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»Aber nicht Carlos, nicht der Schakal«, sagte Webb und beugte sich vor.

»Nein. Zumindest können wir keine Verbindung erkennen.«

»Was können Sie denn erkennen?« fragte Marie und setzte sich auf Davids Sessellehne. »Was haben Sie erfahren?«

»Der Beamte von MI-6 in Kowloon hatte einer Menge wichtiger Geheimpapiere in seinem Büro, die in Hongkong einen hohen Preis erzielt hätten. Aber man hat nur die Treadstone-Akte - die Akte über Jason Borowski -mitgenommen. Das war die Bestätigung, die London uns geliefert hat. Es ist, als wäre ein Signal ausgeschickt worden: Er ist der Mann, den wir wollen. Nur Jason Borowski.«

»Aber warum?« schrie Marie, und ihre Hand krampfte sich um Davids Handgelenk.

»Weil jemand umgebracht worden ist«, antwortete Webb leise. »Und weil jemand das Konto ausgleichen möchte.«

»Das ist es, woran wir gearbeitet haben«, stimmte McAllister zu und nickte. »Wir sind ein Stück weitergekommen.«

»Wer ist umgebracht worden?« fragte der ehemalige Jason Borowski.

»Ehe ich antworte, sollten Sie wissen, daß alles, was wir haben, aus den Ermittlungen stammt, die unsere Leute in Hongkong alleine angestellt haben. Im großen und ganzen ist das reine Spekulation; Beweise gibt es nicht.«

»Was soll das heißen, >alleine<? Wo, zum Teufel, waren denn die Briten? Sie haben ihnen doch die Treadstone-Akte gegeben!«

»Weil sie uns einen Beweis geliefert haben, daß ein Mann im Namen von Treadstone, im Namen eines unserer Geschöpfe, getötet hat. Sie. Sie wollten uns nicht sagen, woher die Informationen von MI-6 stammen, ebensowenig, wie wir ihnen unsere Kontakte nennen würden. Unsere Leute haben rund um die Uhr gearbeitet, jede Möglichkeit erkundet und herauszufinden versucht, wer die V-Leute des toten MI-6-Mannes waren, wobei sie natürlich davon ausgingen, daß einer von ihnen für seinen Tod verantwortlich war. In Macao kam ihnen ein Gerücht zu Ohren, das dann mehr als ein Gerücht war.«

»Noch einmal«, sagte Webb. »Wer ist umgebracht worden?«

»Eine Frau«, antwortete der Mann aus dem Außenministerium. »Die Frau eines Bankiers in Hongkong namens Yao Ming, eines Taipan, dessen Bank nur einen Teil seines Reichtums ausmacht. Er hat so viel, daß man ihn in Beijing mit offenen Armen empfangen hat, sowohl als Investor als auch als Berater. Er ist einflußreich, mächtig, und niemand kommt an ihn heran.«

»Einzelheiten des Mordes?«

»Häßlich, aber nicht ungewöhnlich. Seine Frau war eine kleine Schauspielerin, die in ein paar Filmen der Shaw-Brüder auftrat, und etliches jünger als ihr Mann. Sie war ihm treu wie ein Nerz in der Paarungszeit, wenn Sie mir nachsehen, daß -«

»Bitte«, sagte Marie, »fahren Sie fort.«

»Aber ihn hat das nicht gestört; sie war für ihn so etwas wie eine junge, schöne Trophäe. Außerdem gehörte sie dem Jet-set der Kolonie an, und darin gibt es natürlich auch unappetitliche Typen. Da wird ein Wochenende um riesige Einsätze in Macao gespielt, am nächsten Wochenende stehen die Rennen in Singapur auf dem Plan, oder man fliegt auf die Pescadores zu den Pistolenspielen in den Opiumhäusern und wettet Tausende auf die Männer, die einander an den Spieltischen gegenübersitzen und die Magazine kreisen lassen und aufeinander zielen. Und zu allem natürlich jede Menge Rauschgift. Ihr letzter Liebhaber war ein Dealer - besser gesagt, ein Großhändler. Seine Lieferanten saßen in Guangzhou, und seine Routen lagen östlich der Lok-Ma-Chau-Grenze.«

»Wenn ich recht unterrichtet bin, ist das eine ziemlich breite Straße mit viel Verkehr«, unterbrach Webb. »Warum haben Ihre Leute sich auf ihn - oder seine Machenschaften - konzentriert?«

»Weil seine Machenschaften, wie Sie das richtig nennen, seine Konkurrenten systematisch auszuschalten drohten, indem er die chinesischen Marinestreifen bestach, ihre Boote zu versenken und die Mannschaften zu beseitigen. Der Zahl der Erschossenen nach, die man an den Ufern fand, ist ihm das auch gelungen. Es war der reine Krieg, und der Großhändler - der Liebhaber der jungen Frau - stand auf der Hinrichtungsliste.«

»Unter diesen Umständen muß er doch gewußt haben, daß er in Gefahr war. Er muß sich doch mit einem Dutzend Leibwächter umgeben haben.«

»Stimmt. Und diese Sicherheitsvorkehrungen verlangen nach einer Legende. Seine Feinde haben jene Legende angeheuert.«

»Borowski«, flüsterte David. Er schüttelte den Kopf und schloß die Augen.

»Ja«, nickte McAllister. »Vor zwei Wochen sind der Rauschgifthändler und You Mings Frau in ihrem Bett im Lisboa-Hotel in Macao erschossen worden. Aber nicht einfach mit einer glatten Kugel; man konnte die Leichen kaum identifizieren. Als Waffe wurde eine Uzi-Maschinenpistole benutzt. Der Zwischenfall wurde vertuscht - Polizei und Regierungsbeamte waren mit dem Geld eines Taipan bestochen.«

»Lassen Sie mich raten«, sagte Webb monoton. »Die Uzi. Das war die Waffe, die bei einem früheren Mord benutzt wurde, den man Borowski in die Schuhe schiebt.«

»Genau diese Waffe wurde vor dem Hinterzimmer eines Varietes im Kowlooner Stadtviertel Tsim Sha Tsui gefunden. Im Zimmer fand man fünf Leichen, wovon drei der Opfer zu den bedeutendsten Geschäftsleuten der Kolonie gehörten. Einzelheiten wollten uns die Briten nicht wissen lassen; sie haben uns nur ein paar höchst detaillierte Fotos gezeigt.«

»Dieser Taipan, Yao Ming«, sagte David. »Der Mann der Schauspielerin. Er ist die Verbindung, auf die Ihre Leute gestoßen sind, nicht wahr?«

»Sie haben erfahren, daß er einer der V-Leute von MI-6 war. Mit seinen Verbindungen in Beijing war er sehr wertvoll.«

»Und dann ist natürlich seine Frau umgebracht worden, seine geliebte junge Frau -«

»Ich würde sagen, seine geliebte Trophäe«, unterbrach McAllister, »man hat ihm seine Trophäe genommen.«

»Also gut«, sagte Webb. »Die Trophäe ist viel wichtiger als die Frau.«

»Ich habe jahrelang im Fernen Osten gelebt. Es gibt da einen Satz - in Mandarin, glaube ich, aber ich erinnere mich nicht genau an den Wortlaut.«

»Ren you jiagian«, sagte David. »Der Preis für das Image eines Mannes.«

»Ja, genau.«

»Also geht der Taipan zu dem Mann von MI-6 und verlangt von ihm, er soll die Akte über Jason Borowski besorgen, diesen Meuchelmörder, der seine Frau - seine Trophäe - getötet hat. Andernfalls gäbe es keine Informationen mehr von seinen Gewährsleuten in Beijing für den britischen Geheimdienst.«

»So haben unsere Leute das auch gesehen. Und für seine Mühe wird der MI-6-Mann getötet, weil Yao Ming es sich nicht leisten kann, daß auch nur die geringste Verbindung zu Borowski hergestellt wird. Der Taipan muß unerreichbar, unantastbar bleiben. Er will seine Rache haben, aber nicht in Gefahr geraten.«

»Was sagen die Briten?« fragte Marie.

»Ganz klar und eindeutig: daß wir uns aus der Sache heraushalten sollen. Wir haben mit Treadstone Mist gebaut, und sie wollen in so schwierigen Zeiten nicht durch unsere Ungeschicklichkeit in Hongkong behindert sein.«

»Haben sie Yao Ming gestellt?« Webb beobachtete den Staatssekretär aus zusammengekniffenen Augen.

»Als ich seinen Namen erwähnte, sagten sie, das käme nicht in Frage. Sie waren tatsächlich beunruhigt, aber das hat sie nicht umgestimmt, sie wurden eher noch ungehaltener.«

»Unantastbar«, sagte David.

»Wahrscheinlich wollen sie ihn weiterhin benutzen.«

»Trotz dem, was er getan hat?« unterbrach ihn Marie. »Was er vielleicht getan hat und was er möglicherweise meinem Mann antun könnte?«

»Das ist eine völlig andere Welt«, sagte McAllister leise.

»Sie haben mit ihnen zusammengearbeitet -«

»Das mußten wir«, unterbrach McAllister.