Выбрать главу

»Spürst du den Geruch?«

Skar nickte. Es war das gleiche rauchige, nicht einmal unangenehme Aroma, das er von Anfang an wahrgenommen hatte. Nur stärker jetzt, viel, viel stärker.

»Es gibt nur ein Wesen, das solche Spuren hinterläßt«, murmelte Gowenna. Sie warf das Pulver zu Boden, klatschte ein paarmal in die Hände und wischte sich die Handflächen an einem Zipfel ihres Umhangs sauber. »Ein Staubdrachen.«

»Aber das ist... völlig unmöglich!« keuchte Skar. Seine Worte klangen lahm und hilflos, und genauso fühlte er sich. Er wußte, daß Gowenna recht hatte, auch ohne das graue Pulver, ohne die Spur und den Geruch, aber er wollte es einfach nicht glauben.

»Du weißt nicht, was du da sagst«, murmelte er verwirrt. »Du mußt dich täuschen. Du ...«

»Ich täusche mich nicht, Skar, und du weißt es. Es gibt auf ganz Enwor nur ein Wesen, das fähig ist, so etwas anzurichten. Und es ist hier. Ganz in unserer Nähe.«

»Aber das bedeutet -«

»Ich weiß, was es bedeutet«, unterbrach ihn Gowenna ruhig. »Er hat unsere Witterung aufgenommen, und er wird nicht wieder von unserer Spur weichen, bis er uns hat. Wahrscheinlich hätte er uns schon heute angegriffen, wäre die Spinne nicht gewesen. Sie hat seinen Blutdurst für eine Nacht gestillt, aber er wird wiederkommen.«

»Du sagst das so ruhig, als ginge es dich überhaupt nichts an«, murmelte Skar.

Gowenna lachte leise, und zum ersten Mal, seit Skar sie kennengelernt hatte, hörte es sich echt an. »Ich verschließe nur nicht die Augen vor den Tatsachen, Satai«, sagte sie nach einer Weile. »Das, was hier geschehen ist, ändert nichts an unserem Plan. Wir werden morgen bei Sonnenaufgang in die Stadt eindringen. Ich zerbreche mir den Kopf über den Drachen, wenn wir zurück sind. Falls wir zurückkommen. Außerdem - es ist dein Problem, nicht?«

»So?«

»Es scheint, als wären die Karten in diesem Spiel mehr zu deinen Ungunsten verteilt, als du glaubst, Skar«, antwortete Gowenna ruhig. »Erinnerst du dich, daß du vorhin zu mir gesagt hast, ich könnte das Kommando haben, wenn ich es wolle?«

Skar nickte. »Es war mir ernst damit, Gowenna. Es gilt noch immer. Jetzt ist nicht die richtige Zeit für Feindschaft oder Neid. Alles, was ich will, ist, nach Ikne zurückzukehren und Del wiederzufinden. Du haßt mich, obwohl ich nicht weiß, warum, aber mir liegt nichts daran, dieses Gefühl zu erwidern. Wir haben zu viele Feinde, um uns auch noch gegenseitig zu bekämpfen.«

Gowenna sah ihn eine Weile ernst und schweigend an. Auch diesmal blieb ihr Gesicht starr; sie lächelte, aber es war nur Maske, kein echtes Gefühl, so, wie er noch nie eine echte Regung in ihren Zügen wahrgenommen hatte. Gowenna schien auch die winzigste Regung steuern, beherrschen zu können. Sie war ein Mensch, der niemals sein wahres Gesicht zeigte und vielleicht so lange auf diese Weise gelebt hatte, daß er gar nicht mehr fähig war, wirkliche Gefühle zu empfinden.

»Ich glaube beinahe, es ist dir Ernst damit«, sagte sie. »Du denkst, ich wäre dein Feind, und du hast recht damit. Aber meine Gefühle zählen nicht, Skar, ebensowenig wie deine oder die von irgendeinem der anderen. Wir sind hier, um den Stein zu holen, und ich werde an nichts anderes denken, bis wir entweder in Ikne oder alle tot sind.«

Skar wollte eine Frage stellen, aber Gowenna sprach schnell und mit erhobener Stimme weiter: »Was zwischen uns ist, spielt keine Rolle, Satai. Es spielt keine Rolle, was ich will. Du kannst mir vertrauen, bis wir unsere Aufgabe erledigt haben. Nicht länger, aber auch keine Sekunde kürzer.«

Skar starrte Gowenna einen Herzschlag lang finster an, wandte sich dann mit einer abrupten Bewegung um und blickte starr in die lodernden Flammen am Horizont.

»Wir sollten gehen«, sagte Gowenna nach einer Weile.

»Noch nicht.« Skar suchte einen Moment vergeblich nach Worten, drehte sich dann wieder um und legte Gowenna die Hand auf die Schulter, bevor sie es verhindern konnte. Er spürte, wie sie unter seiner Berührung zusammenzuckte, als hätte sie sich verbrannt. Aber sie widerstand dem Impuls, seine Hand abzustreifen.

»Vielleicht ist es der falsche Moment«, sagte er sanft, »aber wir werden wahrscheinlich nicht mehr allein miteinander reden können, ehe wir dort hinübergehen, und ich will endlich wissen, woran ich mit dir bin. Du hast mich vom ersten Tage an gehaßt, schon an jenem Abend, als du mich vor der Taverne angesprochen hast. Warum? Was habe ich dir angetan?«

»Nichts«, sagte Gowenna hastig. Sie versuchte jetzt doch, seine Hand abzustreifen, aber Skar hielt sie fest. Sie war stark, sehr stark für eine Frau, aber gegen ihn hatte sie keine Chance. Er spürte, wie sie zu zittern begann, und er konnte ihre plötzliche Unsicherheit beinahe fühlen. Unsicherheit und - ja, und Angst. Keine Furcht, daß er ihr etwas antun könnte - in dieser Beziehung glichen sie sich wie Geschwister. Sie waren beide mit dem Schwert in der Hand aufgewachsen, und der Tod war ihnen so vertraut wie ein Bruder. Aber er hatte ihren Schutzpanzer durchstoßen, hatte durch seine Berührung die Mauer, die sie zwischen sich und der Welt errichtet hatte, unterlaufen, hatte sie aus dem Konzept gebracht wie ein Tier, dessen Fluchtdistanz unversehens unterschritten wird und das in Panik gerät. Für einen winzigen Moment stand er der wahren Gowenna gegenüber, einer Frau, die sich völlig von der unterschied, die er bisher gekannt hatte.

Dann hatte sie sich wieder in der Gewalt. Sie schlug seine Hand mit einem wuchtigen Fausthieb zur Seite, sprang zwei Schritte zurück und zog ihr Schwert halb aus der Scheide.

»Tu das nie wieder, Skar«, sagte sie leise. »Wenn du mich noch einmal berührst, töte ich dich. Es ist mein Ernst.«

»Und warum?« fragte Skar unbeeindruckt. »Widerstrebt es dir, von einem Mann berührt zu werden? Haßt du mich nur, weil ich ein Mann bin, weil ich all das darstelle, was eine Frau in dieser Welt niemals sein kann?« Ihm fiel plötzlich auf, daß er beinahe wörtlich das wiederholte, was Arsan am Vortag gesagt hatte. Er unterdrückte ein Lächeln.

»Ein Mann?« Gowenna warf den Kopf in den Nacken und lachte, laut, schrill und unnatürlich. »Was ist das schon, Skar? Du glaubst, ich wäre lieber ein Mann? Du bist verrückt, Satai, völlig verrückt. Ich hasse euch, das stimmt, euch alle, aber aus anderen Gründen, als du glaubst. Es gibt nichts an euch, auf das ich neidisch sein könnte, absolut nichts. Im Gegenteil - ich bin stolz darauf, eine Frau zu sein.«

»Warum benimmst du dich dann nicht so?« fragte Skar.

Gowenna wurde von einer Sekunde auf die andere wieder ruhig. »Und wie, glaubst du, sollte sich eine Frau benehmen?« fragte sie höhnisch. Sie zog ihr Schwert vollends aus der Scheide und schleuderte es Skar vor die Füße. Die Klinge fuhr eine halbe Handspanne vor Skars Zehen in den Boden und blieb zitternd stecken. »Ist es das?« fragte sie. »Nimmst du mir übel, daß ich gelernt habe, mit dem Schwert umzugehen? Bist du wütend, weil du mir gegenüber nicht den Beschützer spielen kannst, den unbesiegbaren, superklugen, weisen Satai? Oder bist du einer von denen, die meinen, eine Frau gehöre tagsüber hinter den Herd und abends gewaschen und frisch parfümiert ins Bett?«

»Sicher nicht«, antwortete Skar. »Aber ich bin einer von denen, die glauben, daß eine Frau nicht auf das Schlachtfeld gehört.«

»Und warum nicht?« Sie trat vor, riß mit einer zornigen Bewegung das Schwert aus dem Boden und hielt Skar die Waffe dicht vor das Gesicht. »Weil das hier eine Sache der Männer ist, wie? Weil ihr den Gedanken nicht ertragen könnt, daß eine Frau damit ebensogut umzugehen weiß wie ihr?«