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»Glaubst du, ich bin ein Dummkopf?« fragte der Mann lachend. »Die Sleen laufen frei aus dem Gehege. Glaubst du, die Tiere wollen mich lebendig fangen?«

»Du gehörst mir«, sagte sie zu dem Mann. »Löse meine Fesseln!« Ich dachte daran, daß sie ihn in den Gehegen von Lydius für die Jagd erworben hatte. Anscheinend hatte sie das Geld für den Kaufpreis persönlich aufgebracht. Ihre Arroganz deutete darauf hin.

»Du scheinst mir reich und gebildet zu sein«, sagte ich.

»Beides«, gab sie zurück. »Ich gehöre der Kaste der hohen Kaufleute an.«

»Das tat ich auch«, sagte Constance.

»Ruhig, Sklavin!« fauchte die freie Frau.

»Ja, Herrin«, sagte Constance leise, legte einen Ast ins Feuer und trat zurück. Sie trug ihren Kragen noch nicht lange.

Die freie Frau starrte den Mann an, der sie gefangen hatte. »Laß mich sofort frei!« forderte sie.

Er starrte sie an und betastete dabei das Messer, das er ihr abgenommen hatte. Sie wandte sich an mich.

»Du bist ein Freier wie ich. Ich bin eine Dame. Es ist deine Pflicht, mir zu helfen.«

»Welches ist dein Heimstein?« wollte ich wissen. »Der von Lydius.«

»Ich habe einen anderen Heimstein.«

Der Mann hockte neben ihr. Eine Hand hatte er ihr in den Nacken gelegt. Die Dolchspitze war auf ihren Leib gerichtet.

»Ich gebe dich frei! Ich gebe dich frei!« sagte sie.

»Iß etwas!« sagte ich zu ihm. Ich hatte über dem kleinen Feuer einige Boskstücke gebraten.

Er, der nun ein freier Mann war, setzte sich mir am Feuer gegenüber. Die freie Frau rutschte in die Dunkelheit, an Händen und Füßen gefesselt. Der freie Mann und ich aßen.

»Wie heißt du?« fragte ich ihn und warf Constance ein Stück Boskfleisch zu.

»Ram«, sagte er, »geboren in Teletus, doch ohne Freund auf jener Insel, in Verbannung lebend.«

»Dein Verbrechen?«

»In einer Taverne habe ich bei einer Prügelei zwei Männer getötet.«

»In Teletus wird streng gerichtet.«

»Einer der beiden hatte in der Verwaltung der Insel einen hohen Posten inne.«

»Ich verstehe.«

»Ich habe viele Städte besucht.«

»Wie verdienst du dir deinen Unterhalt?« wollte ich wissen. »Bist du Räuber?«

»Nein, ich handle. Ich mache Tauschgeschäfte nördlich des Axtgletschers mit Sleen-, Leem- und Lartfellen.«

»Eine einsame Arbeit«, sagte ich.

»Ich habe keinen Heimstein«, sagte er achselzuckend.

Er tat mir leid. »Wie bist du zum Sklaven geworden?«

»Durch die Fellräuber.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Sie haben das Land nördlich des Axtgletschers abgeriegelt.«

»Wie das?«

»Mit Tarnkämpfern, die Patrouille fliegen. Ich wurde aufgegriffen und in die Sklaverei verkauft, obwohl ich ein freier Mann war.

»Warum wollen diese Männer den Norden abriegeln?«

»Das weiß ich nicht.«

»So hoch im Norden können Tarns nicht leben.«

»Im Sommer schon. Tausende von Vögeln ziehen jeden Frühling zu den Brutklippen des polaren Beckens.«

»Aber nicht Tarns.«

»Nein, Tarns nicht.« Tarns sind keine Zugvögel.

»Sicher kann man diesen Patrouillen ausweichen«, meinte ich.

»Manchen gelingt das wohl auch«, meinte er.

»Du hattest Pech.«

»Ich wußte nicht einmal, daß es sich um Feinde handelte«, sagte er lachend. »Ich hieß die Männer willkommen. Dann wurde ich in Fesseln gelegt. Man verkaufte mich in Lydius.« Kauend blickte er zu der freien Frau hinüber. »Ich wurde von der hohen Dame dort erworben.«

»Was hast du mit mir vor?« fragte sie.

»Da gibt es sehr viele Möglichkeiten«, sagte er und betrachtete sie eingehend.

»Faß mich nicht an!« sagte sie. »Ich bin frei, und ich möchte etwas anzuziehen haben!«

»Vielleicht bist du jetzt eine Sklavin«, sagte er.

»Nein! Nein, ich bin frei.«

»Das werden wir sehen. Jedenfalls wirst du morgen wieder ein Kleidungsstück tragen.«

»Ich hasse euch alle!« rief die Dame Tina. »Und ich werde niemals eine Sklavin sein! Du kannst mich nicht zur Sklavin machen.«

»Dann will ich es auch nicht versuchen«, sagte Ram. »Du sollst mich darum bitten.«

Sie starrte ihn verblüfft an, dann warf sie den Kopf in den Nacken und lachte. »Da würde ich lieber sterben.«

»Es ist spät«, sagte ich. »Ich glaube, wir sollten uns schlafen legen.«

»Wie heißt du?« fragte er.

»Tarl«, gab ich zurück. »Lassen wir es dabei bewenden.«

»Einverstanden«, sagte er lächelnd. Er würde sich nicht weiter nach meinem Woher und Wohin erkundigen. Zweifellos nahm er an, daß ich ein fliehender Räuber oder Attentäter war.

Ich packte Constance am Arm und stieß sie zu ihm hinüber.

»Wärme ihn! Ihm ist kalt.« Es war früh am Morgen. Ram saß aufrecht im Gras. Ich stand neben meinem Tarn, der während der Nacht zurückgekehrt war. Ich hatte ihm den Schnabel und die Klauen von Blut und den Haaren eines kleinen gelben Tabuk gesäubert, ein Tier, das in Ka-la-na-Dickichten zu finden ist. Der Vogel war bereits gesattelt.

Constance hatte sich erschöpft vom Liebesspiel in die Felle gewickelt und schlief. Dame Tina aus Lydius lag ebenfalls auf der Seite, erschöpft von ihrem Kampf gegen die Fesseln, Der Himmel war bewölkt.

»Ja«, sagte er. »Sleen.«

Wir hörten das Jaulen in der Ferne. Es mußten vier oder fünf sein.

»Herr?« fragte Constance und rieb sich die Augen.

»Auf, auf, wir müssen gleich los!« sagte ich.

»Wieviel kann der Tarn tragen?« fragte Ram.

»Das Tier ist kräftig«, sagte ich. »Im Notfall kann es einen Reiter und einen Tarnkorb mit Ladung befördern.«

»Dürfte ich dann darum bitten, daß du mich mitnimmst?« fragte er lächelnd.

»Es sei dir gewährt«, sagte ich.

Ich rollte die Felle zusammen, in denen Constance gelegen hatte, und machte sie dann mit zwei Schnüren hinter dem Sattel fest.

Das Sleenfauchen war nun ganz deutlich zu hören. Die Tiere konnten kaum mehr als einen Pasang entfernt sein.

»Dieser Ring«, sagte ich zu Ram und deutete auf die linke Seite des Sattels, »gehört dir.«

»Ausgezeichnet«, sagte er.

»Komm zu mir, Constance!« sagte ich.

»Ja, Herr.« Sie eilte herbei.

Ich wies sie an, sich auf die rechte Seite des Sattels in einen Ring zu stellen und die Hände um das Sattelhorn zu legen. Dann stellte ich mich in die Steigbügel und blickte in die Runde. Es waren fünf Sleen. Sie waren noch etwa einen halben Pasang entfernt und schienen Witterung zu haben. Ihre Schnauzen bewegten sich dicht über dem Boden.

»Ich habe hier noch eine Tunika« sagte ich zu Ram und warf ihm das Kleidungsstück zu.

»Was soll das?« fragte Tina.

Er hatte sich seines Lendenschurzes entledigt und Löcher hineingestochen. Durch die Löcher zog er eine Lederschnur und drapierte sie ihr so um die attraktiven Hüften, daß sie mit den gefesselten Händen nicht heranreichte.

»Was sind das für Laute?« fragte Tina.

»Sleen«, antwortete er, bückte sich und zerschnitt ihr die Fußfesseln. »Jetzt kannst du laufen.«

»Ich verstehe nicht, was das soll«, sagte sie.

»Bald wirst du es verstehen.«

Ich stieg in den Sattel. Ram stellte den linken Fuß in den Ring, den ich ihm gezeigt hatte und legte den linken Arm um den Sattelknauf.

Sie richtete sich auf. »Wohin willst du!« rief sie.

»Nach Lydius, meine Dame«, antwortete ich. Ursprünglich hatte ich nicht die Absicht gehabt, nach Lydius zu reisen.

Die Sleen waren nur noch wenige hundert Meter entfernt. Ich nahm die Tarnzüge in die linke Hand, den ersten Zügel in die rechte.

Das schrille Geifern der Tiere war nun deutlich zu hören. Die Raubtiere huschten auf uns zu.

Plötzlich erbleichte Tina. »O nein! Nein!« schrie sie. Mit den gefesselten Händen versuchte sie die Stoffetzen zu lösen, die natürlich nach dem Mann rochen, auf den die Tiere angesetzt worden waren.

»Nein!« schrie sie. »Nein! Sie werden mich in Stücke reißen!«

»Lauf, Tina! Lauf!« sagte Ram. »Du hast dieselben Chancen, die auch ich gehabt hätte.«