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»Ja, aber ich glaube es nicht.«

»Ich auch nicht«, sagte sie. »So etwas ist unmöglich.«

»Warum bist du allein im Zelt? Warum arbeitest du nicht?«

»Ich verstecke mich.«

»Du brauchst keine Angst zu haben. Cankas Probleme haben mit dir nichts zu tun.«

»Nicht deswegen habe ich Angst.«

»Hast du eine Ahnung, wo Grunt sein könnte?«

»Vielleicht bei Mahpiyasapa. Er hat das Zelt verlassen, nachdem er von Cankas angeblichem Anschlag erfahren hatte.«

»Das ist ein guter Gedanke!« rief ich. »Ich gehe zu Mahpiyasapas Zelt!« Als ich mich schon zum Gehen wandte, fuhr ich noch einmal zu dem Mädchen herum. »Warum versteckst du dich?«

»Ich habe ihn gesehen!« flüsterte sie.

»Canka?« fragte ich überrascht.

»Nein. Waiyeyeca, Mann-der-viel-findet, meinen früheren Herrn!«

»Du hast schon im Besitz mehrerer Herren gestanden«, sagte ich.

»Ich habe dir von ihm erzählt, als wir uns kennenlernten, kurz nachdem mich mein Herr Grunt am Tauschpunkt erstanden hatte.«

»Der Junge?« fragte ich.

»Ja.«

»Ich erinnere mich.« Vor langer Zeit, an einer Handelsstelle der Staubfüße, hatte Grunt Wasnapohdi gegen drei gute Äxte eingetauscht. Bei unseren anschließenden Gesprächen hatte sie mir einen Teil ihrer Geschichte erzählt. Sie war in einem Waniyanpi-Lager der Kailiauk geboren und später von einem Kaiila-Krieger gekauft worden – im Alter von acht Jahren. Der Mann hatte sie mit nach Hause genommen und seinem zehnjährigen Sohn als Sklavin überlassen. So hatte sie es früh gelernt, Männern zu dienen und sie zu beruhigen. Als Kinder waren die beiden aber noch eher Spielgefährten gewesen, ehe sie ihre wahre Beziehung zueinander entdeckten.

Wasnapohdi senkte zitternd den Kopf.

Der junge Herr und seine Sklavin hatten sich damals wohl sehr geliebt. Seine Zuneigung zu dem Mädchen, die nur eine Sklavin war, hatte ihm von seinesgleichen viel Spott eingetragen – und in diesem Punkt sind rote Krieger sehr empfindlich. So hatte er sie schließlich, vermutlich gegen das eigene Gefühl, verkauft, wonach sie mehrere Herren gehabt hatte. Schließlich war sie, wie erwähnt, von Grunt gekauft worden.

»Er heißt Waiyeyeca?« fragte ich.

»Ja.«

»Aus welcher Bande?«

»Napoktan, die Armbandbande.«

»Aha.« Das Gebiet dieser Krieger liegt ungefähr nordwestlich des Kaiila-Flusses, im Norden seiner nördlichen Abzweigung, allerdings östlich des Schlangenflusses. Napoktankrieger tragen im allgemeinen zwei Kupferbänder am linken Unterarm.

»Hat er dich gesehen?« wollte ich wissen.

»Nein.«

»Liebst du ihn noch immer?«

»Ich weiß es nicht. Schließlich ist das alles lange her, viele Jahre. Er hat mich verkauft!«

»Und warum versteckst du dich?«

»Ich habe Angst, daß er mich sieht. Er hat mich verkauft, obwohl ich ihn liebte! Ich möchte diese alten Wunden nicht wieder aufreißen!«

»Unsinn!« sagte ich. »Du suchst nur nach einem Vorwand, deine Arbeit liegenzulassen. Was hatte Grunt dir aufgetragen?«

»Ich sollte seine Waren säubern«, antwortete sie.

»Im Zelt oder draußen?«

»Wahrscheinlich draußen, damit ich besser sehe, was ich tue.«

»Dann geh nach draußen und befolge den Befehl!«

Ich stand auf und eilte weiter. Ich wollte Grunt finden, um ihn nach der Bedeutung der von Oiputake erhaltenen Informationen über die Identität der Gelbmesser zu befragen.

»Tatankasa!« rief ein kleiner Junge. »Wirf mir den Ring! Wirf mir den Ring!«

»Hast du den Händler Wopeton gesehen?« fragte ich.

»Nein. Aber wirf mir den Ring!«

»Verzeih mir, kleiner Herr«, sagte ich. »Aber ich habe Dringendes zu tun.«

»Na schön.«

Im Eilschritt näherte ich mich dem Zelt Mahpiyasapas.

»Halt!« rief ein junger Mann.

Ich blieb stehen und sank vor dem Rufer auf die Knie. Es war der leitende Bewacher der Sklavinnen, aus deren Mitte ich mir das blonde Mädchen herausgesucht hatte – bevollmächtigt durch die perlenbesetzte Peitsche.

»Sei gegrüßt«, sagte er.

»Sei gegrüßt, Herr.«

»Die blonde Sklavin, die du dir nahmst«, sagte er, »ist nicht mehr bei der Herde. Sie wurde verschenkt, und ihr neuer Herr ist angeblich sehr zufrieden mit ihr. Anscheinend dient sie ihm jetzt als wertvolle Sklavin in seinem kleinen Zelt.«

»Das ist eine gute Nachricht, Herr«, sagte ich.

»Diesen Aufstieg hat sie bestimmt dir zu verdanken«, sagte der junge Mann. »Du hast das Eis in ihrem Bauch schmelzen lassen. Du hast sie zu einer Frau gemacht, die die Männer braucht.«

»Danke, Herr.«

»Sie hat den Namen Oiputake erhalten.«

»Ja, Herr«, sagte ich und fügte plötzlich hinzu: »Herr?«

»Ja?«

»Warum bist du im Lager – ich meine, warum ausgerechnet um diese Tageszeit?«

»Die Mädchen sind ins Lager geholt worden«, sagte er, »an den Rand der Siedlung.«

»Und die Wächter und Tierherden?«

»Wurden ebenfalls ins Lager geholt.«

»Warum?«

»Watonka hat das alles angeordnet«, antwortete der junge Mann.

»Somit ist die Westgrenze des Lagers unbewacht«, sagte ich. Die Isanna waren für die Sicherheit des Außenbezirks verantwortlich.

»Keine Sorge«, sagte der Junge, »wir haben die Zeit der Feste.«

»Hast du den Händler Wopeton gesehen?« fragte ich.

»Nein.«

»Darf ich gehen?«

»Aber ja doch«, sagte der junge Mann verwirrt.

Ich sprang auf und setzte meinen eiligen Weg zu Mahpiyasapas Zelt fort. Dabei kam ich bis auf hundert Meter an das große Tanzzelt heran, das aus hoch aufragenden Astmauern bestand. Drinnen befand sich der Stamm, drinnen tanzten die jungen Krieger, angemalt und herausgeputzt.

»Mahpiyasapa ist nicht hier«, sagte die Frau, die in der Nähe seines Zeltes kniete – eine seiner Ehefrauen. Ihre knochigen Finger umklammerten ein Gerbmesser. Sie schärfte das Gerät auf einem Stein. Das Messer wies sechs Punkte auf, die anzeigten, das es schon sechs Jahre in Gebrauch war. Zwei Finger waren am ersten Gelenk abgeschnitten: sie hatte zwei Söhne verloren.

»Weißt du, wo er ist?« fragte ich.

»Nein.«

»Danke, Herrin.« Ich stand auf und trat zurück. Ich wußte nicht mehr, was ich tun sollte, an wen ich mich noch wenden konnte.

»Warum sollte er nicht im Rat sein?« fragte sie, ohne den Kopf zu heben.

»Natürlich!« rief ich. »Sei bedankt, Herrin!«

»Es wird dir nichts nützen«, meinte sie. »Du kannst ihn nicht sprechen, wenn er dort ist. Das ist nicht gestattet.«

»Eigentlich suche ich ja Wopeton. Könnte der auch im Rat sein?«

»Möglich ist es«, sagte sie achselzuckend, ohne den Blick von ihrer Arbeit zu heben.

»Vielen Dank, Herrin, du bist sehr freundlich zu mir gewesen.«

»Wenn er im Rat ist, wirst du ihn ebensowenig sprechen können.«

Ich wandte mich ab und eilte weiter. Sie hatte mir sehr weitergeholfen. Stets daran denkend, daß dies der Tag des großen Tanzes war – vermutlich wegen Cuwignakas großer Vorfreude darauf – und daß die von Oiputake erhaltenen Informationen wirklich Schlimmes verhießen, hatte ich völlig vergessen, daß heute auch der Friedensrat stattfinden sollte, ein Tag, der zumindest ansatzweise die Ratifikation eines Friedensvertrages zwischen den Gelbmessern und den Kaiila bringen sollte. Mit schnellen Schritten näherte ich mich dem Ratszelt. Ich wußte nicht, ob ich Mahpiyasapa aus dem Rat würde rufen können, oder ob dies überhaupt ratsam war, doch ich war zuversichtlich, daß ich irgendwie an Grunt herankommen könnte, wenn er sich dort befand.

Grob stießen mich die beiden Krieger zurück. »Knie nieder!« fauchte einer.

Hastig gehorchte ich. Blanker Messerstahl funkelte.

»Verzeiht, ihr Herren«, sagte ich. »Ich muß unbedingt Wopeton sprechen.«

»Er ist nicht drinnen«, sagte ein Krieger.

»Dann gebt bitte weiter, daß ich dringend mit Mahpiyasapa sprechen muß!«

»Mahpiyasapa ist ebenfalls nicht im Bau«, sagte der Krieger.