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Ich schaute auf die große Tafel.

Wie erwartet, eroberte Scormus den roten Speerträger.

Ja, einige der genialsten Spiele aller Zeiten haben sich aus Eröffnungen entwickelt, die als schwach oder unpassend galten.

Das Publikum war unruhig geworden.

Trotzdem griff Centius nun nicht mit seinem Ubar an.

Verblüfft verfolgten die Zuschauer, wie Centius aus Cos seinen Ubars Tarnkämpfer Speerträger auf Ubars Tarnkämpfer vier vorrückte.

Die Figur war dort wehrlos.

Centius spielte also doch nicht die Mittelverteidigung. Männer sahen sich ratlos an, Centius aus Cos hatte bereits einen Stein verloren, einen Speerträger. Einem Mann vom Kaliber Scormus’ aus Ar opfert man nicht freiwillig seine Figuren.

Die meisten großen Spieler hätten in einer solchen Lage schon ihren Ubar umgeworfen und das Spiel verloren gegeben.

Doch nun war ein zweiter Speerträger dem Angriff des gelben Speerträgers schutzlos preisgegeben.

»Speerträger schlägt Speerträger«, sagte ein Mann in meiner Reihe, Ich verfolgte den Zug an der großen Tafel.

Rot hatte zwei Speerträger verloren.

Rot mußte jetzt seinen Ubars Tharlarionreiter vorrücken lassen, um seinen Ubaras Wissenden freizustellen und gleichzeitig den gelben Speerträger dem Angriff des Wissenden auszusetzen.

»Nein! Nein!« rief ein Kaufmann aus Cos.

Statt des erwarteten Zuges hatte Centius aus Cos seinen Ubars Schriftgelehrten Speerträger auf Ubars Schriftgelehrten drei vorgeschoben.

Ein dritter Stein war dem Gegner wehrlos ausgeliefert.

Es überlief mich kalt vor Zorn, obwohl ich im Begriff war, hundert Gold-Tarns zu gewinnen.

Scormus aus Ar musterte Centius aus Cos verächtlich. Dann richtete er den Blick auf die Registraturen und Schiedsrichter. Sie wandten die Köpfe ab. Die Gruppe aus Cos verließ die Bühne.

Ich fragte mich, wieviel Geld Centius genommen hatte, um das Kaissa und seine Heimatinsel auf solche Weise zu verraten. Er hätte das auch auf raffiniertere Weise tun können, in Form einer komplizierten angeblichen Fehlüberlegung zwischen dem vierzigsten und fünfzigsten Zug, ein so unmerkliches Vorgehen, daß selbst die Mitglieder der Spielerkaste nicht zu sagen wußten, ob er absichtlich gehandelt hatte oder nicht. Doch er hatte sich für ein anderes Vorgehen entschieden. Er hatte sich vorgenommen, seinen Verrat am Spiel und an Cos offensichtlich zu machen.

Scormus aus Ar stand auf und begab sich an den Tisch der Registratoren und Schiedsrichter. Ein zorniger Wortwechsel begann. Anschließend begab sich Scormus zu seinen Begleitern aus Ar. Einer von ihnen, ein Kapitän, suchte nun seinerseits die Schiedsrichter auf. Ich sah, wie Reginald aus Ti den Kopf schüttelte.

»Sie wollen den Sieg zugesprochen bekommen«, meinte der Mann neben mir.

»Ja«, sagte ich. Ich konnte es Scormus aus Ar nicht verdenken, daß er an dieser Farce nicht mehr teilnehmen wollte.

Centius aus Cos saß reglos am Brett und schien von dem Durcheinander keine Notiz zu nehmen. Sein Blick war auf das Spielfeld gerichtet. Er legte die Uhren auf die Seite, damit Scormus’ Zeit nicht weiterlief.

Ich erkannte, daß die Gruppe aus Ar mit ihrer Anrufung der Schiedsrichter nicht durchgekommen war.

Scormus kehrte an seinen Platz zurück.

Reginald aus Ti stellte die Uhren wieder auf. Scormus’ Hand bewegte sich.

»Speerträger schlägt Speerträger«, murmelte mein Sitznachbar. Centius aus Cos hatte nun bereits drei Speerträger verloren.

Jetzt mußte er mindestens den vorrückenden gelben Speerträger schlagen, der bereits tief in sein Gebiet vorgerückt war. Wenn er dazu nicht seinen Ubars Tharlarionreiter nahm, würde auch diese Figur verloren sein.

Centius aus Cos schob seine Ubara auf Ubars Schriftgelehrten vier. Wußte er nicht, daß sein Tharlarionreiter en prise stand?

War er ein Kind, das noch niemals Kaissa gespielt hatte? Wußte er nicht, wie die Figuren bewegt werden mußten?

Nein, die Erklärung war viel einfacher. Ein monumentaler Verrat war dort unten im Gange. Hatte der Mann den Verstand verloren? Wußte er nicht, wie die Goreaner auf so etwas reagierten?

»Tötet Centius aus Cos!« ertönte es. »Tötet ihn!«

Wächter eilten am Bühnenrand entlang und drängten mit Schilden einen Mann zurück, der sich mit gezogenem Messer auf den Spieler stürzen wollte. Centius aus Cos schien von alledem nichts zu merken. Zahlreiche Zuschauer waren aufgesprungen, doch er schien die zornigen Rufe, den Klang der Stimmen gar nicht wahrzunehmen. Fäuste wurden drohend geschüttelt.

»Ich fordere die Rücknahme aller Wetten!« rief ein Mann aus Cos. Vermutlich hatte er auf seinen Meister gesetzt. Doch interessanterweise gehörten Männer aus Ar zu den zornigsten in der Menge. Sie hatten wohl das Gefühl, um den Sieg betrogen zu werden, wenn er ihnen so mühelos serviert wurde.

Ich fragte mich, wer die Ehre Centius’ aus Cos gekauft hatte.

»Tötet Centius!« gellte der Ruf.

Ich nahm nicht an, daß meine hundert Tarns in Gefahr waren, denn kein Buchmacher hätte sich auf eine Annullierung eingelassen. Große Freude würde mir mein Gewinn aber auch nicht machen.

Zwei weitere Männer versuchten die Bühne zu ersteigen und wurden von Wächtern mit Speerschäften zurückgedrängt.

Scormus aus Ar machte einen Zug.

»Speerträger schlägt Tharlarionreiter«, sagte der Mann neben mir verbittert.

Centius aus Cos hatte vier Figuren verloren, ohne auch nur einen Gegenschlag zu landen oder seinerseits auf Beutefang zu gehen. Er lag vier Figuren zurück, drei Speerträger und einen Tharlarionreiter, Seine kleineren Figuren auf der Seite des Ubars waren beinahe völlig erobert Mir fiel jedoch auf, daß er bisher noch keinen wichtigen Stein verloren hatte. Und jetzt reagierte er auf den Verlust seines Tharlarionreiters, indem er mit seinem Ubars Wissenden zuschlug.

Ein zufriedenes Seufzen ging durch die Menge. Centius aus Cos hatte immerhin diesen grundsätzlichen Zug erkannt. Spöttische Bemerkungen wurden laut.

Dieser Zug stellte nun den Ubars Wissenden in Position. Mir fiel dabei zum erstenmal auf, daß der rote Ubars Schriftgelehrte entwickelt worden war – als Folge des früheren Vorrückens des roten Ubars Tarnkämpfer Speerkämpfer. Außerdem war die Ubara, wie erwähnt, auf Ubars Schriftgelehrten vier in Position gebracht worden. Nun erkannte ich auch, daß der Ubar ebenfalls in offener Linie stand. Rot hatte vier wichtige Steine kampfbereit gemacht.

Mit seinem sechsten Zug rückte Scormus seinen Ubars Speerträger auf Ubar vier. Ubar fünf kam nicht in Frage, denn dort hätten die rote Ubara und der Ubar zuschlagen können. Scormus hatte nun wieder einen Speerträger in der Mitte. Diesen Stein würde er unterstützen, die Mitte festigen und dann einen massiven Angriff auf die geschwächte Ubarseite des roten Spielers richten. Natürlich würde Scormus seinen Heimstein auf der Ubaraseite plazieren, vermutlich auf Hausbauer eins. Das würde die Zuträgersteine seines Ubars für den Angriff auf die rote Ubarseite freistellen.

Mit seinem sechsten Zug schob Centius aus Cos seinen Ubar auf Ubar vier. Für einen Angriff schien mir der Zug zu kurz zu sein. Allerdings brachte dies seinen Ubar auf die gleiche Höhe mit der Ubara, so daß sie sich gegenseitig verteidigen konnten. Trotzdem kam mir der Zug ein wenig zurückhaltend vor, ein wenig zu defensiv. Im Spiel gegen einen Mann wie Scormus aus Ar war es aber niemandem zu verdenken, wenn er seine Verteidigung vorsichtig formierte.

Mit dem siebenten Zug ließ Scormus seinen Ubars Tarnkämpfer Speerträger auf Ubars Tarnkämpfer fünf vorrücken. Dort war er durch den Speerträger auf Ubar vier geschützt und konnte bald zusammen mit den anderen Steinen den unausweichlichen Angriff entlang der Reihe des Ubars Tarnkämpfer beginnen.

Scormus aus Ar bereitete seine Attacke gründlich vor. Sie würde präzise und gnadenlos ablaufen.

Plötzlich fiel mir auf, daß Gelb seinen Heimstein noch nicht plaziert hatte. Dieser Absonderlichkeit erstaunte mich. Gelb hatte überhaupt noch keinen wichtigen Stein verschoben – keinen Wissenden, keinen Hausbauer, keinen Schriftgelehrten, keinen Tarnkämpfer, keinen Ubar und auch nicht den Ubar oder die Ubara. Keine gelbe Figur war bisher aus der Reihe des Heimsteins verschoben worden.