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»Was hast du gesagt?«, fragte Zwei. »Zählst du HK jetzt etwa zu deinen Freunden? Wie rührend. Ich kann ihn und den Hund als Bonus obendrauf legen. Dann lautet unsere Abmachung: Wenn ihr es schafft, sind alle in Sicherheit. Wenn ihr versagt und ... nun, dann kann alles passieren! Die Zeit selbst könnte enden!«

»Jonas«, flüsterte Katherine und zupfte ihn am Arm. Sie zeigte auf etwas.

Jonas hatte es vor lauter Kreiseln gar nicht bemerkt. Direkt vor ihnen befanden sich Lichter, die immer schneller auf sie zukamen.

»Wir sind kurz davor zu landen«, flüsterte Katherine.

»Meine Nachricht wird nur abgespielt, solange ihr durch die Zeit reist«, sagte Zwei. »Also verlasse ich euch mit einer letzten Frage: Wie oft habt ihr die Welle passiert?«

»Fünf Mal?«, vermutete Jonas. »Sechs?«

»Ich habe nicht mitgezählt!«, schimpfte Katherine.

»Es kommt weniger auf die genaue Zahl an als darauf, ob sie gerade oder ungerade ist«, erklärte Zwei fröh-lich. »Eine gerade Zahl bedeutet, ihr schlagt den Welleneffekt bis 1611; ungerade bedeutet, ihr kommt nach ihm am.«

»Aber wir wissen es nicht!«, schrie Jonas.

»Wie dem auch sei, viel Glück!«, fuhr Zwei fort. »Ich warte jenseits des Jahres 1611 auf euch!«

»Er kann das alles gar nicht wissen!«, wandte Katherine ein. »Er war ohnmächtig. HK hat ihn inzwischen bestimmt ins Zeitgefängnis verfrachtet!«

»Glaubst du nicht -«, begann Jonas, doch in diesem Moment begann der letzte Teil ihrer Reise, jener Abschnitt, in dem alles beschleunigte und sie das Gefühl hatten, ihr ganzer Körper werde bis in die kleinsten Atome auseinandergerissen. Ihr Wiedereintritt in die Zeit war schlimmer als je zuvor, weil sie immer wieder auf die Welle trafen. Kreiseln, Ruhe, Kreiseln, Ruhe, Kreiseln, Ruhe .

Selbst wenn er vorher richtig mitgezählt hätte, wäre Jonas bei all dem Kreiseln und Trudeln restlos durcheinandergeraten.

Dann hörte es endgültig auf.

»Schachmatt«, murmelte Jonas. »Ich kann weder hören noch sehen.«

Möglicherweise konnte er auch nicht sprechen und bildete sich nur ein, dass er den Mund bewegte. Konnte er denn etwas fühlen? Es dauerte einen Augenblick oder zwei, ehe er merkte, dass er den Definator noch in der rechten Hand hielt; er spürte Katherines Hand, die sich immer noch an seinen rechten Arm klammerte, und er spürte, dass er auf irgendetwas Hartem platt auf dem

Rücken lag. Dann fiel ihm etwas ins Gesicht. Etwas Leichtes - eine Feder oder ein Blatt?

Er erinnerte sich daran, dass er bei seiner Ankunft auf der Insel Roanoke Kiefernnadeln hatte abwischen müssen, und tastete mit der Hand unbeholfen nach seinem Gesicht. Er brauchte drei Versuche, bis er etwas mit den Fingern packen konnte: ein Blatt Papier. Ein Reißen war zu hören. Jonas hatte eigentlich nicht genug Kraft, nicht einmal, um Papier zu zerreißen, daher erstarrte er mit dem Blatt in der Hand.

»Jonas? Katherine? Antwortet bitte! Bitte!«

Geistesabwesend registrierte Jonas, dass es HKs Stimme war, die aus dem Definator drang.

Gut, dachte Jonas. So soll es sein. Und nicht Zweis Stimme aus HKs Definator. Das ist zu verwirrend.

»Antwortet bitte! Seid ihr da? Könnt ihr mich hören?«

»Hä?«, sagte Jonas.

Eigentlich hatte er Was? sagen wollen, aber dazu war er offensichtlich noch nicht imstande.

»Die Batterie läuft auf Notstrom. Ich weiß nicht, wie lange ich mit euch reden kann«, fuhr HK fort. »Ihr müsst Folgendes wissen: Zwei ist entkommen.«

»Entkommen?«, wiederholte Katherine. Anscheinend erholte sie sich schneller als Jonas, wenn sie in der Lage war, ein komplettes dreisilbiges Wort auszusprechen. Und gleichzeitig auch noch empört zu klingen.

»Ja . ich weiß auch nicht, wie er das geschafft hat. Er muss damit gerechnet haben, dass ich ihn mit dem Zeitschlag erwische. Anscheinend hat er seine Ohn-macht nur vorgetäuscht«, berichtete HK. »Dann hat er mich k. o. geschlagen und ist verschwunden. Ich hätte darauf vorbereitet sein sollen, für alle Fälle.«

Jonas klinkte sich für einen Augenblick aus. Es war nicht nur Zwei, der ihm im Augenblick Sorgen bereitete. Da war noch etwas . noch jemand .

»Andrea?«, flüsterte er mit allergrößter Mühe. »Wie geht es Andrea?«

»Es geht ihr gut im Augenblick, Jonas«, sagte HK. »Uns allen geht es gut. Sie hat die Gebeine begraben; Brendan und Antonio arbeiten an ihren Kunstwerken . Wir kommen klar. Aber hör zu .« Seine Stimme klang nun wieder dringlich. »Alles hängt von dir und Katherine ab.«

Was HK dann sagte, konnte Jonas nicht verstehen. Vielleicht war der Definator für ein paar Minuten ausgefallen.

»Fühl mich wie ... John White«, murmelte er Katherine zu.

»Wovon redest du?«, fragte Katherine zurück.

»Er, wir . musste alle zurücklassen . gehen . helfen ...« Im Kopf hatte Jonas alles viel besser parat, als er es ausdrücken konnte. Was er eigentlich meinte, war, dass ihm jetzt klar war, wie John White sich gefühlt hatte, wie herzzerreißend es für den alten Mann gewesen sein musste, die Menschen zu verlassen, die er liebte, mit dem Wissen, dass ihr Überleben ganz allein von ihm abhing.

Katherine boxte ihm gegen den Arm. Sie erholte sich eindeutig schneller als er.

»Wie kannst du so was sagen?«, fragte sie. »Sieh dir nur an, was aus John White geworden ist!«

»Er hat es geschafft, zurückzukommen«, widersprach Jonas. »Immerhin . Enkelin gefunden.«

»Hat er das?«, fragte Katherine. »Woher sollen wir wissen, welche Version der Geschichte sich wirklich abgespielt hat?«

Jonas schwenkte warnend den Arm und versuchte sie mit Blicken davon abzuhalten, ihn wieder zu boxen. Er hatte ganz vergessen, dass er immer noch das Blatt in der Hand hielt, das ihm ins Gesicht geweht war. Als er es jetzt ein wenig von sich weghielt, gelang es ihm endlich wieder, scharf zu sehen.

Es war eine aus einem Buch herausgerissene Seite. Ganz oben stand in altmodischer Schrift NEUE ANSICHTEN VON DER NEUEN WELT. Darunter befand sich eine Zeichnung, auf der ein Mädchen in einem Kleid aus Rehleder und ein weißhaariger Mann zu sehen waren, die mitten in einer Gruppe amerikanischer Ureinwohner standen. Der alte Mann schüttelte einem dunkelhäutigen Jungen die Hand, der einen Lendenschurz trug.

Unter der Zeichnung stand: John White und Virginia Dare schließen sich einem Indianerstamm an und werden von Der Vieles Überlebt begrüßt. Gezeichnet von Geht Voller Stolz.

»Das ist wirklich passiert«, flüsterte John.

Katherine starrte auf das Blatt.

»Der Welleneffekt«, sagte sie. »Er ist hier.«

Jonas dachte nach. Er erinnerte sich an seine Lan-dung und wie ihm kurz darauf das Papier ins Gesicht geflattert war.

»Wir waren zuerst hier«, sagte er zuversichtlich. »Das ist schon mal gut, findest du nicht?«

Der Definator meldete sich knackend zurück.

»Jonas, Katherine, ich muss euch sagen, was ihr zu tun habt«, rief HK.

Jonas betrachtete immer noch die Zeichnung auf dem Blatt vor sich. Er sah, wie Virginia Dare/Andrea ihren Großvater am Arm hielt und welch tiefer Frieden ihm aus ihrem Gesicht entgegenleuchtete.

»Nicht, wenn ich das Jahr 1600 rückgängig machen soll«, sagte Jonas. »Das tue ich Andrea nicht an.«

Zeitreisen waren so verwirrend. Man konnte kaum erkennen, was falsch und was richtig, wer Freund und wer Feind war, ja nicht einmal, welche Ereignisse aufeinanderfolgten und welche zu etwas anderem führten. Aber eines war Jonas völlig klar: Er würde nichts tun, was die Freude ausradierte, die sich in dieser Zeichnung auf Andreas Gesicht spiegelte.

»Darüber musst du dir keine Gedanken machen«, sagte HK grimmig. »Niemand kann am Jahr 1600 noch irgendetwas ändern. Das kannst du mir glauben.«

Katherine stockte der Atem.

»Dann sitzt ihr dort fest?«, fragte sie. »Du, Brendan, Antonio und Andrea, keiner von euch kann jemals ins einundzwanzigste Jahrhundert zurück? Keiner wird jemals seine Familie wiedersehen, nie wieder?«