Ich wandte mich zum Gehen, denn ich war hungrig geworden. Ich nahm mir vor, eines der Jahrmarktsrestaurants aufzusuchen. Einen letzten Blick warf ich auf die vier Mädchen. Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, die beiden am Ende der Kette zu kaufen, die Blonde und die Dunkelhaarige im roten Pullover. Aber dann hatte ich mich doch dagegen entschieden. Sie waren noch nicht an ihr Sklavenschicksal gewöhnt und mochten ihre zweifellos vorhandenen Qualitäten nicht entwickeln können, wenn sie zu früh verkauft wurden. Ich leerte den Krug Calda. Seit Tharna hatte ich solchen Wein nicht mehr getrunken. Unter Zeltplanen standen etwa zweihundert Tische. An vielen saßen Männer und sangen Lieder aus Ar. Ich hatte meine Mahlzeit beendet und stand auf,
»Ich freue mich auf das Spiel«, hatte Centius aus Cos zu Scormus aus Ar gesagt.
»Ich werde dich vernichten«, hatte Scormus aus Ar geantwortet.
Ich fragte mich, welchen Gedanken diese Riesen des Kaissa am Vorabend ihres Zusammenstoßes nachhängen würden. Scormus, so wurde erzählt, wanderte allein über die Tribünen, unruhig, eifrig, energiegeladen wie ein hungriges Raubtier. Centius aus Cos saß angeblich in seinem Zelt und ließ sich nichts anmerken. Er war in seine Gedanken versunken und studierte eine Spielstellung, die es vor einer Generation zwischen zwei unbedeutenden Meistern gegeben hatte. Aus irgendeinem Grund aber erweckte das Spiel Centius’ Interesse. Nur wenige Meister des Kaissa teilten seine Begeisterung.
Einige Tische entfernt verließ ein Mann den Zeltbereich; er drehte mir den Rücken zu. Irgend etwas an ihm erregte vage meine Aufmerksamkeit, doch ich wußte nicht, was es war. Sein Gesicht bekam ich nicht zu sehen. Ich nahm nicht an, daß er mich gesehen hatte.
Ich verließ das Zelt. Bezahlt wird vor der Mahlzeit. Dafür erhält man eine Wertscheibe, die man mit an den Tisch nimmt. Das Essen wird dann von einer Sklavin an den Tisch serviert; ihr gibt nun die Wertscheibe. Das Mädchen trägt nur eine Lederschürze und einen Eisengürtel.
Draußen mischte ich mich wieder unter die Menge. Ich hatte bis zum Mittag des nächsten Tages, wenn das große Spiel beginnen würde, nichts Dringendes vor.
Der Gesang der Männer aus Ar verhallte hinter mir.
Hin Sklavenhelfer marschierte durch die Zeltgassen, hämmerte mit einem Stab gegen eine Metallstange und verkündete, daß die Sklavenauktionen im großen Zelt in einer Ahn beginnen würden.
Am Wegrand führten Jongleure ihre erstaunlichen Kunststücke vor. Ich kam an Buden vorbei, in denen Ballen von Reptuch verkauft wurden. Bauersfrauen schacherten mit den Verkäufern.
In einem anderen Teil des Marktes hing frisches Fleisch an langen Leinen. Insekten schwirrten durcheinander.
Ich wollte mir die Sklavenverkäufe ansehen. Ich brauchte einige Mädchen für meine Männer.
Mir ging der Gedanke an den Burschen durch den Kopf, den ich das Restaurant hatte verlassen sehen. Die Erinnerung an seine Gestalt erfüllte mich mit Unruhe, Aber dann wies ich den Gedanken von mir.
Langsam näherte ich mich den Sklavenplattformen. Dabei fiel mein Blick erneut auf den Mann aus der Polarregion, der Mann mit den Pelzstiefeln, dem Seil über der Schulter und dem kurzen Hornbogen. Ich dachte daran, daß er seine Schnitzarbeiten an einen Händler verkauft hatte.
Immer wieder kehrten meine Gedanken zu den Mädchen von der Erde zurück. Ich hatte Lust, mir anzusehen, wie sie sich auf der Verkaufsplattform machen würden.
»Wo befindet sich der Verkaufsstand von Tenalion aus Ar?« fragte ich einen Mann. Die Mädchen hatten ihm gehört.
Der Mann wies mich auf die Zweihunderter-Nummern hin.
»Vielen Dank, mein Herr«, sagte ich. Tenalion ist ein bekannter Sklavenhändler.
Tenalions Stände trugen die Nummern zweihundertvierzig bis einschließlich zweihundertundachtzig. Meine vier Schönheiten waren noch immer am Hals zusammengekettet, doch trugen sie keine irdische Kleidung mehr, sondern goreanische Sklaventuniken, weiß, mit tiefem Ausschnitt, ärmellos und äußerst kurz. Die Mädchen knieten auf der Plattform.
»Ich kann mich kaum bewegen«, sagte das blonde Mädchen.
»Ich auch nicht. Was geht hier mit uns vor?« fragte das Mädchen am anderen Ende.
»Keine Ahnung! Aber wir haben unsere Rechte.«
»Meinst du wirklich?« fragte das dunkelhaarige Mädchen, das schwarze Hosen und einen roten Pullover getragen hatte.
»Ja!« rief die Blondine.
»Schau dir doch die Augen der Männer an«, sagte das dunkelhaarige Mädchen. »Kannst du dann ehrlich glauben, daß wir noch Rechte haben?«
Das blonde Mädchen schwieg.
»Was für ein Ort ist das?« rief das Mädchen am Ende und zerrte hilflos an ihren Fesseln.
»Müh dich ruhig ab«, sagte das dunkelhaarige Mädchen. »Die Männer haben dafür gesorgt, daß du nicht fliehen kannst. Wohin wolltest du auch fliehen?« fragte sie.
»Ich hasse dich!« rief das andere Mädchen.
Zwei Männer gingen vorbei und beäugten ungeniert die Mädchen.
Die Mädchen wichen sichtlich zurück.
»Ich mag es nicht, wie die uns anschauen!« sagte das blonde Mädchen.
»Was hat das zu bedeuten?« fragte das dritte Mädchen an der Kette.
»Liegt das nicht auf der Hand?« fragte die Dunkelhaarige. »Diese Männer tun mit den Frauen, was sie wollen. Sieht man das nicht schon an ihrem Blick? Sie bekommen, was sie wollen.« Sie lachte verbittert auf. »Und wir sind Frauen.«
»Aber…«
»Wir befinden uns auf einem Sklavenmarkt«, fuhr die Dunkelhaarige fort, »wir sind Sklaven! Man wird uns verkaufen, dich, mich, uns alle.«
Die Mädchen schwiegen.
»Wie es wohl ist, Sklavin zu sein«, sagte das dunkelhaarige Mädchen nach einiger Zeit. »Habt ihr schon mal solche Männer gesehen? Ich hätte mir nicht träumen lassen, daß es solche Männer gibt.«
»Sieh dich vor!« rief das Mädchen am Ende der Kette.
»Ich sage euch eins«, fuhr das dunkelhaarige Mädchen fort. »Wenn ich sie mir nur anschaue, wird mir ganz anders. Ich könnte für nichts garantieren.«
»Was für Worte!« rief das Mädchen am anderen Ende.
»Ich habe solche Gefühle noch nie gehabt«, sagte die Dunkelhaarige. »Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn einer mich anfaßt.«
»Wenn mich nur einer anfaßt, schreie ich los«, sagte das blonde Mädchen.
Aber sie hatte keinen Grund zur Sorge, denn in der Nähe gab es viel attraktivere Waren zu erwerben. Ich hatte mich im Hintergrund gehalten und dem Gespräch der Mädchen von der Erde gelauscht. Jetzt wollte ich weitergehen. Es war Zeit, das große Zelt aufzusuchen. Da entdeckte ich einige Plattformen entfernt den Mann aus der Polarregion. Er beschaute sich die zur Schau gestellten Mädchen. Über seiner Schulter trug er das grob geflochtene Seil.
»Schaut«, hörte ich einen Mann sagen, »dort kommt Tabron aus Ar.«
Ich drehte mich um. Ein Tarnkämpfer, der in das rote Leder seiner Kämpferkaste gekleidet war, schritt energisch durch den Gang. Beiläufig blieb er vor den vier Mädchen stehen.
Die Blondine fuhr zurück, als sein Blick sie musterte. Das dunkelhaarige Mädchen richtete sich zu meiner Überraschung auf und bot sich ungeniert seinen Blicken dar. Dann schaute er an ihr vorbei auf die anderen beiden Mädchen und ging weiter.
»Ich habe gesehen, was du getan hast!« rief das vierte Mädchen an der Kette.
»War das nicht ein Prachtkerl?« fragte die Dunkelhaarige und setzte nach kurzem Zögern hinzu: »Und ich bin Sklavin.«
»Er hat dich aber nicht gekauft!« höhnte das dritte Mädchen.