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»Ich sollte bleiben...«, murmelte Tanis.

»Du kannst nicht in der Schlacht für einen anderen kämpfen, mein Freund«, sagte Flußwind bestimmt. »Insbesondere, wenn es eine Schlacht zwischen einem Mann und seiner eigenen Seele ist.«

Es war nach Mitternacht, als Tanis und Flußwind Caramon sicher nach Hause gebracht und ihn auf seinem Bett abgeladen hatten. Tanis war in seinem ganzen Leben noch nie so müde gewesen. Seine Schultern schmerzten vom Gewicht des riesigen Kriegers. Er war völlig erschöpft, seine Erinnerungen an die Vergangenheit – einst angenehm – waren jetzt wie eine alte Wunde, offen und blutend. Und vor ihm lag noch ein stundenlanger Ritt. »Ich wünschte, ich könnte bleiben«, wiederholte er zu Tika, als sie zusammen mit Flußwind vor ihrer Tür standen und über die schlafende, friedliche Stadt Solace blickten. »Ich fühle mich verantwortlich...«

»Nein, Tanis«, sagte Tika ruhig. »Flußwind hat recht. Du kannst seinen Krieg nicht führen. Du führst jetzt dein eigenes Leben. Außerdem kannst du nichts tun. Du könntest die Dinge höchstens verschlimmern.«

»Vermutlich.« Tanis runzelte die Stirn. »Auf jeden Fall bin ich in ungefähr einer Woche wieder zurück. Ich werde dann mit Caramon sprechen.«

»Das wäre schön.« Tika seufzte, dann wechselte sie das Thema. »Nebenbei, was meinte Crysania damit, als sie über einen Kender sprach, der kommen soll? Tolpan?«

»Ja«, antwortete Tanis und kratzte sich am Bart. »Es hat etwas mit Raistlin zu tun, aber ich weiß nicht genau, was. Wir trafen Tolpan zufällig in Palanthas. Er fing wieder mit seinen Geschichten an. Ich warnte sie, daß nur die Hälfte von dem, was er sagt, wahr ist, und selbst diese Hälfte ist unsinnig, aber er hat sie vermutlich überredet, ihn nach einer Person suchen zu lassen, von der sie meint, daß sie ihr helfen kann, Raistlin zu bekehren!«

»Diese Frau ist wohl eine heilige Klerikerin von Paladin«, sagte Flußwind streng. »Mögen die Götter mir verzeihen, wenn ich über eine von ihnen Auserwählte schlecht spreche. Aber ich glaube, sie ist verrückt.« Nach dieser Erklärung warf er seinen Bogen über die Schulter und machte sich zum Aufbruch bereit.

Tanis schüttelte den Kopf. Er legte seinen Arm um Tika und küßte sie. »Ich befürchte, Flußwind hat recht«, sagte er leise zu ihr. »Halte ein Auge auf Crysania, solange sie hier ist. Ich werde mit Elistan über sie reden müssen, wenn wir zurückkehren. Ich frage mich, wieviel er von ihrem verrückten Plan weiß. Wenn Tolpan hier aufkreuzt, halte ihn fest, ja? Ich will nicht, daß er nach Qualinost kommt! Wie es aussieht, werde ich genug Ärger mit Porthios und den Elfen haben!«

»Sicher, Tanis«, sagte Tika sanft. Einen Augenblick schmiegte sie sich eng an ihn, ließ sich von seiner Kraft und dem Mitgefühl trösten, das sie in seiner Berührung und seiner Stimme spürte.

Tanis zögerte. »Tika...«, begann er.

Aber sie schob ihn von sich weg. »Geh, Tanis«, sagte sie bestimmt. »Du hast einen langen Ritt vor dir.«

»Tika. Ich wünschte...« Aber es gab nichts, was er ihr sagen konnte, was helfen konnte, und beide wußten es.

Er drehte sich langsam um und ging Flußwind nach.

Während sie beiden nachschaute, lächelte Tika. »Du bist sehr klug, Tanis. Aber dieses Mal irrst du dich«, sagte sie zu sich. »Crysania ist nicht verrückt. Sie ist verliebt.«

4

Eine Armee von Zwergen marschierte im Schlafzimmer umher. Jeder Zwerg hielt in seiner Hand einen Hammer, und wenn er am Bett vorbeikam, schlug er damit gegen Caramons Kopf.

Caramon stöhnte auf und fuchtelte mit den Händen. »Verschwindet!« murmelte er. »Verschwindet!«

Aber die einzige Antwort der Zwerge war, sein Bett auf ihre starken Schultern zu heben und in schnellem Tempo weiterzumarschieren.

Caramon spürte seinen Magen sich heben. Nach mehreren verzweifelten Versuchen schaffte er es, aus dem Bett zu springen, und stürmte zum Nachttopf in der Ecke. Nachdem er sich übergeben hatte, fühlte er sich besser. Sein Kopf klärte sich. Die Zwerge verschwanden – obgleich er argwöhnte, daß sie sich unter dem Bett versteckt hielten und nur darauf warteten, daß er sich wieder hinlegte.

Statt dessen öffnete er eine Schublade des winzigen Nachtschränkchens, in der er seine kleine Flasche mit Zwergenspiritus aufbewahrte. Weg! Caramon knurrte. Tika spielte also wieder dieses Spiel. Er grinste und stolperte zum Kleiderschrank an der anderen Seite des Zimmers. Er öffnete ihn und wühlte sich durch Tuniken und Hosen und Hemden, die seinem aufgeschwemmten Körper nicht mehr paßten. Da war sie – steckte in einem alten Stiefel.

Caramon zog zärtlich die Flasche hervor, nahm einen Schluck von dem scharfen Schnaps, rülpste und seufzte auf. Nun, das Hämmern im Schädel war verschwunden. Er sah sich im Zimmer um. Laß die Zwerge ruhig unter dem Bett bleiben. Es störte ihn nicht.

Im Nachbarzimmer war das Klirren von Porzellan zu hören. Tika! Eilig nahm Caramon einen weiteren Schluck, dann verschloß er die Flasche und steckte sie in den Stiefel zurück. Er schloß den Schrank leise, richtete sich auf, fuhr durch sein wirres Haar und machte sich daran, in den Hauptwohnbereich zu gehen. Dann sah er sich beim Vorbeigehen kurz im Spiegel. »Ich sollte mein Hemd wechseln«, murmelte er heiser. Er zog das schmutzige Hemd aus und warf es in eine Ecke. Vielleicht sollte er sich waschen? Pah! Wer war er denn – ein Waschlappen? Nun gut, er roch – es war ein männlicher Geruch. Unzähligen Frauen gefiel es, sie fanden es attraktiv, beklagten sich niemals oder nörgelten herum so wie Tika. Warum nahm sie ihn nicht so, wie er war? Nachdem er sich in ein sauberes Hemd gekämpft hatte, das er am Fußende des Bettes gefunden hatte, empfand Caramon Selbstmitleid. Niemand verstand ihn... das Leben war schwer... gerade jetzt machte er eine schwere Zeit durch... aber das würde sich ändern... wartet nur... eines Tages – vielleicht morgen...

Nachdem er aus dem Schlafzimmer getorkelt war, versuchte er lässig zu wirken, ging mit unsicherem Schritt durch das aufgeräumte, saubere Wohnzimmer und brach auf einem Stuhl am Eßtisch zusammen. Der Stuhl knarrte unter seinem Gewicht. Tika drehte sich um.

Als Caramon ihren Blick sah, seufzte er. Tika war sauer – wieder einmal. Er versuchte sie anzugrinsen, aber es war ein erbärmliches Grinsen und half nicht. Ihre roten Locken flogen umher, als sie herumwirbelte und durch eine Tür in die Küche verschwand. Caramon zuckte zusammen, als er schwere Eisentöpfe klappern hörte. Das Geräusch brachte die Zwerge und ihre Hämmer zurück. Innerhalb kurzer Zeit kam Tika mit einem riesigen Teller mit Schinken, gebratenem Maiskuchen und Eiern zurück. Sie warf den Teller mit solcher Kraft vor ihm auf den Tisch, daß die Kuchen einige Zentimeter in die Luft sprangen.

Caramon zuckte wieder zusammen. Er fragte sich kurz, ob er in Anbetracht des empfindlichen Zustandes seines Magens essen konnte, aber er war am Verhungern und konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann er das letzte Mal gegessen hatte. Tika ließ sich auf einen Stuhl neben ihm fallen. Als er kurz aufblickte, sah er ihre grünen Augen funkeln. Ihre Sommersprossen standen deutlich von ihrer Haut ab – ein sicheres Zeichen von Zorn.

»In Ordnung«, knurrte Caramon und aß. »Was soll ich jetzt machen?«

»Du erinnerst dich nicht?«

Caramon wühlte hastig in den nebligen Regionen seines Gehirns. Irgend etwas rührte sich vage. Am Abend zuvor hätte er irgendwo sein sollen. Er war den ganzen Tag zu Hause gewesen, um sich bereitzuhalten. Er hatte Tika versprochen... aber dann war er durstig geworden. Seine Flasche war leer. Er war nur zu einem schnellen Schluck ins Wirtshaus zum Trog gegangen, dann zu... wo... warum... »Ich hatte Geschäfte zu erledigen«, sagte er und wich Tikas Blick aus.

»Ja, dein Geschäft haben wir gesehen«, fuhr ihn Tika bitter an. »Das Geschäft, das dich direkt vor Tanis’ Füßen hat umkippen lassen!«

»Tanis!« Caramon ließ die Gabel fallen. »Tanis... letzte Nacht...« Mit einem verzweifelten Stöhnen ließ der kräftige Mann seinen schmerzenden Kopf in seine Hände sinken.