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Ihr langes kastanienbraunes Haar fiel über sein Gesicht, und ihr Körper preßte sich gegen den seinen, ihre Lippen auf die seinen. David schlug die Augen auf und lächelte. Es war, als hätte es keinen Alptraum gegeben, der ihr Leben so brutal unterbrochen hatte, nichts, was sie an den Rand eines Abgrunds getragen hatte, in dem der Tod und unsagbarer Schrecken lauerten! Sie waren zusammen, und das behagliche Gefühl jener Realität erfüllte ihn mit tiefer Dankbarkeit. Das war mehr als genug für ihn - mehr als er je für möglich gehalten hätte.

Er begann, für sich die Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden zu rekonstruieren, sein Lächeln wurde breiter, und ein kurzes Lachen drang aus seiner Kehle. Die Dinge waren nie so, wie sie sein sollten, nie so, wie man es erwartete. Er und Mo Panov hatten auf dem Flug von Hongkong nach Hawaii viel zuviel getrunken, während Alex Conklin bei geeistem Tee oder Mineralwasser blieb, oder was auch immer sonst frisch geheilte Trinker anderen demonstrierten - keine Vorhaltungen, einfach stilles Märtyrertum. Marie hatte den Kopf des berühmten Dr. Panov gehalten, während der angesehene Psychiater sich in der erdrückend engen Toilette der britischen Militärmaschine übergab, und hatte Mo dann mit einer Decke zugedeckt, als er in tiefen Schlaf sank. Anschließend hatte sie sanft, aber entschieden die amourösen Annäherungsversuche ihres Mannes zurückgewiesen, ihn dafür dann aber später entschädigt, als sie und ihr wieder nüchterner Partner fürs Leben im Hotel in Kahala angekommen waren. Eine grandiose, ans Delirium grenzende Nacht der Liebe, von der Jugendliche nur träumen, und die die Schrecken des Alptraums weggespült hatte.

Alex? Ja, jetzt erinnerte er sich. Conklin hatte die erste Linienmaschine von Oahu nach Los Angeles und Washington genommen. »Dort gibt es Köpfe einzuschlagen«, hatte er es formuliert. »Und das habe ich auch vor.« Alexander Conklin hatte eine neue Mission in seinem kaputten Leben. Verantwortung nannte sie sich.

Mo? Morris Panov? Die Geißel der Psychologen und Scharlatane seines Berufes. Er befand sich im Zimmer nebenan und kurierte ohne Zweifel den gigantischsten Kater seines Lebens.

»Du hast gelacht«, flüsterte Marie mit geschlossenen Augen und drückte das Gesicht an seinen Hals. »Was ist denn so komisch?«

»Du, ich, wir - alles.«

»Ich muß wirklich sagen, daß dein Sinn für Humor nicht ganz der meine ist. Andererseits höre ich da, glaube ich, einen Mann namens David.«

»Was anderes wirst du in Zukunft auch nicht mehr hören!«

Es klopfte an der Tür, nicht an der Tür zum Korridor, sondern der zum Nachbarzimmer. Panov. Webb stieg aus dem Bett, ging schnell ins Badezimmer und griff sich ein Handtuch, das er sich um die Hüfte schlang. »Augenblick, Mo!« rief er und ging zur Tür.

Moris Panov, blaß, aber gefaßt, stand mit einem Koffer in der Hand da. »Darf ich den Tempel des Eros betreten?«

»Du bist ja schon drin, alter Freund.«

»Das will ich auch hoffen ... Einen wunderschönen Nachmittag, meine Liebe«, sagte der Psychiater zu Marie gewandt, die noch im Bett lag, und ging zu einem Stuhl an der Glastür, die auf den Balkon hinausführte und den Blick auf den Strand von Hawaii freigab. »Keine Umstände, auch nichts zu essen, und wenn du aufstehen willst, dann keine Sorge, ich bin schließlich Arzt, glaube ich.«

»Wie geht's dir, Mo?« Marie setzte sich auf und zog das Laken über sich.

»Viel besser als vor drei Stunden, aber davon verstehst du ganz bestimmt nichts. Du bist ja zum Verrücktwerden normal.«

»Du warst zu angespannt, du mußtest dich lockern.«

»Wenn Sie hundert Dollar die Stunde verlangen, reizende Lady, dann nehme ich eine Hypothek auf mein Haus auf und melde mich an für fünf Jahre Therapie.«

»Das hätte ich gerne näher definiert«, sagte David lächelnd und setzte sich Panov gegenüber. »Was soll der Koffer?«

»Ich reise ab. Ich habe schließlich Patienten in Washington und bilde mir ganz gern ein, daß die mich vielleicht brauchen.«

Eine Weile herrschte Schweigen im Zimmer, und David und Marie sahen Morris Panov an. »Was sagen wir jetzt, Mo?« fragte Webb. »Und wie sagen wir es?«

»Sagt gar nichts, überlaßt mir das Reden. Marie ist wehgetan worden, sie hat mehr leiden müssen, als dem Normalmaß entspricht. Aber das, was sie ertragen kann, geht auch über das Normalmaß hinaus, und deshalb wird sie damit fertig. Das Schlimme ist, daß wir von bestimmten Leuten eben das erwarten. Das ist unfair, aber so ist es eben.«

»Ich mußte überleben, Mo«, sagte Marie und sah ihren Mann an. »Ich mußte ihn zurückbekommen. Und so war es.«

»Und du, David. Du hast ein traumatisches Erlebnis durchgemacht, etwas, womit nur du fertig wirst, und du brauchst gar kein leeres Gewäsch von mir, um damit fertig zu werden. Du bist jetzt du, niemand sonst. Jason Borowski gibt es nicht mehr. Er kann nicht mehr zurückkommen. Bau dir dein Leben als David Webb auf - konzentriere dich auf Marie und David. Das ist alles, was es gibt, und alles, was es geben sollte. Und wenn jemals die Ängste zurückkommen sollten - das werden sie wahrscheinlich nicht, aber ich hätte nichts dagegen, wenn du selbst ein paar aufbauen würdest -, dann ruf mich an, und ich nehme die nächste Maschine nach Maine. Ich liebe euch beide, und Maries Rindfleischeintopf ist etwas ganz Besonderes.«

Sonnenuntergang, ein strahlender orangeroter Kreis über dem westlichen Horizont, der langsam in den Pazifik versank. Sie gingen am Strand entlang, die Hände fest ineinander verschlungen, so nahe, daß sich ihre Körper berührten - so natürlich, so gut, so richtig.

»Was tut man, wenn man ein Stück von sich selbst haßt?« sagte Webb.

»Man akzeptiert es«, antwortete Marie. »Wir alle haben eine dunkle Seite unseres Wesens, David. Wir möchten das liebend gern leugnen, aber das können wir nicht. So ist das. Vielleicht können wir nicht ohne sie existieren. Und deine dunkle Seite ist eine Legende, die Jason Borowski heißt, aber das ist auch schon alles.«

»Ich verabscheue ihn.«

»Er hat dich zu mir zurückgebracht. Das ist das einzige, worauf es ankommt.«