»Ist dort die Wohnung von Babcock?«
»Sicher ist sie das«, sagte eine Frauenstimme so, daß man sich die Magnolien in ihrem Haar geradezu plastisch vorstellen konnte. »Natürlich nicht unser Zuhause, wie ich immer sage, aber wohnen tun wir hier schon.«
»Kann ich bitte Harry Babcock sprechen?«
»Kann ich bitte erfahren, wer spricht? Vielleicht ist er draußen im Garten mit den Kindern oder mit ihnen in den Park gegangen, dort ist es heutzutage so hell - nicht wie früher ... und
man braucht auch nicht um sein Leben zu fürchten ...«
Tarnung für einen schnellen Verstand, das galt für Mr. Babcock ebenso wie für Mrs. Babcock.
»Mein Namen ist Reardon, vom Außenministerium. Ich habe eine dringende Mitteilung für Mr. Babcock. Ich habe
Anweisung, so schnell wie möglich mit ihm Verbindung aufzunehmen. Es ist wichtig.«
Er hörte, wie der Hörer auf der anderen Seite zugehalten wurde, und vernahm halb unterdrückte Geräusche. Dann kam Harry Babcock an den Apparat. Er sprach langsam und
gemessen.
»Ich kenne keinen Mr. Reardon, Mr. Reardon. Meine Anrufe kommen alle über eine ganz bestimmte Zentrale, die sich zu erkennen gibt. Und Ihr Anruf, Sir?«
»Nun, ich weiß nicht, ob ich jemals jemanden so schnell aus dem Garten oder aus einem Park habe kommen hören, Mr. Babcock.«
»Bemerkenswert, nicht wahr? Vielleicht sollte ich mich für die Olympischen Spiele melden. Aber Ihre Stimme kenne ich. Ich komme nur nicht auf den Namen.«
»Wie wäre es mit Jason Borowski?«
Diesmal war die Pause ganz kurz - ein sehr schneller Verstand. »Oh, das ist ein Name, der ein gutes Stück zurückreicht, wie? Etwa ein Jahr, würde ich sagen. Das sind doch Sie, oder nicht, David?« Aber das war keine Frage, sondern eine Feststellung.
»Ja, Harry. Ich muß mit Ihnen reden.«
»Nein, David, Sie sollten mit anderen reden, nicht mit mir.«
»Wollen Sie damit sagen, daß man mich isoliert hat?«
»Du lieber Himmel, das klingt so unhöflich. Ich wäre geradezu entzückt, zu hören, wie es Ihnen und der reizenden Mrs. Webb in Ihrem neuen Leben geht. In Massachusetts, nicht wahr?«
»Maine.«
»Aber natürlich. Verzeihen Sie mir. Sind Sie beide wohlauf? Es ist Ihnen ja sicher klar, daß meine Kollegen und ich so viele Probleme am Hals haben, daß wir uns nicht dauernd mit Ihrer Akte befassen konnten.«
»Jemand anders hat gesagt, Sie könnten nicht an sie heran.«
»Ich glaube nicht, daß das jemand versucht hat.«
»Ich möchte reden, Babcock«, sagte David schroff.
«Ich nicht«, erwiderte Harry Babcock mit eisiger Stimme. »Ich befolge meine Vorschriften, und um ganz offen zu sein, Sie sind von Leuten wie mir isoliert. Ich frage nicht, warum - die Dinge ändern sich, das tun sie immer.«
»Medusa!« sagte David. »Wir werden nicht über mich sprechen. Lassen Sie uns über Medusa sprechen!«
Diesmal war die Pause länger als vorher. Und als Babcock wieder sprach, waren seine Worte wie gefroren. »Dieses Telefon wird nicht abgehört, Webb, also werde ich sagen, was ich sagen will. Vor einem Jahr hätte man Sie beinahe erledigt, und das wäre ein Fehler gewesen. Wir hätten Sie dann ehrlich betrauert. Aber wenn Sie die Fäden zerreißen, wird morgen niemand um Sie trauern, abgesehen natürlich von Ihrer Frau.«
»Sie Dreckskerl! Sie ist weg! Man hat sie entführt! Und Ihre Schweine haben das zugelassen!«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
»Meine Leibwächter! Man hat sie abgezogen, alle miteinander, und man hat meine Frau entführt! Ich will Antworten haben, Babcock, oder ich lasse alles hochgehen! Sie tun jetzt genau das, was ich sage, oder das Trauern ist nur an Ihnen - an Ihnen allen, Ihren Frauen oder Ihren Waisenkindern! Ich bin Jason Borowski, das sollten Sie nicht vergessen!«
»Ein Verrückter sind Sie, das habe ich nicht vergessen! Wenn Sie uns so drohen, dann schicken wir Ihnen ein Team, das Sie aufspürt. Nach Art von Medusa! Das können Sie sich heraussuchen, mein Junge!«
Plötzlich war ein lautes Summen in der Leitung; betäubend schrill und so durchdringend, daß Jason sich den Hörer vom Ohr riß, und dann war die ruhige Stimme einer Telefonistin zu hören: »Wir unterbrechen Sie wegen eine Notfalls. Bitte sprechen, Colorado.«
Webb führte den Hörer an sein Ohr zurück.
»Spricht dort Jason Borowski?« fragte ein Mann mit aristokratisch klingender Stimme.
»Ich bin David Webb.«
»Natürlich sind Sie das. Aber Sie sind auch Jason Borowski.«
»Das ist möglich«, sagte David, von etwas, das er nicht definieren konnte, wie hypnotisiert.
»Die Identitäten verschwimmen bei einem Mann, der so viel durchgemacht hat, Mr. Webb.«
»Wer, zum Teufel, sind Sie?«
»Ein Freund, seien Sie dessen versichert. Und ein Freund warnt jemanden, den er als Freund bezeichnet. Sie haben da unerhörte Anklagen gegen einige der treuesten Diener unseres Landes vorgebracht - gegen Männer, denen man nie fünf Millionen Dollar zur Verfügung stellen würde, über die sie keine Rechenschaft abzulegen brauchen und über die bis zum heutigen Tage keine Rechenschaft abgelegt worden ist.«
»Wollen Sie mich durch die Mangel drehen?«
»Sowenig wie ich den verschlungenen Wegen nachspüren möchte, auf denen Ihre geschickte Frau das Geld auf einem Dutzend europäischer -«
»Sie ist verschwunden! Haben Ihre treuen Männer das gesagt?«
»Man hat Sie als überarbeitet bezeichnet - >durchgedreht< war das Wort, das man gebraucht hat -, und es hieß auch, Sie hätten erstaunliche Anklagen in bezug auf Ihre Frau erhoben, ja.«
»In bezug auf - Herrgott, man hat sie aus unserem Haus entführt! Jemand hält sie fest, weil man mich haben will!«
»Sind Sie sicher?«
»Fragen Sie doch diesen toten Fisch McAllister. Das ist sein Drehbuch, bis in die letzte Fußnote. Und jetzt ist er plötzlich am anderen Ende der Welt!« »Fußnoten?« fragte die kultivierte Stimme.
»Sehr klar, nicht mißzuverstehen. Das ist McAllisters Story, und er hat zugelassen, daß es dazu kommt! Ihr habt das zugelassen!«
»Vielleicht sollten Sie sich die Fußnoten gründlicher ansehen.«
»Warum?«
»Gleichgültig. Vielleicht wird Ihnen alles klarer, wenn Sie sich helfen lassen - von einem Psychiater.«
»Was?«
»Wir wollen alles für Sie tun, was in unserer Macht steht, das sollten Sie glauben. Sie haben so viel gegeben - mehr, als man von einem Menschen verlangen kann - und Ihre
außergewöhnliche Leistung kann man nicht einfach abtun, selbst wenn es zu einer Gerichtsverhandlung kommen sollte. Wir haben Sie in diese Lage gebracht und werden zu Ihnen stehen -auch wenn das heißt, daß wir die Gesetze beugen und die Gerichte unter Druck setzen müssen.«
»Wovon reden Sie?« schrie David.
»Ein allgemein geschätzter Militärarzt hat vor einigen Jahren seine Frau auf tragische Weise umgebracht - es stand in allen Zeitungen. Der Streß. Es ist ihm einfach zuviel geworden. Die Belastungen, denen Sie ausgesetzt waren, waren zehnmal so groß.«. »Ich höre wohl nicht recht!«
»Dann lassen Sie es mich anders sagen, Mr. Borowski.«
»Ich bin nicht Borowski!«
»Also gut, Mr. Webb. Ich will ganz offen zu Ihnen sprechen.«
»Das ist ein Fortschritt!«
»Sie sind nicht gesund. Sie haben acht Monate psychiatrischer Therapie hinter sich - es gibt immer noch weite Bereiche in Ihrem Leben, an die Sie sich nicht erinnern können; nicht einmal Ihren Namen haben Sie gekannt. Das alles steht in den ärztlichen Aufzeichnungen, die das fortgeschrittene Stadium Ihrer Geisteskrankheit ganz klar erkennen lassen, Ihren Gewalttrieb und das zwanghafte Verdrängen Ihrer eigenen Identität. In Ihrer Seelenqual neigen Sie zu Phantasien und versetzen sich in andere; Sie scheinen unter dem unwiderstehlichen Druck zu handeln, ein anderer als Sie selbst zu sein.«