerwerk aus Markerlichtern.

»Oh, hier waren aber viele Marker«, murmelte Kathe-rine, die ganz zu vergessen schien, dass sie auf Jonas wütend war und nicht mehr mit ihm redete. Sie deutete auf Markerranken, die von einer Lichtung gezerrt worden waren, auf Markerfeuerholz, das sauber aufgeschichtet neben einer halb eingestürzten Hütte lag, auf aufrecht stehende Markerbäume, die in der ursprünglichen Zeit wohl gefällt worden waren.

»Oder die beiden Markerjungen sind einfach häufiger hier gewesen«, sagte Jonas, der im Kopf inzwischen eine Art Markerformel ausgetüftelt hatte. Die Unterlassung einer Handlung - wenn beispielsweise ein Junge eine Stechmücke nicht erschlug - konnte zu Hunderten oder gar Tausenden neuer Marker führen. Stechmücken pflanzten sich ungeheuer schnell fort. Daher mussten die vielen Markerlichter, die Jonas gesehen hatte, nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Zeit komplett aus dem Ruder gelaufen war oder dass sie sehr weit von dem Zeitabschnitt entfernt waren, in dem sie sich eigentlich befinden sollten.

Oder doch?

Zu Jonas' Überraschung maulte Katherine nicht: Warum musst du immer alles besser wissen? Sie nickte nur und sagte: »Du hast recht. Daran habe ich nicht gedacht.«

Mehr als das würde er als Entschuldigung für die fiesen Kommentare über Jungs in der Pubertät wohl nicht zu hören bekommen, vermutete er.

»Glaubt ihr, das hier ist ein Indianerdorf?«, fragte Andrea und ging auf die Lichtung hinaus.

»Ich glaube, es war mal eines«, sagte Katherine und trat neben sie.

Jonas spielte mit dem Gedanken, sie zu ermahnen vorsichtig zu sein und sich zu vergewissern, dass keine echten Menschen in der Nähe lauerten, ehe sie weitergingen. Doch was sollte das bringen? Ob mit oder ohne Markerleuchten, dieses Dorf war offensichtlich schon vor langer Zeit verlassen worden. Auch wenn man zugeben musste, dass es in wesentlich besserem Zustand war als das Dorf der Kolonisten. Etwa ein Dutzend Hütten aus gebogenen Ästen und Zweigen standen hier im Kreis um einen offenen Platz - möglicherweise eine Art Dorfplatz. Doch viele der Äste waren nach unten durchgebogen und einige Hütten lagen mehr, als dass sie standen.

»Glaubt ihr, es ist von Zeitreisenden zerstört worden?«, fragte Andrea.

»Nein, dann würden wir eine Markerversion des Dorfes in gutem Zustand sehen«, sagte Jonas. »Und jede Menge glückliche Dorfbewohner.«

Katherine drückte mit dem Finger gegen eine der Hütten und das ganze Gebilde begann gefährlich zu schwanken. Eine regungslose Markerversion der Hütte leuchtete auf und verschwand wieder, als die echte Hütte zur Ruhe kam und mit ihr verschmolz. Katherine trat einen Schritt zurück.

»Was ist dann passiert?«, fragte sie. »Wo sind sie alle hin?«

»Keine Ahnung«, sagte Jonas, der bemüht war, sich von der Leere und Trostlosigkeit nicht allzu sehr einschüchtern zu lassen. Vielleicht gab es eine ganz einfache, ja sogar schöne Erklärung dafür. Vielleicht hatten die Menschen das Dorf nur verlassen, um anderswo ein neueres, schöneres aufzubauen. Was hatte Mrs Rorshas ihnen im fünften Schuljahr in Gemeinschaftskunde erzählt? War es für Indianer nicht normal gewesen, umherzuziehen und je nach Jahreszeit oder dem Aufenthaltsort der Tiere die Dörfer zu wechseln?

Jonas war sich nicht sicher genug, um es den Mädchen gegenüber zu erwähnen. Mrs Rorshas hatte nicht viel über die Indianer erzählt. Bei ihr war es vor allem um die Entdecker gegangen, um Jamestown, die Landung der Pilgerväter in Plymouth und die Amerikanische Revolution ... alles musste bis Halloween durchgehechelt und abgehakt sein.

Jonas konnte sich nicht erinnern, dass es in dieser Geschichte an irgendeiner Stelle auch darum gegangen wäre, dass Indianer schöne, neue Dörfer bekamen. Oder ein besseres Leben.