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Ich glaubte einen Schrei zu hören, wußte es aber nicht genau. Das Heulen des Windes war zu laut.

Imnak zerrte mit voller Kraft an den Schlittenstangen, und auch ich versuchte das Gefährt zu bremsen. Der Schnee-Sleen blieb stehen. Ich ertastete die Leinen Audreys und Arlenes und zerrte sie zum Schlitten. Dann ging ich nach vorn. Der Sleen hatte sich im wirbelnden Schnee bereits zusammengerollt. Sein Fell zitterte unter meiner Hand. Das Tier würde bald einschlafen. Der Schnee ging mir fast bis zu den Knien. Ich tastete mich am Schlitten entlang nach hinten. Imnak rief mir etwas zu, doch ich verstand nichts. Ich ertastete Audrey und Arlene, die sich am Schlitten niedergekauert hatten. Ich ging hinten um den Schlitten herum. Zu sehen war nichts. Der Wind heulte. Auf der anderen Seite ertastete ich mit vorgestreckten Armen Poalu, die wie die anderen Frauen im Schnee hockte. Neben mir tauchte Imnak auf und drückte mir eine Leine in die Hand. Ich zog sie zu mir heran. Barbara war fort. Das Ende der Leine war abgeschnitten worden. Ich machte Anstalten, in den Schnee hinauszustapfen, um sie zu suchen, doch Imnak stellte sich mir in den Weg und schob mich zurück. Ich leistete keinen Widerstand, denn er hatte natürlich recht. Es wäre Wahnsinn, in der heulenden Dunkelheit von Schnee und Wind nach ihr zu suchen. Die eigene Spur mußte nach wenigen Sekunden verdeckt sein, so daß man Gefahr lief, den Rückweg zum Schlitten nicht mehr zu finden.

Den anderen Mädchen wurde wohl sofort bewußt, daß Barbara verschwunden war. Poalu, die am Ende ihrer Kräfte war, schlummerte neben dem Schlitten schnell ein. Auch die anderen Mädchen schliefen.

»Was sollen wir tun?« brüllte ich Imnak zu, indem ich meinen Mund näher an seine Schläfe führte.

»Wir werden schlafen und aufpassen«, rief er zurück.

Darauf fand ich nicht sofort eine Antwort. Ich wollte nicht recht glauben, was er da eben gesagt hatte.

»Bist du müde?« fragte Imnak.

»Nein!« brüllte ich.

»Dann wachst du als erster! Ich schlafe!«

Ich stand neben dem Schlitten. Imnak legte sich daneben nieder. Ich konnte kaum glauben, daß er unter diesen Umständen schlafen konnte, und doch schien ihm das innerhalb weniger Augenblicke zu gelingen.

Nach einer Weile hockte ich mich im Windschatten des Schlittens nieder und starrte in die Dunkelheit.

Der Wind pfiff. Ich fragte mich, wie lange Ram noch weitergefahren war. Karjuk hatte ich vorhin nicht mehr gesehen. Ich fragte mich, wo Barbara steckte. Ich glaubte nicht, daß sie in der Wildnis herumirrte. Die Leine war säuberlich durchgeschnitten worden. Die hübsche blonde Sklavin war gefangengenommen worden, doch ich wußte nicht, von wem oder was.

Nach einiger Zeit erwachte Imnak. »Jetzt schlaf«, sagte er. »Ich übernehme die Wache.«

Und ich legte mich hin. Imnaks Hand lag auf meiner Schulter; ich erwachte.

»Schau dir mal den Sleen an«, sagte Imnak.

Das Tier, das etwa neun Fuß lang war, zeigte sich wach und unruhig. Die Ohren hatte es aufgestellt, die Nüstern bewegten sich zuckend. Aus den breiten und weichen Pfoten ragten die Klauen und wurden wieder eingezogen. Zornig schien das Tier nicht zu sein.

Es hob die Schnauze in den Wind.

»Es hat irgendeine Witterung aufgenommen«, sagte ich.

»Er ist erregt, aber nicht beunruhigt«, sagte Imnak.

»Was hat das zu bedeuten?«

»Daß wir in großer Gefahr sind. Es gibt andere Sleen in der Nähe.«

»Aber wir sind doch weit draußen auf dem Eis.«

»Um so größer ist die Gefahr.«

»Ich verstehe«, sagte ich. Wenn der Sleen andere Sleen witterte, so mochte es sich um ein oder mehrere Tiere handeln, die vom Hunger auf das Eis hinausgetrieben worden waren. Solche Tiere waren natürlich sehr gefährlich.

»Vielleicht sind Karjuk oder Ram in der Nähe«, sagte ich.

»Unser Sleen kennt Karjuks und Rams Tiere«, sagte er. »Bei ihnen würde er sich nicht so aufregen.«

»Was können wir tun?«

»Wir müssen uns schleunigst einen Schutzwall bauen«, sagte Imnak und stand auf. Die Mädchen schliefen noch immer. Das Unwetter war vorbei, und das Licht der Monde spiegelte sich hell auf Schnee und Eis. »Die Zeit ist knapp«, fuhr er fort.

In der Nähe des Schlittens zeichnete Imnak mit dem Stiefelabsatz einen etwa zehn Fuß durchmessenden Kreis in den Schnee. »Im Kreis trampelst du den Schnee fest«, sagte er. »Dann lädst du den Schlitten ab und stapelst unsere Vorräte im Kreis auf.«

Ich kam seiner Aufforderung nach, während Imnak mit einem großen, krummen und mit Sägezähnen versehenen Knochenmesser, einem Schneemesser, in einer nahegelegenen Schneewehe herumsäbelte.

Die Unruhe unseres Sleen steigerte sich noch mehr, und er begann Laute auszustoßen.

»Hör mal!« sagte Imnak. Ich horchte. Durch die kalte, stille Luft tönte ein Jaulen; ich wußte nicht, wie weit es entfernt war.

»Sie verfolgen eine Spur?« fragte ich.

»Ja.«

»Unsere.«

»Anzunehmen ist es«, meinte er.

Er begann Schneeblöcke aus der Wehe zu lösen und stellte sie an der Grenze der Fläche, die ich niedertrampelte, im Kreis auf. Der erste Block war am schwierigsten herauszulösen. Die erste Reihe Blöcke war jeweils etwa zwei Fuß lang und je einen Fuß breit und hoch.

Audrey schrie auf, und ich fuhr zusammen. Imnak eilte mit dem Schneemesser zu ihr.

»Wo ist Barbara!« rief Audrey außer sich. »Sie ist fort!« Ihr Gesicht war entsetzt verzerrt. In der Hand hielt sie die abgeschnittene Lederleine. Sie war aufgewacht, hatte das Lederstück gefunden, seine Bedeutung erkannt und losgeschrien.

Imnak versetzte ihr einen Schlag, und sie sank vor ihm in den Schnee, noch immer am Schlitten festgebunden.

Imnak stand über ihr, den Kopf horchend geneigt. Das Jagdgebell der fernen Sleen hatte sich irgendwie verändert. Es klang beinahe erneuert, voller Energie und frischem Mut.

Imnak zerrte Audreys Kapuze zurück, krallte die Hände in ihr Haar und schüttelte sie. Dann stieß er sie zornig in den Schnee.

Kein Zweifel – ein Sleenrudel jagte auf uns zu.

Die Spur, der es folgte, war zweifellos sehr vage und schwierig, ein Hauch, der in der Luft lag und nur sehr schwach eine Richtung anzeigte. Der Sturm hatte die Schlittenspuren und anderen typischen Abdrücke verweht. Durch Audreys Schrei hatte das Rudel nun einen klaren akustischen Hinweis auf uns, ein Zeichen, das sowohl die ungefähre Entfernung wie auch die Richtung anzeigte. Daß die Sleen darauf reagierten, zeigte sich in der plötzlichen Veränderung ihres Jagdgebells. Sie hatten ihre Beute sozusagen klar im Visier.

Audrey lag schluchzend im Schnee.

Ich lauschte auf die Sleen.

Imnak setzte den ersten Schneeblock der zweiten Reihe über die Fuge zwischen zwei Blöcken in der ersten Reihe; die Blöcke der zweiten Reihe waren etwas kleiner.

»Barbara ist fort«, sagte Arlene zu mir. Sie stand dicht neben mir.

»Ja«, sagte ich.

»Wo ist sie?«

»Die Leine ist durchgeschnitten worden. Jemand hat sie entführt.«

»Wohin?«

»Das weiß ich nicht.«

»Wir sollten umkehren«, flehte sie.

Ich nahm sie in die Arme und blickte ihr in die Augen. Einen Augenblick lang spürte ich Zärtlichkeit in mir aufsteigen. Aber dann besann ich mich darauf, daß sie eine Sklavin war.

»Verzeih mir, Herr«, sagte sie und kniete nieder.

»Selbst wenn wir umkehren wollten«, sagte ich, »würden wir es wohl nicht mehr schaffen.«

»Ich höre Sleen«, sagte sie.

»Ja.«

»O nein!«

Ich horchte. Das jaulende Gebell der Bestien war inzwischen recht deutlich zu hören.

»Wieviel Zeit haben wir noch?« fragte ich Imnak.

Er antwortete nicht, sondern schnitt hastig seine Eisblöcke aus dem Schnee. »Binde Poalu und die anderen los«, sagte er schließlich.

Ich kam seiner Aufforderung nach und befahl Arlene, mir beim Verladen der Vorräte in den Eisring zu helfen.

Poalu kniete im Kreis zwischen unseren Hab Seligkeiten und machte sich an der Lampe zu schaffen. Sie schlug Feuersteine zusammen, ließ Funken in Zunder fallen, getrocknetes Gras aus Sommergras. Die Lampe flackerte.