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»Genau«, sagte er. »Du hast es getroffen. Diese Absicht habe ich nicht.«

»Imnak hat keine Angst vor dem Sleen des Todes«, sagte Poalu.

»Wenn er zu mir kommt«, meinte Imnak, »schirre ich ihn vor meinen Schlitten.«

»Ich würde stolz sein, neben dir zu sterben, Imnak«, sagte ich.

»Aber noch besser eigne ich mich als jemand, neben dem du leben solltest«, meinte Imnak. »So sehe ich die Dinge.«

»Das kann ich akzeptieren«, sagte ich.

Ich blickte in Arlenes Augen.

»Gibt es keine Hoffnung?« fragte sie.

»Ich fürchte, es ist alles verloren«, sagte ich. »Ich wünschte, du wärst nicht bei uns.«

Sie lehnte den Kopf an meinen Arm und blickte zu mir auf. »Eigentlich möchte ich an keinem anderen Ort sein«, sagte sie.

»Ich wäre jetzt lieber im Festhaus«, warf Imnak ein.

»Es ist noch nicht alles verloren«, sagte Poalu.

Ich schaute über das Eis und begriff plötzlich die schreckliche Präzision der Sleenfalle, die Imnak so hastig errichtet hatte, während sich das Rudel bereits unserem Schutzwall näherte.

Eines der größeren Tiere umkreiste das Fleisch auf dem Messer und biß plötzlich danach, um es von der Klinge zu ziehen. Es gelang dem Tier, das Fleisch vom Messer zu lösen, dabei zerschnitt es sich aber an der scharfen Klinge das Maul. Heißes, frisches Blut tief über das Messer. Ein zweiter ausgehungerter Sleen, dessen Rippen sich durch das Fell deutlich abzeichneten, näherte sich halb wahnsinnig vor Hunger dem Messer und leckte nach dem Blut. Dabei verletzte er sich natürlich an der fest im Eis steckenden Klinge. Im Bann seines Hungers, und weiter angefeuert durch das frisch fließende Blut, gab sich der Sleen doppelte Mühe, das Blut aufzulecken. Ein größeres Tier drängte den Sleen von der Klinge, leckte ebenfalls und verletzte sich natürlich, ohne es zu wissen. Dunkles Blut, das zu gefrieren begann, bedeckte die Klinge. Ein Sleen griff das erste Tier an, das aus dem Maul blutete. In einem zornfauchenden Knäuel aus fetzendem Fell und zuschnappenden Fängen begannen die beiden Tiere zu kämpfen. Einem Sleen wurde die Kehle aufgerissen, und augenblicklich stürzten sich vier oder fünf dunkle Gestalten gierig auf das liegende Tier und schoben die reißenden, schmatzenden, fressenden Schnauzen in seinen Leib. Das Tier schrie schmerzerfüllt auf. Andere Sleen versuchten sich an der Orgie zu beteiligen und kletterten dabei über die Rücken fressender Tiere, in dem Bemühen, sich dazwischenzudrängen. Andere Sleen hasteten zum Eis. Das Blut war bereits gefroren; trotzdem kämpfen zwei Sleen darum, den scharfen Stahl abzulecken, und verwundeten sich dabei von neuem. Nun lief wieder frisches Blut an der Klinge herab. Im Lecken vermag ein Sleen seinem Leben ein Ende zu setzen, unentwegt an der Klinge leckend, bis er verblutet ist.

Arlene und Audrey wandten den Kopf ab.

Aber an diesem Abend verblutete kein Sleen als Opfer dieser einfachen und grausamen Falle. Dazu waren zu viele andere hungrige Tiere anwesend.

Wenn ein Sleen in seinen Kräften nachließ oder der Anreiz des Blutes zu stark wurde, fielen die anderen Sleen, gequält vom Hunger, über ihn her.

Nach knapp einer Ahn verließ Imnak zu meiner Überraschung unsere halb fertiggestellte Umfriedung, ging zwischen vollgefressenen und fressenden und toten Sleen hindurch zur Schneewehe und begann Blöcke zur Mauer zu schleppen. Gleich darauf folgte ich ihm. Wir gingen nur wenige Fuß entfernt an gefährlichen Schnee-Sleen vorbei, die aber kaum von uns Notiz nahmen.

Fünfzehn bis zwanzig Sleen waren getötet worden, die meisten durch Artgenossen aus dem Rudel. Die verbleibenden Tiere hatten sich an ihren Opfern sattgefressen. Einige zerrten noch an Knochen und bloßgelegten Eingeweiden herum. Mehrere Tiere waren erschöpft und übersättigt eingeschlafen.

Imnak setzte neue Blöcke auf unsere Schneemauer und schnitt schließlich kleinere Blöcke zurecht, die er brauchte, um das flache Kuppelbauwerk zu vollenden. Wenn der Schnee stimmt, dauert es nicht lange, ein solches Bauwerk zu vollenden, insgesamt brauchte er wohl vierzig oder fünfzig Minuten. Mit dem Schneemesser schloß er dann von außen die Fugen und glättete die Mauer. Drinnen hatte Poalu die Lampe wieder angezündet und schmolz bereits Schnee zu Wasser und setzte einen Topf auf, der am Kochgestell hing, um darin Fleisch heißzumachen.

25

Wir setzten unseren Weg nach Norden fort.

Vier Schlafperioden waren vergangen, seit wir unsere erste Schnee Unterkunft verlassen hatten, nach der Nacht, in der uns das Sleenrudel angriff. Vor jeder Schlafpause hatten wir einen neuen Schneebau errichtet.

Unser gezähmter Sleen hatte sich schnell wieder beruhigt; trotzdem hatten wir ihn die ganze erste Schlafperiode hindurch in den Fesseln liegen lassen und ihm das Maul nur zum Füttern aufgebunden. Erst als die wilden Sleen abgezogen waren, war unser Sleen wieder freigekommen. Imnak hatte sich das Messer zurückgeholt. Etwa fünf Sleen trieben sich noch in der Nähe herum. Aus der Ferne beäugten sie uns mürrisch.

Wir verließen unsere Schneehütte und zogen nach Norden; unser Sleen stemmte sich wieder ins Geschirr. Die fünf Sleen begleiteten uns, etwa einen halben Pasang entfernt. Von Zeit zu Zeit sahen wir sie dahinhuschen. Ihre Gegenwart erregte unseren Sleen nicht mehr, da er seinen Anfall hinter sich hatte.

»Wie faul diese Sleen doch sind!« sagte Imnak. »Sie sind eigentlich noch nicht wieder hungrig, behalten uns aber im Auge. Sie sollten Schnee-Bosks jagen oder Meeres-Sleen, die in der Sonne liegen, oder im Binnenland nach Leem suchen, die im Winterschlaf liegen.«

»Vermutlich hast du recht«, sagte ich.

»Sieh sie dir doch an!« sagte er selbstgerecht. »Sie sollten sich schämen! Kein Sleen, der etwas auf sich hält, heftet sich dermaßen an die Fersen von Menschen.«

»Du hast sicher recht«, sagte ich. Die Sleen waren zwar nicht kleinlich, doch gehörten Menschen in der Regel nicht zu ihren Lieblingsspeisen.

»Wir müssen diesen faulen, gierigen Burschen eine Lektion erteilen«, sagte er.

»Ich glaube nicht, daß wir dicht genug an sie herankommen, um ihnen etwas zu tun«, sagte ich. »Wenn sie wieder hungrig sind, kommen sie von ganz allein zu uns.«

»Aber dann sind sie äußerst gefährlich«, sagte Imnak. »Und sie sind zu fünft.«

»Das stimmt«, sagte ich. Es kam mir unwahrscheinlich vor, daß wir ohne Eis-Umfriedung den Angriff von fünf Schnee-Sleen überstehen würden. Beim Angriff beginnen solche Tiere im Rudel instinktiv ihr Opfer zu umkreisen und aus mehreren Richtungen gleichzeitig anzugreifen. Der Schutzbau aus Eis verwirrt sie eher, denn er hat eine Form, der keinen Angriffsimpuls in ihnen auslöst. Wenn wir im Freien überrascht wurden, konnten wir uns bestenfalls Rücken an Rücken zu verteidigen, während sich die Mädchen vor unseren Füßen niederhockten. Aber selbst dann mochten sie fortgezerrt werden. Die größten Chancen hatten wir wohl, wenn uns ein Hang im Packeis den Rücken schützte.

Ehe wir uns an jenem ersten Abend in dem neuen Unterschlupf schlafen legten, nahm Imnak aus seiner Ladung mehrere Streifen geschmeidigen Fischbeins – Produkt des letzten Wals, den wir hatten an Land holen können. Imnak hatte die Streifen aus dem ständigen Lager mitgebracht. Den Grund dafür kannte ich nicht.

»Was machst du da?« fragte ich.

Er arbeitete im Licht der Lampe.

»Paß auf!« sagte er.

Er nahm einen etwa fünfzehn Zoll langen Fischbeinstreifen und spitzte mit dem Messer beide Enden an, bis sie scharf waren wie Klingen. Dann faltete er das Fischbein sorgfältig in S-förmigen Linien zusammen. Die Geschmeidigkeit der Masse ließ dies zu, sie stand aber unter großer Spannung und hätte sich, wenn losgelassen, sofort explosionsartig gestreckt und die ursprüngliche Form wieder angenommen. In der gespannten Form band Imnak das Fischbein mit haltbarer Tabuksehne zusammen. Auf diese Weise entstand eine kräftige Sprungfeder, die in zusammengedrückter Position gehalten wurde. Wenn die Sehne brach, wollte ich lieber nicht in der Nähe des komprimierten Streifens sitzen.