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Dann war Brendan also auch in der Höhle gewesen. Natürlich war er das. Er hatte sich nur nicht so widerlich benommen wie Antonio, deshalb erinnerte sich Jonas nicht an ihn.

»Schon, aber warum hat HK mich nicht selbst geholt, so wie Andrea?«, wollte Brendan wissen. »Wer ist dieser Zwei? Warum hat er mir nichts erklärt? Er taucht einfach eines schönen Abends in meinem Zimmer auf, als ich gerade iPod höre, und ehe ich weiß, was passiert, sitze ich in einem Kanu, von meinem iPod ist weit und breit nichts zu sehen und Andrea schreit mich an, dass ich genauso paddeln soll wie mein Marker. Dabei wusste ich nicht mal, was ein Marker ist!«

»Tut mir leid«, entschuldigte sich Andrea. »Ich wollte einfach nur dafür sorgen, dass mein Großvater mit seinem Marker zusammenbleibt.«

»Ja, ja, das verstehe ich«, sagte Brendan achselzuckend. »Es ist nicht deine Schuld.« Er sah auf die Fischgräten in seiner Hand und warf sie ins Feuer. »Wisst ihr, ich hatte wirklich gehofft, dass ich vielleicht ein großer afrikanischer König wäre, der sich verirrt hat, weil er mit seiner Freundin abgehauen ist oder so. Und jetzt stellt sich heraus, dass ich ein nicht ganz echter amerikanischer Indianer bin.« Er wandte sich an Jonas und fragte ihn wehmütig: »Hast du je von einem berühmten Afroamerikaner alias Adoptivindianer namens Der Vieles Überlebt gehört?« Seine Stimme überschlug sich und er verstummte.

»Der Vieles Überlebt ist Brendans indianischer Name«, erklärte Katherine ihrem Bruder. »Antonios anderer Name ist Geht Voller Stolz.«

»Eben, und keinen von beiden haben wir in der Schule durchgenommen«, sagte Brendan. Jonas merkte, wie sehr er sich bemühte, unbekümmert zu klingen. »Ihr vielleicht?«

Jonas schüttelte den Kopf.

»Nein, aber -«, er sah zu Katherine und Andrea hinüber. »Wisst ihr noch, was ich über Andrea als Virginia Dare gesagt habe? Dass sie vielleicht in der Zukunft für etwas berühmt ist, von dem wir im einundzwanzigsten Jahrhundert noch gar nichts wissen? Durch Zeitreisen könnten viele historische Gestalten nachträglich berühmt werden. Menschen, die wirklich mutige Dinge getan haben, ohne dass sie je beschrieben, aber von Zeitreisenden mit eigenen Augen beobachtet wurden.« Jonas gefiel seine Idee mehr und mehr. »Vor allem wenn es sich um Leute wie dich handelt, weil du, äh .«

»Du meinst, weil ich schwarz bin?«, fragte Brendan. »Und weil man in Amerika generell nicht viel darüber aufgeschrieben hat, was schwarze Menschen geleistet haben im . was hast du gesagt, welches Jahr wir haben?«

»1590«, sagte Andrea. »Das wissen wir, weil es das Jahr war, in dem John White nach Roanoke zurückgekehrt ist.«

»Also gut. Dann sollte ich also etwas Mutiges tun, das mich in den 1590er Jahren berühmt macht?«, schluss-folgerte Brendan. »Oder habe ich es schon getan und ich bin schon berühmt und das hier ist das Jahr, in dem ich verschwinde?«

»Oder es ist einfach irgendein Jahr, in das dich Zwei willkürlich geschickt hat, weil er dich und Antonio genauso sabotiert hat wie Andrea?«, mutmaßte Jonas bitter. »Sag du es uns: Hast du oder dein Marker bereits irgendwas getan, das dich Hunderte von Jahren später berühmt machen könnte?«

Brendan runzelte die Augenbrauen.

»Ich . weiß es nicht«, gestand er.

»Wie kannst du das nicht wissen?«, fragte Jonas. »Wenn dein Marker .« Er brach ab, weil Katherine ihm in diesem Moment gegen das Schienbein trat. »Autsch!«

Jonas wandte sich ab, um sie wütend anzufunkeln, doch sie ließ den Blick blitzschnell von ihm zu Brendan, zu Andrea und wieder zurück zu ihm gleiten. Er hatte sie diesen kleinen Trick schon häufiger anwenden sehen. Es war nichts anderes als ihr Geheimcode für »Lass uns das nicht vor den Eltern bereden«.

Toll, dachte Jonas. Noch ein Rätsel. Warum will Katherine, dass ich vor Andrea und Brendan nicht darüber rede? Worin unterscheidet es sich von dem, worüber wir vor ein paar Minuten geredet haben, ohne dass sie mich getreten hat?

»Welches Stück hast du gerade auf deinem iPod gehört, als Zwei aufgetaucht ist?«, erkundigte sich Kathe-rine schnell, als wäre es von größter Dringlichkeit.

»Cold War Kids: >Something Is Not Right With Me<. Passt irgendwie, nicht?«, meinte Brendan. »Man könnte eigentlich darüber lachen, aber ...«, er wies auf die leere

Wasserfläche vor ihnen und den dunklen Wald hinter ihnen, »... seht euch nur an, wo wir hier gelandet sind.«

In diesem Moment begann im Wald ein Tier zu heulen. Dare erstarrte und tief aus seiner Kehle drang ein leises Knurren. Dann wich er winselnd zurück.

»Feigling«, murmelte Jonas. Aber auch ihm liefen Schauer über den Rücken. Das Heulen wurde von einem weiteren beantwortet. Waren das Wölfe? Kojoten? Luchse?

Im Unterholz am Waldrand raschelte es und die dunklen Riesenblätter gerieten in Bewegung.

Irgendetwas rannte auf sie zu.

Einunddreißig

Jonas sprang auf und flüchtete auf die Seite, wobei er schützend die Arme vor Katherine und Andrea hielt. Er wusste nicht, was auf sie zukam, aber es erschien ihm klug, auf der anderen Seite des Feuers zu bleiben.

Das letzte Gebüsch aus Riesenblättern teilte sich und zum Vorschein kam .

Antonio.

Er rannte, so schnell er konnte, auf sie zu und stob nur so durch den Sand.

»Ist irgendwas hinter dir her?«, rief Jonas ihm entgegen.

Antonio gab keine Antwort. Er hielt den Kopf gesenkt und konzentrierte sich ausschließlich aufs Laufen. Seine Füße berührten kaum den Boden. Er war noch mehrere Schritte von den anderen entfernt, als er plötzlich absprang und sich in einem erstaunlich hohen Bogen durch die Luft katapultierte.

Das wird wehtun, wenn er landet, dachte Jonas. Von dort, wo er stand, hatte es den Anschein, als wollte Antonio in den Sand eintauchen.

Nein, begriff er dann. In seinen Marker.

Antonio stieß mitten in der Luft mit seinem Marker zusammen. Dieser war gerade im Begriff, Fischgräten zum Feuer zu tragen, sodass er und Antonio sekundenlang aussahen wie ein Monster mit zwei Köpfen, vier Armen und vier Beinen, die in merkwürdigen Winkeln abstanden, und mit Fischskeletten an zwei seiner vier Hände. Dann richtete sich Antonios Körper auf, drehte sich um und verschmolz mit dem Marker.

»Ist irgendwas hinter dir her?«, schrie Jonas ihm abermals zu.

Fast unmerklich löste sich Antonio so weit von seinem Marker, dass er den Kopf schütteln konnte. Nein. Er wurde nicht verfolgt.

Trotzdem starrte Jonas noch eine Weile in den Wald und lauschte darauf, ob es im Unterholz zu rascheln begann. Doch nur der Wind strich durch die riesigen Blätter.

»Was war das denn?«, wollte Katherine wissen.

Wieder stieg aus dem Wald ein Heulen auf.

»Bruder Wolf weiß seine Worte wohl zu setzen«, begann der Marker/Antonio. Doch dann wandte Antonio abrupt den Mund ab. »Verrückter Marker!«, murmelte er.

Brendan lehnte sich mit dem Kopf in seinen Marker zurück und beugte sich gleich darauf wieder vor.

»Unsere Marker wissen, dass die Wölfe sich nicht in die Nähe des Feuers wagen werden«, erklärte er. »Sie haben keine Angst vor ihnen. Aber wenn wir von ihnen getrennt sind, wissen wir nie .«

Wenn er von seinem Marker getrennt war, hatte Antonio entsetzliche Angst vor den Wölfen, wurde Jonas klar. Selbst jetzt, wo er den Kopf nur ein kleines Stück zur Seite geneigt hatte, lief ihm der Schweiß über das Gesicht, er keuchte und sein Atem ging schwer. Besonders bizarr wurde sein Anblick dadurch, dass sein Brustkorb, der nach wie vor mit dem Marker verbunden war, sich in ruhigen und gleichmäßigen Abständen hob und senkte.

»Mein Marker hat vor nichts Angst«, sagte Antonio. Er löste sich noch ein wenig, um sich Brendan zuzuwenden. »Und deiner?«

Brendan schüttelte den Kopf.

»Eigentlich nicht«, sagte er langsam. »Ich meine, er weiß, dass schlimme Dinge passieren können: Wir könnten verhungern oder angegriffen werden und auf Millionen schreckliche Arten ums Leben kommen, aber wenn das passiert, dann weiß er, dass es der Wille des -«