»Werden wir auch, Edward. Wenn Sie nervös sind, dann überlegen Sie einmal, was die jetzt durchmachen. Der Franzose pflegte auch zu sagen, daß die Nerven des Feindes unsere besten Verbündeten seien.«
»Ihr Franzose geht mir allmählich auf die Nerven«, sagte McAllister gereizt.
Jason sah den Analytiker an und meinte ruhig: »Sagen Sie das nie wieder zu mir. Sie waren nicht dabei.« Borowski sah auf die Uhr. »Jetzt ist über eine Stunde vergangen. Suchen wir uns ein Telefon.« Er wandte sich zu dem V-Mann. »Ich werde Ihre Hilfe brauchen«, fügte er hinzu. »Sie stecken das Geld hinein. Ich wähle dann.«
»Sie haben gesagt, Sie würden in einer halben Stunde zurückrufen!« stieß die Frau am anderen Ende der Leitung hervor.
»Ich hatte andere Dinge zu erledigen. Ich habe noch mehr Klienten, und von Ihnen bin ich nicht gerade begeistert. Falls sich das zu einer Zeitvergeudung entwickeln sollte, habe ich anderes zu tun, und dann können Sie sich bei dem Mann verantworten, wenn der Taifun kommt.«
»Wie wäre das möglich?«
»Schluß jetzt, Lady! Geben Sie mir einen Koffer mit mehr Geld, als Sie je gesehen haben, dann könnte ich es Ihnen vielleicht sagen. Andererseits würde ich es wahrscheinlich doch nicht tun. Ich mag es, wenn hochgestellte Männer in meiner Schuld stehen. Sie haben jetzt noch zehn Sekunden, dann lege ich auf.«
»Bitte. Sie werden einen Mann treffen, der Sie zu einem Haus auf dem Guia-Hügel bringen wird, wo es hochmoderne Kommunikationsmittel -«
»Und wo ein halbes Dutzend von euren Gangstern mir den Schädel einschlägt, mich dann in ein Zimmer steckt, wo mich ein Arzt mit Drogen vollpumpt und Sie alles umsonst kriegen!«
Borowskis Zorn war nur zum Teil gespielt; Shengs Leute benahmen sich wirklich wie die Amateure. »Jetzt will ich Ihnen einmal etwas über ein hochmodernes Kommunikationsmittel sagen. Das ist schlicht und einfach ein Telefon, und ich glaube nicht, daß es Kommunikation zwischen Macao und der Garnison von Guangdong gäbe, wenn Sie keine Zerhacker hätten. Natürlich haben Sie sie in Tokio gekauft, denn wenn Sie sie selbst gemacht hätten, würden sie wahrscheinlich nicht funktionieren! Einen solchen Zerhacker sollten Sie benutzen. Ich rufe Sie jetzt nur noch einmal an, Lady. Drnn sollten Sie eine Nummer für mich haben. Die Nummer des Mannes.« Jason legte auf.
»Interessant«, sagte McAllister, der vielleicht einen Meter von ihm gestanden war und jetzt kurz zu dem chinesischen V-Mann hinübersah, der zum Tisch zurückgekehrt war. »Sie haben den Stock benutzt, wo ich eine Mohrrübe eingesetzt hätte.«
»Was hätten Sie?«
»Ich hätte betont, was für außergewöhnliche Informationen ich zu liefern habe. Statt dessen haben Sie gedroht, so als wollten Sie mit der anderen Seite gar nichts zu tun haben.«
»Verschonen Sie mich mit diesem Stuß«, antwortete Borowski und zündete sich eine Zigarette an, dafür dankbar, daß seine Hand nicht zitterte. »Zu Ihrer Aufklärung - ich habe beides getan. Die Drohung betont die Enthüllung, und das Ultimatum verstärkt beides.«
»Von Ihnen kann man etwas lernen«, sagte der Staatssekretär, und die Andeutung eines Lächelns wanderte über sein Gesicht. »Ich danke Ihnen.«
Der Mann von Medusa sah den Mann aus Washington scharf an. »Wenn dieses verdammte Ding funktioniert, schaffen Sie es dann, Analytiker? Können Sie die Knarre herausreißen und abdrücken? Wenn Sie das nämlich nicht können, sind wir beide tot.«
»Ich kann es«, sagte McAllister ruhig. »Für den Pazifikraum. Für die Welt.«
»Und für Ihren Auftritt im Rampenlicht.« Jason ging zum Tisch zurück. »Verschwinden wir jetzt hier. Ich will dieses Telefon nicht noch einmal benutzen.«
Die hektische Aktivität in der Villa von Sheng Chou Yang strafte die erhabene Ruhe des Jadeturmbergs Lügen. Dabei war die Unruhe nicht auf die Zahl der Leute zurückzuführen, denn es waren nur fünf, sondern auf die Hektik aller Akteure. Der Minister hörte zu, während seine Berater aus dem Garten hereinkamen und wieder hinauseilten, Nachrichten über die jüngste Entwicklung brachten und furchtsam ihren Rat anboten, den sie jedesmal sofort wieder zurückzogen, wenn ihr Führer das geringste Anzeichen von Mißbehagen erkennen ließ.
»Unsere Leute haben die Geschichte bestätigt, Herr!« rief ein uniformierter Mann in mittleren Jahren, der aus dem Haus gerannt kam. »Sie haben mit den Journalisten gesprochen. Alles war so, wie der Meuchelmörder es beschrieben hat, und eine Fotografie des Toten ist an die Zeitungen verteilt worden.«
»Beschaffen«, sagte Sheng. »Sofort über Telex anfordern. Diese ganze Geschichte ist unglaublich.«
»Ist bereits veranlaßt«, sagte der Soldat. »Das Konsulat hat einen Attache zu den South China News geschickt. Das Foto müßte in wenigen Minuten hier sein.«
»Unglaublich«, wiederholte Sheng leise, und sein Blick wanderte zu den Seerosen in den vier Teichen. »Die Symmetrie ist zu perfekt, die zeitliche Abstimmung zu perfekt, und das bedeutet, daß irgend etwas nicht vollkommen ist. Jemand hat ordnend eingegriffen.«
»Der Meuchelmörder?« fragte ein anderer Adjutant.
»Was sollte er damit bezwecken? Er hat doch keine Ahnung, daß er in dem Vogelreservat noch vor Ende der Nacht gestorben wäre. Er hat sich für privilegiert gehalten, aber wir haben ihn doch nur benutzt, um seinen Vorgänger in die Falle zu locken, den unser Mann bei MI-6 ausfindig gemacht hat.«
»Wer dann?« fragte ein anderer.
»Das ist es ja, wer? Alles ist gleichzeitig verlockend und doch so ungeschickt. Das ist alles zu durchsichtig, zu unprofessionell. Der Meuchelmörder muß, wenn er die Wahrheit spricht, glauben, daß er von mir nichts zu befürchten hat. Und doch droht er, setzt einen lukrativen Kunden aufs Spiel. Das tun Profis nicht, und das ist es, was mich so beunruhigt.«
»Dann vermuten Sie, daß eine dritte Partei eingeschaltet worden ist, Herr Minister?« fragte der dritte Adjutant.
»Wenn das so ist«, sagte Sheng, dessen Blick jetzt wie gebannt an einem einzigen Seerosenteich hing, »dann ist es jemand ohne Erfahrung oder mit der Intelligenz eines Ochsen. Ich verstehe das einfach nicht.«
»Es ist da, Herr!« rief ein junger Mann und kam mit einem Funkbild in der Hand in den Garten gerannt.
»Schnell, her damit!« Sheng packte das Blatt Papier und hielt es ans Licht. »Das ist er! Das Gesicht werde ich nie vergessen, solange ich atme! Alles freigeben! Sagen Sie der Frau in Macao, sie soll unserem Mörder die Nummer geben und das Gespräch elektronisch absichern. Mißerfolg ist jetzt gleichbedeutend mit Tod.«
»Sofort, Herr Minister!« Der junge Mann rannte ins Haus.
»Meine Frau, meine Kinder«, sagte Sheng Chou Yang nachdenklich. »Diese ganze Unruhe könnte sie stören. Würde einer von Ihnen bitte hineingehen und ihnen erklären, daß die Staatsgeschäfte mich von ihnen fernhalten?«
»Das ist mir eine Ehre, Herr«, sagte ein Adjutant.
»Sie leiden so unter der Last meiner Arbeit. Sie sind alle Engel. Eines Tages werden Sie belohnt werden.«
Borowski tippte dem V-Mann auf die Schulter und wies dann auf das beleuchtete Eingangsportal eines Hotels auf der rechten Straßenseite. »Wir nehmen uns dort ein Zimmer und suchen dann eine Telefonzelle am anderen Ende der Stadt. Okay?«
»Das ist klug«, sagte der Chinese. »Das Fernamt wimmelt von denen.«
»Und wir brauchen Schlaf. Der Franzose hat mir immer wieder gesagt, daß Ruhe auch eine Waffe sei. Herrgott, warum wiederhole ich mich die ganze Zeit?«
»Weil Sie besessen sind«, sagte McAllister vom Rücksitz aus.
»Das sagen ausgerechnet Sie. Lassen Sie das bleiben.«