»Sie wagen es ...? Das waren Sie?«
»Fragen Sie ihn doch. Ich habe ihm gesagt, daß etwas nicht stimmte, daß der Franzose ihn hinhält. Herrgott, ich habe dafür bezahlt, daß er nicht auf mich gehört hat! Er hätte diesen französischen Scheißer niedermachen sollen, als ich es ihm sagte! Und jetzt werden Sie ihm sagen, daß ich ihn sprechen möchte!«
»Selbst ich habe keinen Zugang zu ihm«, sagte der Oberst. »Ich kann nur Mittelsmänner erreichen über ihre Codenamen. Ihre wirklichen Namen kenne ich nicht -«
»Sie meinen die Männer, die nach Guangdong fliegen in die Hügel, um sich mit mir zu treffen und mir Aufträge zu erteilen?« unterbrach Borowski.
»Ja.«
»Mit denen will ich nicht sprechen!« explodierte Jason, der sich jetzt als sein eigener Doppelgänger gab. »Ich will mit dem Mann sprechen. Und ich kann ihm nur raten, daß er das auch möchte.«
»Sie werden zuerst mit anderen sprechen, aber selbst dafür muß es sehr gute Gründe geben. Die bestimmen, wann geredet werden soll, nicht andere. Das sollten Sie inzwischen wissen.«
»Also schön, Sie können der Kurier sein. Ich war fast drei Stunden mit den Amerikanern zusammen und habe mich, wie noch nie zuvor in meinem Leben, um Tarnung bemüht. Sie haben mich gründlich verhört, und ich habe ihnen offen geantwortet - brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, daß ich im ganzen Territorium Leute habe, die, wenn nötig, einen Eid darauf ablegen, daß ich geschäftlich mit ihnen zu tun habe oder zu einer bestimmten Zeit mit ihnen zusammen war, ganz gleich, wer anruft -«
»Das brauchen Sie mir wahrlich nicht zu sagen«, unterbrach ihn Soo. »Bitte, geben Sie mir jetzt die Nachricht, die ich übermitteln soll. Sie haben mit den Amerikanern gesprochen. Und weiter?«
»Ich habe auch zugehört. Diese Yankees haben die dumme Angewohnheit, in Gegenwart Fremder zu offen miteinander zu reden.«
»Jetzt höre ich wieder den Briten. Die Stimme der Überlegenheit.«
»Wir tun das nicht, und Ihr Schlitzaugen tut das, weiß Gott, auch nicht.«
»Bitte, fahren Sie fort.«
»Der, der mich gefangengenommen hat, der Mann, den die Amerikaner dann abgeknallt haben, war selbst Amerikaner.«
»Und?«
»Wenn ich jemand töte, hinterlasse ich meine Visitenkarte. Einen Namen, der weit zurückreicht, Jason Borowski.«
»Das wissen wir. Und?«
»Er war das Original! Er war Amerikaner, und die waren seit fast zwei Jahren hinter ihm her.«
»Und?«
»Die glauben, Beijing habe ihn gefunden und angeheuert. Jemand in Beijing, der ihn dafür bezahlt hat, daß er einen Mann in jenem Haus tötet, einen wichtigen Mann. Borowski arbeitet für jeden ohne Vorbehalt.«
»Bitte drücken Sie sich deutlicher aus.«
»Dort waren nicht nur Amerikaner, sondern auch noch ein paar andere. Chinesen aus Taiwan, die keinen Zweifel daran ließen, daß sie die meisten Rädelsführer der KuomintangVerschwörung ablehnen. Sie waren zornig. Und auch beunruhigt, glaube ich.« Borowski hielt inne. Schweigen.
»Und?« drängte der Oberst.
»Und dann haben sie immer wieder einen Namen genannt -Sheng.«
»Aiya!«
»Das ist die Nachricht, die Sie übermitteln sollen, und ich erwarte in drei Stunden Antwort im Casino. Ich werde jemanden schicken, der sie abholt. Machen Sie also keine Dummheiten. Ich habe Leute dort, die ebenso leicht Rabatz machen können wie eine Sieben würfeln. Beim geringsten Anlaß sind Ihre Männer tot.«
»Wir erinnern uns an das, was vor ein paar Wochen in Tsim Sha Tsui geschah«, sagte Soo Jiang. »Fünf unserer Feinde in einem Hinterzimmer umgelegt, während es vorne im Variete zu einer Prügelei kommt. Wir haben uns oft gefragt, ob der ursprüngliche Jason Borowski ebenso tüchtig wie sein Nachfolger war.«
»Das war er nicht.« Erwähnen Sie die Möglichkeit, daß es Ärger im Casino gibt, falls Shengs Leute Sie in eine Falle locken wollen. Sagen Sie, ihre Männer werden dann tot sein. Sie brauchen nicht deutlicher zu werden. Das genügt denen ... Der Analytiker hat gewußt, wovon er redet. »Eine Frage«, sagte Jason, den das wirklich interessierte. »Wann haben Sie und die anderen denn erkannt, daß ich nicht das Original war?«
»Auf den ersten Blick«, erwiderte der Oberst. »Die Jahre hinterlassen ihre Spuren, nicht wahr? Der Körper mag beweglich bleiben, ja, sogar besser werden, wenn man ihn richtig pflegt, aber das Gesicht spiegelt die Zeit; das ist unvermeidbar. Ihr Gesicht konnte unmöglich das Gesicht des Mannes von Medusa sein. Das liegt mehr als fünfzehn Jahre zurück, und Sie sind bestenfalls Anfang Dreißig. Medusa hat keine Kinder rekrutiert. Sie waren eine Reinkarnation des Franzosen.«
»Das Codewort ist >Krise<, und Sie haben drei Stunden«, sagte Borowski und legte auf.
»Das ist doch verrückt!« Jason trat aus der offenen Glaszelle in dem rund um die Uhr offenen Postamt und sah McAllister an. »Sie haben das sehr gut gemacht«, sagte der Analytiker und notierte sich etwas auf einen kleinen Block. »Ich werde jetzt zahlen.« Der Staatssekretär ging auf den Schalter zu, wo die Auslandsgespräche zu bezahlen waren.
»Sie haben nicht verstanden, worauf es mir ankommt«, fuhr Borowski fort, der neben McAllister herging. Seine Stimme klang leise, war rauh. »Das kann nicht funktionieren. Es ist zu ausgefallen. Das glaubt doch keiner.«
»Wenn Sie ein persönliches Treffen verlangt hätten, würde ich Ihnen recht geben. Aber das haben Sie ja nicht. Sie verlangen ja nur ein Telefongespräch.«
»Ich verlange von ihm, daß er sich preisgibt. Daß er selbst der Mittelpunkt des Schwindels ist!«
»Um Sie noch einmal zu zitieren«, sagte der Analytiker und griff nach seiner Rechnung und legte Geld auf die Theke, »er kann es sich nicht leisten, nicht zu reagieren. Er muß.»
»Er wird aber Bedingungen stellen, die wir nicht erfüllen können.«
»Da brauche ich natürlich Ihren Rat.« McAllister nahm sein Wechselgeld, nickte der Angestellten dankend zu und ging auf die Tür zu.
Jason ging neben ihm her. »Vielleicht kann ich Ihnen gar nichts raten.«
»Unter den gegebenen Umständen, meinen Sie«, sagte der Analytiker, als sie auf die überfüllte Straße hinaustraten.
»Was?«
»Die Strategie ist es gar nicht, die Sie so beunruhigt, Mr. Borowski, weil es ja im wesentlichen Ihre Strategie ist. Was Sie so wütend macht, ist, daß ich derjenige bin, der sie durchführt, nicht Sie. Sie glauben wie Havilland, daß ich das nicht kann.«
»Ich glaube, jetzt ist weder die Zeit noch die Gelegenheit, zu beweisen, daß Sie John Wayne oder Tom Mix sind! Wenn Ihr Plan scheitert, ist Ihr Leben meine geringste Sorge. Irgendwie ist mir China oder besser gesagt die ganze Welt wichtiger.«
»Mein Plan wird nicht scheitern. Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich, selbst wenn er scheitern würde, nicht verlieren kann. Sheng verliert, ganz gleich, ob er lebt oder nicht. Dafür wird in zweiundsiebzig Stunden das Konsulat in Hongkong sorgen.«
»Eine kalkulierte Selbstaufopferung kann ich nicht billigen«, sagte Jason. »Heldengehabe, das dem Helden etwas vormacht, hat nie Erfolg. Außerdem stinkt Ihre sogenannte Strategie geradezu nach Falle. Die werden das riechen!«
»Bloß, wenn Sie mit Sheng verhandeln würden und nicht ich. Sie sagen, das sei so ausgefallen, daß nur ein Amateur darauf käme. Ausgezeichnet. Wenn Sheng mich am Telefon hört, wird ihm alles sofort klar sein. Ich bin der verbitterte Amateur, der Mann, der noch nie im Feld tätig war, der erstklassige Bürokrat, den das System übergangen hat, dem er so gut dient. Ich weiß, was ich tue, Mr. Borowski. Sie brauchen mir bloß eine Waffe zu besorgen.«