»Dich aber auch nicht«, gab die andere energisch zurück.
Ich lächelte. Beide waren nur Sklavinnen.
Es freute mich zu sehen, daß das dritte Mädchen sich ihrer Weiblichkeit schon viel mehr bewußt zu sein schien als vorher, denn sie sagte jetzt: »Ich bin schöner als du.«
»Ich glaub, ich hör nicht richtig«, sagte die Blondine.
»Das werden letztlich unsere Herren entscheiden«, fügte die Dunkelhaarige hinzu.
»Herren?«
»Ja, die Herren, die Männer dort, die uns kaufen werden.«
Ein stämmiger Mann in der Kleidung eines Tarnhüters blieb vor der Plattform stehen und betrachtete das blonde Mädchen.
»Die Sklavinnen sind neu?« wandte er sich an den Sklavenaufseher.
»Ganz frisch in den Kragen haben wir sie bekommen«, antwortete der Mann mit der Peitsche.
»Ich brauche ein Mädchen«, sagte der Mann, »die mich wenig kostet, die ich bei Tage im Gehege halten kann, wo sie mir die Verrställe mistet, und die mir meine Unterkunft in Ordnung hält und nachts mein Bett warm.« Er lachte meckernd.
»Diese vier«, sagte der Aufseher, »sind dafür bestens geeignet – zum Beispiel diese hier.« Er griff nach der Tunika der Blonden.
»Faß mich nicht an!« kreischte sie und wich zurück.
»Eine Barbarin«, sagte der Tarnhüter.
»Ja.«
»Und die anderen?«
»Ausschließlich Barbarinnen, Herr.«
Der Tarnhüter machte kehrt und ging weiter. Die Mädchen blickten sich erleichtert an. Doch der Aufseher war zornig geworden. »Rückt vor!« sagte er zu den Mädchen. Sie verstanden die Worte nicht, dafür war die Geste, die er mit der fünfschwänzigen Peitsche unterstrich, klar und deutlich. Der Mann schien sein Geschäft zu verstehen. Die Mädchen mußten am vorderen Rand der Plattform niederknien.
»Nicht!« rief das blonde Mädchen. Ein Passant hatte ihr eine Hand auf den Schenkel gelegt und schob die Tunika hoch. Mit tränenfeuchten Augen blickte sie zu dem Aufseher empor, doch der Mann kümmerte sich nicht darum. Was kam es darauf an, daß jemand eine Sklavin berührt hatte, womöglich an intimer Stelle?
Die Blonde versuchte zurückzurutschen, doch der Mann ließ dies nicht zu. Zornig deutete er auf die Stelle, die sie einzuhalten hatte.
»Ich möchte mir dieses Mädchen anschauen«, sagte ein Lederarbeiter und deutete auf die Blonde.
»Eine Schönheit, nicht wahr?« fragte der Aufseher lächelnd. »Mach ihre Tunika auf. Schau dir an, was sie zu bieten hat.«
Der Mann streckte die Hand aus, doch das Mädchen krabbelte rückwärts und zog die anderen Mädchen mit. »Faß mich nicht an!« schrie sie. »Ich kreische los!« Mit lautem Aufschrei fiel das dunkelhaarige Mädchen, von der anderen an der Kette mitgezerrt, auf die Seite.
»Wartet Herr!« sagte der Aufseher. »Schaut doch, was für Freuden euch erwarten.«
Der Lederarbeiter zögerte. »Die scheinen mir an den Kragen noch nicht gewöhnt zu sein.«
»Prodicus!« rief der Sklavenaufseher. Gleich darauf erschien ein Kollege von einer benachbarten Plattform. Der erste Mann deutete mit einer Kopfbewegung auf das blonde Mädchen.
Der Neuankömmling sprang auf die Plattform, umfaßte die Sklavin von hinten und drückte sie vor dem Lederarbeiter in die Knie. Der andere riß den Knoten ihrer Wickeltunika auf, die sich verlockend öffnete. »Nein!« kreischte das Mädchen. Der Mann riß ihr den Stoff von den Schultern und legte ihren Körper bloß. Er war tatsächlich wunderschön. Mit den Füßen zwängte er ihr die Knie auseinander, während der andere sie an den Oberarmen festhielt. Sie warf sich weinend hin und her und preßte die Knie zusammen. Das dunkelhaarige Mädchen begann sich zornig eines Mannes aus der Menge zu erwehren, der nach dem Gürtelknoten ihres Gewandes zu greifen versuchte. Sie bewegte sich so heftig, daß das dritte Mädchen das Gleichgewicht verlor. Der Lederarbeiter wandte sich kopfschüttelnd ab. Viele Männer waren stehengeblieben, zum Teil verständnislos starrend, zum Teil laut auflachend. Die Sklavenaufseher verloren die Beherrschung und ließen ihre Peitschen, herabsausen. Die Mädchen wanden sich wimmernd auf der Plattform.
Sklavenherr Tenalion aus Ar, Besitzer der vier Mädchen, tauchte an der Seite der Plattform auf. Er freute sich nicht über die Szene, die sich da abspielte.
»Diese vier sind wertlos«, sagte der erste Aufseher und rollte seine Peitsche ein.
Die Mädchen lagen schluchzend auf dem Holz. Ihre Körper waren von roten Streifen bedeckt.
»Nehmt für sie, was ihr bekommen könnt«, sagte Tenalion und wandte sich ab.
»Zwei«, sagte eine Stimme. »Zwei. Wieviel?«
Es war der Mann aus der Polarregion, der Mann mit dem nackten Oberkörper, dem Bogen auf dem Rücken und dem Seil über der Schulter. In der linken Hand trug er ein Bündel Felle, das kleiner geworden war, und einen Beutel, der ebenfalls geschrumpft zu sein schien. Anscheinend hatte er seine kleinen Kunstwerke an den Mann bringen können.
Ich trat einige Schritte vor in der Annahme, daß er Mühe haben würde, sich mit den Sklavenhändlern zu verständigen.
»Die«, sagte der kupferhäutige Mann und deutete auf das blonde und das dunkelhaarige Mädchen, die weinend in ihren Ketten lagen. »Billig?«
»Diese beiden?« fragte der Sklavenhändler.
Der Jäger nickte.
Der Aufseher ließ die beiden Mädchen vor dem Jäger niederknien. Sie blickten ihn voller Angst an. Sie hatten die Peitsche zu spüren bekommen.
»Ja, billig. Sehr billig«, sagte der Aufseher. »Hast du Geld?«
Der Jäger löste ein Fell von dem Bündel in seiner Hand. Es war schneeweiß und dick, der Winterpelz eines Schnee-Larts. Die Haarmatte schien zu funkeln. Der Lart ist nicht groß, nur etwa zehn Zoll hoch und zwischen acht und zwölf Pfund schwer. Als vierbeiniges Säugetier mit zwei Mägen, frißt er Vogeleier und den Leem, ein kleines arktisches Nagetier, das im Winterschlaf seine Beute wird.
»Reicht nicht«, sagte der Sklavenhändler. Der Jäger brummte vor sich hin. Damit hatte er gerechnet. Ich glaube nicht, daß der Sklavenhändler den Jäger betrügen wollte, Vermutlich wußte der Mann, der die weite Reise in den Süden gemacht hatte, was seine Felle hier wert waren. Der Mann aus dem Norden beugte sich erneut über sein Bündel und zog zwei winzige Leemfelle heraus – die braunen Sommerpelze.
»Schau doch«, sagte der Sklavenhändler und deutete auf die beiden Mädchen. »Zwei Schönheiten!«
Der Jäger zog zwei weitere Leempelze hervor.
»Das reicht noch nicht«, sagte der Sklavenaufseher,
Der Jäger brummte etwas, begann sein Bündel zu schnüren und machte Anstalten, sich zu entfernen.
»Warte doch!« rief der Sklavenhändler lachend. »Sie gehören dir!«
Die Mädchen reagierten sofort. »Er hat uns verkauft«, flüsterte das dunkelhaarige Mädchen. Ich mußte daran denken, daß sie enge schwarze Hosen getragen hatte und einen weichen roten Rollkragenpullover. Offenbar hatte sie sich teure Kleidung leisten können. Jetzt war sie die nackte Sklavin eines rothäutigen Jägers.
Der Sklavenhändler schob die Felle in einen Beutel, den er am Gürtel trug. Dann löste er die Fesseln der Mädchen.
Der Jäger zerrte seine Neuerwerbungen von der Plattform; sie waren noch an den Halskragen zusammengekettet.
Das dritte und vierte Mädchen verfolgten diese Vorgänge mit sichtlichem Entsetzen. Sie wußten, daß sie ebenfalls zum Gegenstand eines solchen beiläufigen Geschäfts werden konnten, der absoluten Macht ihres Erwerbers, ihres Herrn, unterworfen.
Der rothäutige Jäger band den Mädchen mit zwei Stücken Lederschnur die Handgelenke zusammen; er schien sich mit Sklavinnen auszukennen.
Die rothäutigen Jäger sind im Grunde freundliche, friedliche Menschen – nur nicht gegenüber Tieren. Im hohen Norden gibt es im wesentlichen zwei Arten von Haustieren – den Schnee-Sleen und die weißhäutige Frau.
»Ho!« sagte der rothäutige Jäger und stieg von der Plattform. Die beiden Geschöpfe, die er gekauft hatte, folgten ihm.
Ihnen stand sicher kein leichtes Leben bevor in der Kälte des Nordens.