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Imnak ließ die Peitsche knallen, und die Mädchen stemmten sich in die Bänder. Der schwer beladene schmale Schlitten setzte sich auf dem Gestein in Bewegung und glitt dann auf das Eis des Axtgletschers, Imnak und ich hielten den Schlitten von hinten fest, damit er nicht zu schnell bergab fuhr. An dieser Stelle war das Eis des Axt-Gletschers von vielen tausend Tabuk-Hufen zertrampelt worden, eine gut hundertundfünfzig Meter breite Spur: Wir würden der Herde folgen. Wir brauchten zehn Tage für die Überquerung des Axtgletschers. In den Bergen des Nordens gibt es viele Eisformationen und auch Gletscher, doch der Axtgletscher ist auf jeden Fall der breiteste und bekannteste. Wie gefrorene Flüsse oder Seen aus Eis neigen sich diese Gletscher der Küste des Thassa entgegen das Meer suchend, einige Fuß weit im Jahr vorrückend, unmerklich wie Gestein. Mehr als einmal hörten wir ein unvorstellbar lautes Dröhnen und Krachen, wenn riesige Eisstücke, hundert Fuß oder breiter, vom Rand der Eisschicht abbrachen und ins Meer stürzten. Auf diese Weise entstehen Eisberge. Diese riesigen Brocken, teilweise groß wie ein Gebirge, wurden dann von den Meeresströmungen ergriffen und ins Nordmeer getrieben, den nach Osten reichenden Arm des Thassa am polaren Becken. In diesem Nordmeer sollte es einen »Berg, der sich nicht bewegt« geben, sofern es sich nicht um eine Erfindung handelte, ein Eisberg, der angeblich weder von den Winden, noch von den starken Wasserströmungen vom Platz bewegt werden konnte. Manchmal sahen wir das Meer sogar von unserer Position aus – dunkle Wasserflächen, mit weißen Eisbergen durchsetzt. Einige Eisberge ragen gut dreihundert Meter hoch in die Luft und sind oft viele Meilen lang. Noch eindrucksvoller erscheinen diese Größenordnungen und die Kräfte, die sie hervorgebracht haben, wenn man sich klarmacht, daß das oberhalb der Wasserlinie sichtbare Eis nur ein Bruchteil des Volumens darstellt, das sich unterhalb der Meeresoberfläche befindet. Das Süßwassereis, aus dem diese Eisberge entstehen, ist nicht so dicht wie das Salzwasser, in dem sie schwimmen; es hat nur etwa sieben Achtel des Gewichts. So befindet sich bei jedem Eisberg siebenmal mehr Masse unter der Wasseroberfläche, als darüber. Diese Eisbrocken sind wie bewegliche Riffe und können der Schiffahrt gefährlich werden. Trotzdem fallen ihnen nur wenige goreanische Schiffe zum Opfer, die im allgemeinen sehr flach gebaut sind, so daß sie gefahrlos sehr nahe an die Eisberge heranfahren können. Außerdem entgeht manches goreanische Schiff einer Katastrophe dadurch, daß es beim Zusammenprall nicht zerschellt, sondern wegen seiner flachen Bauweise zuweilen auf das Eis hinaufgleitet. Darüber hinaus sind solche Boote wegen ihres geringen Gewichts sehr manövrierfähig und können daher einem auftauchenden Hindernis auf viel geringere Entfernung noch ausweichen. Ferner ist es in der goreanischen Schiffahrt üblich, von einigen Ausnahmen abgesehen, die Boote nachts an Land zu nehmen, so daß sie außer Gefahr sind, wenn die Sicht besonders schlecht ist; können sie nicht landen, legen sie zuweilen die Masten um und werfen Anker. Im übrigen sind die meisten goreanischen Schiffe mit Rudern versehen, so daß die Besatzung im Notfall nicht dem Wind ausgeliefert ist und sich mit Ruderkraft von Eis befreien kann. Schließlich lassen sich nur wenige goreanische Schiffe in den Monaten der Dunkelheit in nördlichen Gewässern blicken, und hoch im Norden friert das Meer zu. Der Eisberg ist für die Schiffe weniger gefährlich als das Meer selbst, wenn es zuzufrieren beginnt. Wird ein Schiff im Eis gefangen, muß es ständig freigehauen werden, um nicht dem Druck des Eises ausgeliefert zu sein; die sich verschiebenden Eisschichten können es wie brüchige Aste zermalmen.

»Har-ta!« trieb Imnak die Mädchen zur Eile an. Manchmal sprach er goreanisch zu ihnen, manchmal seinen Heimatdialekt Imnak beherrschte das Goreanische recht gut. Er war mehr als einmal in den Süden gezogen, um Felle und Häute zu verkaufen.

Die meisten rothäutigen Jäger beherrschen die Sprache nicht.

Imnak und ich halfen mit, indem wir uns gegen die hölzernen Pfähle am Heck des Schlittens stemmten.

Imnak wollte natürlich, daß Fingerhut und Distel goreanisch sprachen. Würde ein weißer Händler nicht mehr für sie bezahlen, wenn sie seine Befehle verstanden?

Die Spitze des Schlittens richtete sich nach oben und zeigte dann wieder auf die Ebene der felsigen Einöde des Nordens. Der Axtgletscher, ausufernd wie die gefährliche Klinge einer Torvaldsland-Axt, lag nun hinter uns.

»Har-ta!« rief Imnak. Wir setzten unseren Weg fort.

Mehrere Bergketten erstreckten sich östlich und nördlich von Torvaldsland, jeweils miteinander verbunden und ineinander übergehend. Der Axtgletscher verläuft in einem Tal zwischen zwei solcher Gebirge. Sämtliche Bergketten zusammengenommen werden zuweilen Hrimgar-Berge genannt, was auf goreanisch Barriere-Gebirge bedeutet. Es handelt sich allerdings nicht um eine Barriere, wie zum Beispiel die Voltaj-Berge oder die Thentis-Berge oder das Ta-Thassa-Gebirge. Die Hrimgar-Berge sind bei weitem nicht so zerklüftet oder unüberwindlich wie jene anderen Gebirgsformationen und sind von zahlreichen Pässen durchzogen. Einer dieser Pässe, durch den wir gingen, heißt der Paß von Tancred, denn ihn benutzt auch die Herde von Tancred bei ihrer jährlichen Wanderung. Vier Tage nach Verlassen des Axtgletschers erreichten wir den Scheitelpunkt des Passes von Tancred, links und rechts von den Hrimgar-Bergen gesäumt. Dahinter neigte sich die Paßebene und in der Ferne erstreckte sich die Tundra des polaren Beckens. Sie ist viele tausend Pasangs breit und viele hundert tief; sie erstreckt sich weit über alle Horizonte bis zur Südküste des Nordmeeres.

Es war wohl ein sehr bewegender Augenblick für Imnak. Er blieb mitten im Paß stehen und verweilte lange Zeit reglos, den, Blick starr auf die Weite der kalten Tundra gerichtet.

»Ich bin zu Hause«, sagte er schließlich.

Dann schoben wir den Schlitten weiter.

Ich paßte wohl nicht auf, wohin ich ging. Ich beobachtete den Burschen, der in die Pelzdecke geschleudert wurde. Der Lederball traf mich in den Rücken. Aber dabei blieb es nicht. Im nächsten Augenblick hämmerte eine kleine Frau des rothäutigen Jägervolks zornig darauf herum. Sie ließ meinen Rücken erst in Ruhe, als ich mich umdrehte und sie dadurch gezwungen war, auf meine Brust zu hauen. Nach einer Weile hielt sie inne und begann mich lautstark auszuschimpfen.

In gewisser Weise bin ich schon froh, daß Worte weniger gefährlich sind als Pfeile und Dolche, sonst hätte sie gewiß wenig von mir übriggelassen. Jedenfalls war sie es nach einer Weile leid und schloß den Mund. Die Blicke und Bemerkungen der Zuschauer ließen erkennen, daß sie ganze Arbeit geleistet hatte.

Zornig blickte sie mich an. Sie trug die hohen Pelzstiefel und kurzen Fellhosen einer Frau aus dem Norden. Da wir nach dem Empfinden dieses Volkes einen heißen Tag hatten, trug sie wie die meisten Frauen der roten Jäger keine Oberbekleidung. Um ihren Hals hingen einige Bänder. Sie war recht hübsch und ihr Temperament hätte einen weiblichen Sleen in den Schatten stellen können. Ihre Kleidung war ziemlich verschlissen. Ihre ganze Art und ihre spitze Zunge ließen dagegen erkennen, daß sie eine bedeutsame Persönlichkeit war. Später sollte ich erfahren, daß unverheiratete Töchter einflußreicher Männer oft die ärmlichsten Felle tragen mußten – vielleicht als Ermutigung für die Mädchen, so anziehend wie möglich auf die Männer zu wirken. Es obliegt nämlich dem männlichen Partner oder Ehemann der Frauen, sie gut einzukleiden. Im Falle meiner temperamentvollen Kritikerin hatte dieses Prinzip aber offensichtlich noch nicht funktioniert – und das überraschte mich nicht. Der Mann, der ihr Festkleidung schenkte, mußte schon eine gehörige Portion Mut mitbringen.

Sie warf den Kopf in den Nacken und wandte sich ab. Wie die meisten Frauen der rothäutigen Jäger trug sie das Haar zu einem Knoten gebunden oben auf dem Kopf.

»Du hast ihr den Schuß verdorben«, sagte ein Mann zu mir.

»Das tut mir leid«, gab ich zurück.