Dann verließ ich das Podest. In wenigen Ehn hatte ich den letzten intakten Bau angezündet. Das Mädchen kniete reglos auf der Plattform. Sie war mein Feind.
Ich drehte mich um und schlug den Weg nach Norden ein. Auch ich würde der Herde folgen. Ich schaute nicht zurück. Gegen Mittag rastete ich und aß getrocknetes Fleisch. Ich beobachtete die kleine Gestalt, die langsam näherkam. Als sie noch drei oder vier Meter entfernt war, blieb sie stehen und kniete im Schnee nieder.
»Bitte«, sagte sie.
Ich warf ihr ein Stück Fleisch zu, das sie heißhungrig hinunterschlang. Ich stand auf. Ich mußte weiter.
»Ich habe noch keinen Mann kennengelernt, der so stark ist«, sagte sie und erschauderte. Ich schrieb diese Anwandlung der Kälte zu.
»Was ist mit dem Tarn?« fragte sie.
»Das Tier war schwach«, sagte ich. »Ich habe ihm die Freiheit. gegeben.«
»Du wanderst nach Norden.«
»Ich habe dort etwas zu erledigen.«
»Du willst zu Fuß gehen?«
»Ja.«
»Deine Überlebenschancen sind gering.«
»Ich werde von der Herde leben. Die einzige Gefahr geht für mich vom Winter aus.«
Dieser Jahreszeit fielen zuweilen sogar rothäutige Jäger zum Opfer.
»Du darfst mir nicht weiter folgen«, sagte ich.
»Ich kann im Norden nicht allein leben. Und der Weg in den Süden ist weit.«
»Das interessiert mich doch nicht«, sagte ich und dachte daran, daß sie dieselben Worte gebraucht hatte, als ich sie auf das Schicksal der rothäutigen Jäger aufmerksam machte, die auf die Herde von Tancred angewiesen waren.
»O nein!« schluchzte sie. »Bitte! Ohne einen Mann, der mich schützt und mir zu essen gibt, bin ich verloren!«
»Was für ein hübsches Ding du bist!« sagte ich spöttisch.
»Ich will ja auch nicht als freie Frau mitkommen!« rief sie.
»Ach? Weißt du überhaupt, was du da sagst?«
»Ja«, flüsterte sie. »Ich bitte dich, deine Sklavin sein zu dürfen.« Sie begann zu weinen.
Ich blickte sie an.
»Bei einem Mann von deiner Macht könnte ich nichts anderes sein als eine Sklavin.«
»Das gilt gegenüber jedem Goreaner«, sagte ich.
»Ja, ja!« rief sie.
»Sind dir die Rituale der Versklavung bekannt?« fragte ich.
»Ich, Sidney Anderson von der Erde, unterwerfe mich Tarl Cabot von Gor als Sklavin, vorbehaltlos.«
Ich erkannte, daß sie sich insgeheim gefragt hatte, wie es sich anfühlen mochte, Sklavin zu sein. Sie hatte sich mit der Angelegenheit beschäftigt. Ein gutes Vorzeichen.
Ein wunderschönes, exquisites kleines Ding, so hockte sie vor mir.
Ich nahm ein Stück Lederschnur und band es ihr einige Male verknotet um den Hals. Dies war ihr Kragen; zugleich gaben die Knoten darüber Auskunft, daß sie mir gehörte.
Sie blickte furchtsam zu mir auf. Sie war meine Sklavin.
Ich fuhr ihr mit den Händen durch die Haare. »Du bist Arlene«, sagte ich.
Sie erbebte. »Ja… Herr«, antwortete sie.
Dann warf ich sie rücklings in den Schnee, um sie zu lehren, was der Sklavenkragen bedeutete.
12
Am meisten machte mir wohl das Fehlen von Blumen zu schaffen.
Etwa fünf Tage, nachdem ich die Sklavin Arlene unterworfen hatte, erreichte ich den Rand des Axtgletschers. Dort stieß ich auf das Lager Imnaks, der Fingerhut und Distel bei sich hatte.
»Ich habe auf dich gewartet«, sagte Imnak. »Ich dachte mir schon, daß du kommen würdest.«
»Warum?«
»Ich habe die Felle und Vorräte gesehen, die du an der Mauer für dich auf die Seite legtest«, antwortete er. »Du hast im Norden etwas zu erledigen.«
»Ganz recht.«
Er fragte nicht weiter. Er war ein rothäutiger Jäger. Er wußte, daß ich ihm meine Pläne erzählen würde, wenn ich es wollte. In einem Beutel an seinen Gürtel befand sich die kleine Schnitzerei aus bläulichem Stein, der Kopf eines Kur mit einem halb abgerissenen Ohr.
»Ich hatte gehofft, daß du auf mich warten würdest«, sagte ich. »Ein Mann wie ich könnte Probleme haben, das Eis zu überqueren.«
Ich wußte, daß er mich dabei beobachtet hatte, wie ich meinen Rucksack packte.
Imnak grinste. »Du hast die Tabuk befreit.« Dann wandte er sich an seine Mädchen. »Baut das Lager ab!« befahl er. »Ich will nach Hause.«
Mit Imnaks Hilfe würden wir den Axtgletscher überqueren und die Innuit finden, wie sie sich nannten, ein Wort, das in ihrer Sprache »das Volk« bedeutet. Ich mußte daran denken, daß sich Zarendargar in der an mich gerichteten Botschaft als »Kriegsgeneral des Volkes« bezeichnet hatte. Damit hatte er vermutlich sein eigenes Volk oder seine Rasse gemeint, ein Begriff, der nicht ungewöhnlich ist. Die Innuit kennen außerdem keine »Kriegsgeneräle«. Das Kriegführen ist ihnen im Grunde fremd. Im allgemeinen leben sie in kleinen Gruppen. Angesichts der Weite ihrer Heimat wäre jeder Krieg sinnlos gewesen. Im Norden brauchte man Freunde, keine Feinde. Die geringe Größe der Gruppen führt zu einer strikten sozialen Kontrolle, die darüber hinaus kriminelle Entwicklungen gar nicht erst entstehen läßt.
Ich blickte über das Eis des Axtgletschers. Dahinter lag das weite polare Becken.
Der Norden ist ein abweisendes Land. Wenn man ständig damit beschäftigt ist, sich der harten Natur zu erwehren, bleibt wenig Raum, sich dem Luxus der Kriegführung hinzugeben. Überdies schienen die Innuit von ihrer Kultur wie auch Rasse her gar nicht dazu geeignet, gewalttätig vorzugehen. Sie schienen mir ein freundliches, liebenswürdiges Volk zu sein. Feindseligkeit ist ihnen fremd. Gäste werden auf das Herzlichste begrüßt und großzügig bewirtet. Natürlich sind auch sie nicht ohne Fehler, doch scheinen die Innuit im großen und ganzen glücklich und zufrieden zu sein. Vielleicht leben sie deshalb in dieser Landschaft. Vielleicht sind sie nicht in der Lage oder willens, sich mit aggressiven Gruppierungen auseinanderzusetzen. Ihre Zurückhaltung, so sieht es aus, hat dazu geführt, daß sie ans Ende der Welt gedrängt wurden. Wo niemand anders leben will, haben die Innuit, gesellig und liebevoll, ihre öde Zuflucht gefunden.
Imnaks Peitsche senkte sich auf Fingerhuts nackten Rücken. Das blonde Mädchen, das in einem früheren Leben einmal Barbara Benson gewesen war, verstärkte ihre Anstrengungen, den Schlitten zu beladen. Distel, das dunkelhaarige Mädchen, das früher Audrey Brewster geheißen hatte, sputete sich ebenfalls, um nicht auch bestraft zu werden.
Die rothäutigen Jäger sind zwar sanftmütig, doch ihren Sklavinnen erlegen sie eine strikte Disziplin auf.
»Wie ich sehe, hast du auch ein Geschöpf«, sagte er und blickte an mir vorbei auf die liebliche Arlene.
Im dünnen Schnee stand sie verängstigt vor dem rothäutigen Jäger. Sie trug eine ärmellose Pelzjacke, mit Lederschnur zusammengehalten, Beinkleidung aus Fell und Lederstücke, die sie sich um die Füße gebunden hatte. Sie begriff noch nicht einmal, daß sie jetzt eigentlich niederknien mußte.
»Die Sachen werden im Norden nicht genügen«, sagte Imnak.
»Vielleicht kannst du ihr beibringen, sich geeignetere Kleidung zu nähen«, schlug ich vor.
»Ich habe meine Mädchen darin unterwiesen«, antwortete er. »Sie werden es ihr zeigen.«
»Vielen Dank«, sagte ich.
Es war unter der Würde eines Mannes, einem Mädchen das Nähen beizubringen.
»Wie ich sehe, trägst du das Leder am Hals«, sagte Fingerhut zu Arlene.
»Und ich sehe, daß deine Brüste unbedeckt sind«, antwortet« Arlene.
»Zieh deine Jacke aus!« wies ich Arlene an. Widerstrebend gehorchte sie meinem Befehl. Imnak riß die Augen auf. Er begrüßte es sicher, daß dieses hübsche Mädchen ab sofort zu unserer Gruppe gehörte.
»In die Geschirre«, sagte Imnak.
Fingerhut und Distel bückten sich und legten sich die breiter Zugbänder über die Schultern.
»Ihr seid wie Tiere, ja?« rief Arlene.
»Kannst du noch ein Zuggeschirr anbringen?« fragte ich Imnak.
»Natürlich.«
Und nach kurzer Zeit stand auch Arlene zornbebend vor dem Schlitten.