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«Ein Pro-bono-Fall.«

«Was ist das?«

«Eine Anwaltstätigkeit ohne Honorar«, sagte Beech.

«So so, eine Anwaltstätigkeit ohne Honorar. Und wer macht die?«

«Anwälte«, erklärte Yarber.»Jeder Anwalt soll ein paar Stunden seiner Zeit in den Dienst von Leuten stellen, die sich keinen Anwalt leisten können.«

«Das ist ein Teil des alten englischen Rechtssystems«, fügte Beech hinzu und machte die Sache damit nicht deutlicher.

«Hat sich hier aber nie so recht durchgesetzt, oder?«fragte Spicer.

«Wir werden uns deinen Fall vornehmen«, sagte Yarber zu Buster.»Sei aber nicht allzu optimistisch.«

«Danke.«

Gemeinsam verließen sie die Cafeteria: drei ehemalige Richter in grünen Chorroben, gefolgt von einem verängstigten jungen Häftling. Von einem verängstigten, aber auch sehr neugierigen Häftling.

ZWEIUNDZWANZIG

Brants Antwort aus Upper Darby, Pa., war in einem dringlichen Ton gehalten:

Lieber Ricky!

Donnerwetter, was für ein Foto! Ich komme noch früher, als ich ursprünglich vorhatte, und zwar am 20. April. Können wir uns dann treffen? Wir hätten das Haus für uns, weil meine Frau noch zwei Wochen länger hier bleiben muss. Die Arme! Wir sind seit 22 Jahren verheiratet, und sie hat noch immer keine Ahnung.

Ich lege ein Foto von mir bei. Das im Hintergrund ist mein Learjet, eins meiner Lieblingsspielzeuge. Wenn du willst, können wir ein bisschen damit herumdüsen.

Schreib mir bitte sofort.

Schöne Grüße Brant

Seinen Nachnamen hatte er auch diesmal nicht angegeben, aber das war kein Problem. Sie würden ihn schnell genug herausfinden.

Spicer betrachtete den Poststempel und wunderte sich einen Augenblick lang, wie kurz die Laufzeit eines Briefes von Philadelphia nach Jacksonville war. Doch das Foto lenkte ihn von diesem Gedanken ab. Es war ein Schnappschuss im Format 10 mal 15 und hatte große Ähnlichkeit, mit den Bildern in Anzeigen für Investmentfonds, die einen angeblich im Handumdrehen zu einem reichen Mann machten. Dort sah man immer einen Glücksritter, der mit stolzgeschwellter Brust neben seinem Jet, seinem Rolls-Royce und seiner möglicherweise neuesten Ehefrau posierte. Brant stand lächelnd und modisch gekleidet in Tennis-Shorts und Pullover vor einem Flugzeug. Ein Rolls war nirgends zu sehen, aber er hatte den Arm um eine attraktive Frau mittleren Alters gelegt.

Es war das erste Foto in ihrer wachsenden Sammlung, auf dem die Frau eines ihrer Brieffreunde zu sehen war. Eigenartig, dachte Spicer. Andererseits hatte Brant sie in beiden Briefen erwähnt. Spicer konnte nichts mehr überraschen. Diese Sache würde ewig weiterlaufen, weil es ein unerschöpfliches Reservoir von potenziellen Opfern gab, die bereit waren, alle Gefahren zu ignorieren.

Brant war durchtrainiert und braun gebrannt. Er hatte kurzes, dunkles, grau meliertes Haar und einen Schnurrbart. Besonders gut sah er zwar nicht aus, aber das konnte Spicer egal sein.

Warum war ein Mann, der so viel besaß, derart unvorsichtig? Weil er immer Risiken eingegangen war und nie einen Rückschlag erlebt hatte. Weil es seinem Lebensstil entsprach. Wenn sie ihm die Daumenschrauben angelegt und einiges Geld abgenommen hatten, würde er für eine Weile kürzer treten und einen Bogen um Kleinanzeigen und anonyme Liebhaber machen, doch ein aggressiver Typ wie Brant würde bald wieder zu seinen alten Gewohnheiten zurückkehren.

Der Kitzel, den jemand empfand, wenn er sich wahllos Liebhaber ins Bett holte, glich die Risiken, denen er sich dabei aussetzte, vermutlich aus. Spicer störte es immer noch, dass ausgerechnet er jeden Tag ein paar Stunden lang versuchte, wie ein Homosexueller zu denken. Beech und Yarber lasen den Brief und betrachteten das Foto. In dem beengten Raum herrschte vollkommene Stille. War das ihr dicker Fisch?

«Was meint ihr, was dieser Jet kostet?«fragte Spicer, und alle drei lachten. Es war ein nervöses Lachen, als könnten sie es noch immer nicht ganz glauben.

«Ein paar Millionen«, sagte Beech. Da er aus Texas stammte und mit einer reichen Frau verheiratet gewesen war, nahmen die anderen beiden an, dass er mehr von Flugzeugen verstand als sie.»Das ist ein kleiner Learjet.«

Spicer hätte sich auch mit einer kleinen Cessna zufrieden gegeben, wenn er nur hätte einsteigen und von hier verschwinden können. Yarber wollte kein Flugzeug. Er wollte ein Flugticket, und zwar erster Klasse, wo man Champagner bekam und zwei Menüs und die Wahl zwischen mehreren Filmen hatte. Einen Erster-Klasse-Flug über den Ozean, weit weg von diesem Land.

«Lassen wir die Bombe platzen«, sagte Yarber.

«Wie viel?«fragte Beech, der noch immer auf das Foto starrte.

«Mindestens eine halbe Million«, sagte Spicer.»Und wenn wir die haben, fordern wir noch mehr.«

Schweigend saßen sie da. Jeder berechnete seinen Anteil von einer halben Million Dollar. Trevors Drittel erwies sich plötzlich als störend. Er würde 167000 Dollar einstreichen, und jedem von ihnen blieben dann noch 111 000 Dollar. Nicht schlecht für einen Knastvogel, aber es hätte bedeutend mehr sein können. Warum sollte der Anwalt eigentlich so viel kassieren?

«Wir werden Trevors Honorar kürzen«, verkündete Spicer.»Ich denke schon seit einiger Zeit darüber nach. Von jetzt an werden wir das Geld durch vier teilen, und jeder bekommt den gleichen Anteil.«

«Darauf wird er sich nicht einlassen«, sagte Yarber.

«Es wird ihm wohl nichts anderes übrig bleiben.«

«Es ist nur gerecht«, sagte Beech.» Wir machen die ganze

Arbeit, und er kriegt mehr als einer von uns. Ich finde auch,

wir sollten seinen Anteil kürzen.«

«Ich werd's ihm am Donnerstag sagen.«

Zwei Tage später traf Trevor um kurz nach vier in Trumble ein. Er hatte einen besonders schlimmen Kater, der sich nicht einmal nach der zweistündigen Mittagspause und dem daran anschließenden einstündigen Nickerchen verziehen wollte.

Joe Roy schien heute besonders reizbar. Er reichte Trevor die ausgehende Post, hielt aber einen

großformatigen roten Umschlag zurück.»Wir sind drauf und dran, diesen Typen hochgehen zu lassen«, sagte er und klopfte mit dem Umschlag auf den Tisch.

«Wer ist er?«

«Brant Soundso, aus der Nähe von Philadelphia. Er versteckt sich hinter seinem Postfach. Du wirst also Nachforschungen anstellen lassen müssen.«

«Wie viel?«

«Eine halbe Million.«

Trevor kniff die roten Augen zusammen. Der Mund stand ihm offen. Er rechnete im Kopf: 167000 Dollar in seine Tasche. Sein Leben als Skipper rückte immer näher. Vielleicht brauchte er gar keine volle Million, um seine Bürotür verschließen und in der Karibik verschwinden zu können. Vielleicht würde eine halbe Million reichen. Und bis dahin war es nicht mehr weit.

«Du machst Witze«, sagte er, obgleich er wusste, dass das kein Witz war. Spicer hatte keinen Sinn für Humor, und besonders, wenn es um sein Geld ging, verstand er keinen Spaß.

«Nein. Und wir verkleinern deinen Anteil.«

«Ohne mich. Wir haben eine Abmachung.«

«Abmachungen kann man ändern. Von jetzt an kriegst du genau so viel wie wir. Ein Viertel.«

«Kommt nicht in Frage.«

«Dann bist du gefeuert.«-»Ihr könnt mich nicht feuern.«

«Ich hab's gerade getan. Glaubst du vielleicht, wir finden keinen anderen geldgierigen Anwalt, der unsere Post rein- und rausschmuggelt?«

«Ich weiß zu viel«, sagte Trevor. Seine Wangen röteten sich, und sein Mund war mit einem Mal ganz ausgetrocknet.

«Überschätz dich nicht. So wertvoll bist du auch wieder nicht.«

«Doch, bin ich. Ich weiß alles, was hier läuft.«

«Genau wie wir, mein Lieber. Der einzige Unterschied ist, dass wir schon im Gefängnis sitzen. Du bist derjenige, der am meisten zu verlieren hat. Wenn du uns dumm kommst, sitzt du sehr bald auf dieser Seite des Tisches.«