»Ich verstehe nicht, was du meinst«, sagte die anmutige Gestalt in der Sänfte.
Ich grinste sie an. »Ich habe zu essen«, sagte ich. »Ich habe auch Wasser. Aber seit vier Tagen habe ich keine Frau mehr gehabt.«
Sie erstarrte sichtlich. Am Vorabend meiner Abreise aus Port-Kar hatte ich Vella zu mir kommen lassen. »Nimm mich mit!« hatte sie am Morgen gefleht. »Damit du dich mit einem anderen Bertram aus Lydius gegen mich verbünden kannst?« fragte ich.
»Er hat mich getäuscht, Herr!« schluchzte sie.
»Ich hätte dich auspeitschen lassen sollen, Sklavin!« drohte ich.
»Ich bin unschuldig, Herr.«
Aber natürlich hatte ich sie nicht mitgenommen. Und das war jetzt vier Tage her.
Ich deutete auf die beiden Sklavinnen. Die eine senkte Schleier ein Stück.
»Es sind meine Leibsklaven«, sagte sie.
»Ich gebe dir einen Silbertarsk, wenn ich mich kurz mit einer der beiden abgeben kann – du kannst bestimmen, welche.«
Die Krieger sahen sich an. Das Angebot war großzügig. Es war nicht anzunehmen, daß die Mädchen bei einem Verkauf soviel erbracht hätten.
»Nein«, sagte die freie Frau kühl.
»Dann gestatte mir, eins deiner Mädchen zu kaufen«, sagte ich. »Für einen Gold-Tarn.«
Die Männer rissen die Augen auf. Mit einer solchen Münze hätte ich bei einer Auktion eine Schönheit ersteigern können, die in den Garten eines Ubars gepaßt hätte.
»Mach endlich Platz!« sagte die freie Frau.
»Na gut«, sagte ich, senkte den Kopf und trat zur Seite.
»Ich fühle mich gekränkt«, sagte sie.
»Verzeih mir, meine Dame«, sagte ich. »Aber das war nicht meine Absicht. Wenn ich etwas gesagt oder getan habe, das diesen Eindruck hervorruft, möchte ich mich auf das Höflichste entschuldigen.«
Ich trat noch einen Schritt zurück, um die Prozession vorbeizulassen.
»Ich hätte dich auspeitschen lassen sollen.«
»Ich habe dich in Frieden und Freundschaft begrüßt«, sagte ich leise.
»Verprügelt ihn!« befahl sie.
Ich umfaßte den Arm des Hauptmanns. Er erbleichte. »Hast du die Hand gegen mich erhoben?« fragte ich.
Ich ließ den Arm los, und er taumelte zurück. Dann nahm er den Schild über den Arm und zog die Klinge an seiner linken Hüfte.
»Was geht hier vor?« fragte die Frau.
»Halt den Mund, törichte Frau!« sagte der Hauptmann.
Sie stieß einen Wutschrei aus. Was wußte sie schon von den Regeln, die unter Kriegern gelten?
Ich begegnete seinem Angriff, den ich mühelos ablenkte. Mit leise herabhängendem Schild sank er vor mir zu Boden. Ich hatte Ihn nicht töten wollen.
»Bringt ihn um!« schrie die freie Frau. Die Sklavinnen fielen in das Geschrei ein. Die anderen Soldaten brüllten zornig auf.
»Wer will der nächste sein?« fragte ich.
Sie sahen sich an.
»Helft mir auf!« sagte der Hauptmann. Zwei seiner Leute gingen zu ihm und richteten den Blutenden auf. Zwischen seinen Männern hängend, sah er mich an. Ich rechnete schon mit einem neuen Angriff, da grinste er plötzlich. »Du hast mich nicht getötet«, sagte er.
Ich zuckte die Achseln. »Weshalb?«
»Dafür bin ich dir dankbar.«
Ich neigte den Kopf.
»Außerdem kenne ich die Fähigkeiten meiner Männer. Versteh mich richtig, es sind keine schlechten Kämpfer.«
»Davon bin ich überzeugt.«
»Ich möchte sie lieber nicht opfern«, fuhr er fort und sah mich an. »Du bist ein Tarnkämpfer.«
»Ja.«
»Das hatte ich mir gedacht. Ich grüße dich als Krieger. Tal.«
»Tal.«
»Töte ihn!« forderte die freie Frau. »Töte ihn! «
»Du hast diesem Mann unrecht getan«, sagte der Hauptmann. »Er hat die Regeln seines Standes in keiner Weise übertreten.«
»Ich befehle dir, ihn umzubringen!« schrie die Frau und deutete auf mich.
»Läßt du uns durch, Krieger?« fragte der Hauptmann.
»Unter den gegebenen Umständen ist das leider nicht mehr möglich.«
»Natürlich nicht«, sagte er nickend.
»Töte ihn!« schrie die Frau.
»Wir sind sechs«, sagte der Hauptmann. »Vielleicht würden wir ihn umbringen können. Aber ich weiß es nicht. Denn noch nie habe ich mit einem Mann wie ihm die Klinge gekreuzt. Er reagiert mit einer besonderen Schnelligkeit und Wildheit, mit einem Zauber, wie ich ihn in hundert Kämpfen auf Leben und Tod nicht erlebt habe. Trotzdem stehe ich jetzt lebendig neben deiner Sänfte und kann dir dies erklären, obwohl du es nie wirst verstehen können.«
»Ihr seid ihm zahlenmäßig überlegen«, sagte sie.
»Wie viele wird er töten?« fragte der Hauptmann.
»Natürlich keinen!«
»Ich habe die Klingen mit ihm gekreuzt, meine Dame«, sagte der Hauptmann. »Mir brauchst du nicht zu erklären, wie die Chancen eines Schwertkampfes stehen.« Er wandte sich an seine Männer. »Wollt ihr gegen ihn kämpfen?« fragte er mit schiefem Lächeln.
»Gib den Befehl, dann tun wir’s«, sagte einer der Soldaten.
Ich fand ihre Disziplin hervorragend.
Bedrückt schüttelte der Hauptmann den Kopf. »Ich habe gegen ihn gekämpft, Jungs«, sagte er. »Wir ziehen uns zurück.«
»Nein!« rief die freie Frau.
Von zwei Männern gestützt, wandte sich der Hauptmann um.
»Feiglinge!« rief sie.
Der Hauptmann sah sie an. »Ich bin kein Feigling, meine Dame«, sagte er langsam. »Aber ich bin auch kein Dummkopf.«
»Feiglinge!« schrie sie.
»Ehe ich meine Männer gegen einen Mann wie ihn in den Kampf schicken soll, muß es schon um die Verteidigung eines Heimsteins gehen.«
»Feiglinge! Feiglinge!«
»Ich habe gegen ihn gekämpft.« Von seinen Soldaten gestützt, humpelte er davon. Die anderen Bewaffneten folgten; der eine oder andere warf noch einen letzten Blick über die Schulter. Ich steckte meine Klinge wieder ein.
»Kehrtmachen!« sagte die freie Frau zu den Trägersklaven, Sie wollte den Kriegern folgen.
»Nicht kehrtmachen!« ordnete ich an.
Sie gehorchten mir. Die Sänfte rührte sich nicht von der Stelle. »Warum hast du sie nicht getötet?« fragte einer der Trägersklaven.
»Du warst einmal Krieger?« fragte ich.
»Ja.«
»Dann ist es nicht recht, daß du an die Sänfte einer Dame gekettet bist«, sagte ich.
Grinsend zuckte er die Achseln.
»Gestattest du mir nicht, mich zu entfernen, Krieger?« fragte die freie Frau.
»Diese Männer machen einen guten Eindruck auf mich«, sagte ich. »Sicher hast du den Schlüssel zu ihren Ketten bei dir.«
»Ja.«
»Gib ihn ihr!« forderte ich und deutete auf eine der beiden Sklavinnen. Die Frau gehorchte, und auf meine Geste hin öffnete die Sklavin alle Ketten.
Die Männer rieben sich die Handgelenke und bewegten die Köpfe hin und her. Die Eisenkragen waren schwer gewesen.
Die Sänfte lag noch auf ihren Schultern. Erfreut sahen sie mich an.
»Für einen Silbertarsk darfst du eines meiner Mädchen nehmen«, sagte die freie Frau. »Aber beeil dich.«
»Dafür ist es ein wenig spät, meine Dame.«
»Ich verkaufe dir eine für einen Gold-Tarn.«
»Das scheint mir für eine Sklavin ein zu hoher Preis zu sein.«
Sie hob den verschleierten Kopf. »Dann kannst du dir eine oder beide ohne Bezahlung nehmen.«
»Die Dame ist sehr großzügig«, stellte ich fest,
Sie schaute mich nicht an. »Ich schenke dir beide«, sagte sie verächtlich.
»Setzt die Sänfte ab!« befahl ich den Trägersklaven. Sie gehorchten…
»Gib sie frei!« forderte ich und deutete auf die Trägersklaven.
Die Träger standen um sie herum und schauten sie an. Sie bewegte sich nervös auf ihrem Sänftensitz. »Ihr seid frei«, sagte sie. »Ihr seid frei!«
Die Männer grinsten und bewegten sich nicht.
»Ihr könnt gehen!« sagte sie. »Ihr seid frei!«
Ich nickte ihnen zu. Grinsend und einander auf die Schulter schlagend entfernten sie sich. Einer der Männer verweilte noch einen Augenblick. »Vielen Dank, Krieger«, sagte er.
»Unwichtig«, antwortete ich, »… Krieger.«
Grinsend machte er kehrt und eilte den anderen nach.