»Nachdem ich das Schwein getötet habe, und seine Schweineleiche an einem angemessenen und für ihn schändlichen Ort hinterlassen habe. Auf der Frauentoilette.«
»Und wenn er uns folgt?« fragte Jason.
»Dann wird sich mir eine Gelegenheit bieten, während ich für Sie die Augen offenhalte. Ich werde seine Wachen sehen, aber sie werden mich nicht sehen. Ganz gleich, was er tut, es wird einen Augenblick geben, wo er sich von seinen Wachen trennt, und wenn auch nur ein paar Schritte weit. Das wird reichen, und man wird dann annehmen, daß er Schande über einen seiner Männer gebracht hat.«
»Dann gehen wir jetzt.«
»Sie kennen den Weg, Sir.«
»Als ob ich eine Karte hätte.«
»Ich treffe mich mit Ihnen am Fuß des ersten Hügels hinter dem hohen Gras. Erinnern Sie sich?«
»Das wäre schwer, die Stelle zu vergessen. Ich hätte mir dort fast ein Grab in China eingehandelt.«
»Nach sieben Kilometern biegen Sie in den Wald ab, auf die Wiesen zu.«
»Das habe ich vor. Sie haben mich das gelehrt. Gute Jagd, Wong.«
»Danke, Sir, die werde ich haben. Grund genug dafür habe ich.«
Die zwei Amerikaner schritten über den ramponierten Platz, entfernten sich aus dem schwachen Licht und traten in völlige Dunkelheit. Eine korpulente Gestalt in Zivilkleidung beobachtete sie aus dem Schutz, den der Schatten eines Betontunnels ihm bot. Er sah auf die Uhr und nickte dann mit einem schwachen Lächeln zufrieden. Dann drehte Oberst Soo Jiang sich um und ging durch den Tunnel in den Gebäudekomplex des Grenzübergangs zurück - eiserne Tore, hölzerne Wachhäuschen und Stacheldraht in der Ferne, alles in stumpfgraues Licht getaucht. Die Präfektin der Zhuhai-Shi-Guangdong-Provinzkontrolle, die mit fast männlich wirkenden Schritten begeistert auf ihn zuging, begrüßte ihn.
»Das müssen sehr wichtige Männer sein, Oberst«, sagte die Präfektin mit einem Blick, der gar nicht feindselig wirkte, sondern eher blinde Verehrung ausdrückte. Und Furcht.
»Oh, das sind sie, das sind sie wirklich«, pflichtete der Oberst ihr bei.
»Das müssen sie ganz sicherlich sein, wenn sich ein so bedeutender Offizier wie Sie so um sie kümmert. Ich habe das Telefongespräch mit dem Mann in Guangzhou geführt, wie Sie das verlangt haben, und er hat mir gedankt, aber er hat nicht nach meinem Namen gefragt -«
»Ich werde dafür sorgen, daß er ihn erfährt«, unterbrach sie Jiang müde.
»Und ich werde dafür sorgen, daß nur meine besten Leute an den Toren sind, um sie zu begrüßen, wenn sie heute nacht nach Macao zurückkehren.«
Soo sah die Frau an. »Das ist nicht nötig. Man wird sie nach Beijing bringen, zu streng geheimen Konferenzen auf höchster Ebene. Meine Anweisung lautet, daß ich alle Aufzeichnungen entfernen muß, aus denen hervorgeht, daß sie die Grenze von Guangdong überquert haben.«
»So vertraulich ist das?«
»Ja, allerdings, Genossin. Es handelt sich um geheime Staatsgeschäfte, und Sie müssen dafür sorgen, daß sie selbst gegenüber Ihren engsten Vertrauten geheim bleiben. hr Büro bitte.«
»Sofort«, sagte die breitschultrige Frau und machte militärisch kehrt. »Ich habe Tee oder Kaffee, ja sogar britischen Whisky aus Hongkong.«
»Ah ja, britischen Whisky. Darf ich Sie begleiten, Genossin? Meine Arbeit ist beendet.«
Die beiden etwas grotesk wirkenden Gestalten, die in eine Wagneroper gepaßt hätten, marschierten in einer Art watschelndem Gleichschritt auf die schmutzige Glastür zum Büro der Präfektin zu.
»Zigaretten!« flüsterte Borowski und packte McAllister an der Schulter.
»Wo?«
»Dort vorne, etwas abseits von der Straße, links, im Wald!«
»Die habe ich nicht gesehen.«
»Sie haben auch nicht darauf geachtet. Wer dort raucht, hält die Hand darüber, aber sie sind trotzdem da. Die Baumrinde wird einen kurzen Augenblick lang beleuchtet, und dann ist sie wieder dunkel. Kein Rhythmus, unregelmäßig. Rauchende Männer. Manchmal glaube ich, daß die hier im Osten vom Rauchen noch besessener sind als von Sex.«
»Was tun wir jetzt?«
»Genau das, was wir jetzt auch tun, nur lauter.«
»Was?«
»Gehen Sie einfach weiter und sagen Sie irgend etwas, was Ihnen gerade in den Sinn kommt, die werden das nicht verstehen. Sie haben sicher einmal Hiawatha auswendig gelernt oder Horatio auf der Brücke oder in Ihrer wilden Zeit auf dem College vielleicht Aura Lee. Sie brauchen nicht zu singen, sagen Sie einfach den Text auf. Das wird sie ablenken.«
»Aber warum?«
»Weil das genau das ist, was Sie vorhergesagt haben. Sheng vergewissert sich, daß wir uns niemandem anschließen, der ihm gefährlich werden könnte. Und in dieser Sicherheit wollen wir ihn wiegen, okay?«
»Großer Gott! Und wenn jetzt einer von denen Englisch spricht?«
»Das ist unwahrscheinlich, aber wenn Ihnen das lieber ist, könnten wir ja auch ein Gespräch improvisieren.«
»Nein, darauf verstehe ich mich nicht. Ich mag keine Partys und keine gesellschaftlichen Veranstaltungen, ich weiß nie, was ich sagen soll.«
»Deshalb habe ich ja vorgeschlagen, daß Sie einen Text aufsagen. Und jedesmal, wenn Sie eine Pause machen, werde ich Sie unterbrechen. Nur los jetzt, sprechen Sie ganz beiläufig, aber schnell. Dies ist nicht der Ort für chinesische Gelehrte, die schnelles Englisch verstehen ... Jetzt sind die Zigaretten ausgegangen. Sie haben uns entdeckt! Los!«
»O Gott ... Also gut. Äh, äh ... >Auf O'Reillys Veranda, bei Whisky und Bier -<«
»Sehr gut!« sagte Jason und funkelte seinen Schüler an.
»Da dachte ich mir plötzlich, war's denn nicht ergötzlich, die Tochter O'Reillys -«
»Aber Edward, Sie überraschen mich immer wieder aufs neue.«
»Das ist ein altes Lied unserer Verbindung«, flüsterte der Analytiker.
»Was? Ich kann Sie nicht hören, Edward, lauter.«
»Tatumta, tatumta, tatuta, tati, und Reilly, der alte -«
»Einfach klasse!« unterbrach ihn Borowski, als sie an dem Waldstück vorbeikamen, wo vor Sekunden Männer hinter Bäumen verborgen geraucht hatten. »Ich glaube, Ihr Freund wird durchaus Ihrer Ansicht sein. Sonst noch eine Idee?«
»Ich hab den Text vergessen.«
»Eine Idee, meinen Sie. Die fällt Ihnen sicher wieder ein.«
»Es hatte irgend etwas mit >Reilly der Alte< zu tun ... O ja, jetzt fällt es mir wieder ein. >Und als dann der ganze Spaß endlich um war, kam Reilly ... tatumta, tatumta - die Knarre im Arm<, jetzt ist es mir wieder eingefallen.«
»Sie gehören wirklich in ein Museum, falls Ripley eines besitzt ... Aber sehen Sie es einmal so, Sie können sich ja das ganze Projekt in Macao näher ansehen.«
»Was für ein Projekt ... Da war noch ein so blödes Lied, das wir immer gegrölt haben. >Hundert Flaschen Bier im Schrank, hundert Flaschen Bier. Und eine fällt runter-< O Gott, wie lang das her ist, richtig albern war das, und endlos - neunundneunzig Flaschen Bier im Schrank< -«
»Vergessen Sie's, jetzt können die uns nicht mehr hören.«
»Oh? Gott sei Dank!«
»Das klang ganz herrlich. Wenn einer dieser Witzbolde auch nur ein Wort Englisch verstanden hat, dann sind die jetzt noch konfuser als ich. Gut gemacht, Analytiker. Kommen Sie, gehen wir jetzt schneller.«
McAllister sah Jason an. »Sie haben das absichtlich getan, nicht wahr? Mich bedrängt, mich an etwas zu erinnern - irgend
etwas -, weil Sie wußten, daß ich mich dann konzentrieren und nicht in Panik geraten würde.«
Borowski gab darauf keine Antwort; er traf einfach eine Feststellung. »Noch hundert Fuß, und dann gehen Sie allein weiter.«
»Was? Sie wollen mich allein lassen?«