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Sie gingen weiter, etwas langsamer jetzt.»Eine Frage, Mr. Yarber«, sagte Buster.»Wenn Sie achtundvierzig Jahre vor sich hätten, würden Sie dann abhauen?«

«Ja.«

«Ich habe aber keinen Cent.«

«Ich schon.«

«Würden Sie mir helfen?«

«Mal sehen. Lass dir erst mal Zeit. Leb dich hier ein. Im Augenblick haben sie ein Auge auf dich, weil du neu bist, aber in ein paar Wochen ist das vorbei.«

Buster lächelte. Seine Strafe war soeben drastisch reduziert worden.

«Du weißt, was passiert, wenn sie dich erwischen?«fragte Yarber.

«Ja, sie brummen mir noch ein paar Jahre auf. Was soll's? Vielleicht kriege ich dann achtundfünfzig Jahre. Nein, wenn sie mich erwischen, bringe ich mich um.«

«Das würde ich auch tun. Aber du musst dich darauf gefasst machen, das Land zu verlassen.«

«Und wohin soll ich dann gehen?«

«Irgendwohin, wo du wie ein Einheimischer aussiehst und man dich nicht an die USA ausliefert.«»Wie zum Beispiel?«

«Argentinien oder Chile. Sprichst du Spanisch?«

«Nein.«

«Dann fang an, es zu lernen. Du kannst hier Spanischunterricht nehmen. Frag mal ein paar von den Jungs aus Miami.«

Sie gingen schweigend eine Runde. Buster überdachte seine Zukunft. Seine Füße waren leichter, er ging aufrechter, und auf seinem Gesicht lag ein Lächeln.

«Warum helfen Sie mir?«fragte er Yarber.

«Weil du dreiundzwanzig bist. Zu jung und zu unschuldig. Das System hat dich einfach überrollt, und du hast das Recht, dich auf jede nur mögliche Art zu wehren. Hast du eine Freundin?«

«Irgendwie schon.«

«Vergiss sie. Sie wird dich nur in Schwierigkeiten bringen. Außerdem: Glaubst du im Ernst, dass sie achtundvierzig Jahre warten wird?«

«Das hat sie gesagt.«

«Dann hat sie gelogen. Sie sieht sich schon nach einem anderen um. Wenn du nicht geschnappt werden willst, vergiss sie.«

Wahrscheinlich hat er recht, dachte Buster. Er hatte noch keinen Brief von ihr bekommen, und obwohl sie nur vier Stunden entfernt lebte, hatte sie ihn noch nicht besucht. Sie hatten zweimal miteinander telefoniert, aber sie schien sich nur dafür zu interessieren, ob er von anderen Häftlingen angegriffen worden war.

«Hast du Kinder?«fragte Yarber.

«Nicht dass ich wüsste.«

«Und was ist mit deiner Mutter?«

«Sie ist gestorben, als ich noch ganz klein war. Mein Vater hat mich aufgezogen. Wir haben ganz allein gelebt.«

«Dann bist du der ideale Ausbruchskandidat.«

«Ich würde am liebsten sofort abhauen.«

«Hab Geduld. Das muss sorgfältig geplant werden.«

Sie gingen noch eine Runde, und Buster spürte den Drang loszurennen. Ihm fiel nichts ein, was er in Pensacola verpassen würde. Auf der Highschool hatte er in Spanisch gute Noten gehabt. Er hatte zwar alles wieder vergessen, doch das Lernen war ihm immer leicht gefallen. Er würde keine Probleme damit haben. Er würde den Spanischkurs belegen und möglichst viel Zeit mit den Latinos verbringen.

Je länger er ging, desto mehr wünschte er sich, dass sein Urteil bestätigt wurde. Je eher, desto besser. Wenn sein Urteil kassiert würde, müsste er eine neue Verhandlung durchstehen, und in die Geschworenen, die dann über seinen Fall entscheiden würden, setzte er kein Vertrauen.

Buster wollte losrennen, quer über die Wiese zum Wald und dann weiter zur Landstraße. Was er dort tun würde, wusste er noch nicht. Aber wenn ein verrückter Bankier fliehen und es bis nach Cocoa Beach schaffen konnte, konnte er das auch.

«Warum sind Sie nicht geflohen?«fragte er Yarber.

«Ich hab daran gedacht. Aber in fünf Jahren komme ich raus. So lange halte ich es schon noch aus. Dann bin ich fünfundsechzig und in guter körperlicher Verfassung, und statistisch habe ich dann noch sechzehn Jahre vor mir. Und dafür lebe ich, Buster, für diese sechzehn Jahre. Ich will nicht ständig über meine Schulter sehen müssen.«

«Und wohin werden Sie dann gehen?«

«Das weiß ich noch nicht. Vielleicht lasse ich mich in einem kleinen Dorf in Italien nieder. Vielleicht auch in Peru, irgendwo in den Bergen. Die ganze Welt wird mir offen stehen. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht ein paar Stunden davon träume.«

«Dann haben Sie also eine Menge Geld?«

«Nein, aber ich arbeite daran.«

Das warf eine Reihe von Fragen auf, aber Buster hielt sich zurück. Er war dabei zu lernen, dass man im Gefängnis lieber nicht zu viele Fragen stellte.

Als er genug gelaufen war, blieb er bei seinem Rasentrimmer stehen.»Vielen Dank, Mr. Yarber«,

sagte er.

«Nichts zu danken. Aber behalt das alles für dich.«

«Klar. Wenn es so weit ist, bin ich bereit.«

Yarber ging weiter und drehte die nächste Runde. Seine Shorts waren schweißgetränkt, und auch aus dem grauen Pferdeschwanz tropfte der Schweiß. Buster sah ihm nach und ließ den Blick dann über die Wiese zum Waldrand schweifen.

Er hatte das Gefühl, als könnte er bis nach Südamerika sehen.

VIERUNDZWANZIG

Aaron Lake und Gouverneur Tarry hatten zwei lange, anstrengende Monate damit verbracht, durch das Land zu reisen und 26 Bundesstaaten mit beinahe 25 Millionen Stimmen zu beackern. Dafür hatten sie 18-Stunden-Tage und einen Termin nach dem anderen auf sich genommen — den typischen Wahnsinn einer Präsidentschaftskandidatur.

Doch ebenso große Mühen hatten sie darauf verwendet, einer direkten Debatte aus dem Weg zu gehen. Während der ersten Vorwahlen hatte Tarry keine gewollt, weil er als Favorit galt. Er verfügte über Geld und die nötige Organisation, und die Umfrageergebnisse sprachen für ihn. Warum hätte er seinen Gegner aufwerten sollen? Lake wollte keine Debatte, weil er in diesem Präsidentschaftswahlkampf ein Neuling war, und außerdem war es weit angenehmer, sich hinter einem Drehbuch und einer freundlichen Kamera zu verstecken und Werbespots zu machen, wenn es nötig war. Die Risiken einer live übertragenen Auseinandersetzung waren viel zu hoch.

Auch Teddy gefiel dieser Gedanke gar nicht.

Doch Wahlkämpfe entwickeln eine eigene Dynamik. Favoriten verblassen, unbedeutende Themen werden bedeutend, und die Presse kann aus purer Langeweile Kleinigkeiten zu einer Krise hochstilisieren.

Tarry fand, dass er eine Debatte brauchte, weil seine Mittel erschöpft waren und er eine Vorwahl nach der anderen verlor.»Aaron Lake versucht, diese Wahl zu kaufen«, sagte er immer wieder.»Und ich will ihn zur Rede stellen, von Mann zu Mann. «Das klang gut, und die Presse walzte es genüsslich breit.

«Er läuft vor einer direkten Auseinandersetzung davon «, erklärte Tarry, und auch das gefiel der Meute.

«Der Gouverneur ist mir seit Michigan konsequent aus dem Weg gegangen«, war Lakes stereotype Antwort.

Und so spielten sie drei Wochen lang das Er-läuft-vor-mir-davon-Spiel, bis ihre Mitarbeiter die Einzelheiten ausgearbeitet hatten.

Lake zögerte, aber auch er brauchte ein Forum. Zwar gewann er Woche um Woche, doch gegen einen Konkurrenten, der schon seit geraumer Zeit immer schwächer wurde. Sowohl die von ihm selbst als auch die vom IVR in Auftrag gegebenen Umfragen zeigten, dass die Wähler sich ziemlich stark für ihn interessierten, allerdings hauptsächlich, weil er neu war, gut aussah und anscheinend die Qualifikationen für ein hohes Amt besaß.

Und was nur Eingeweihte wussten: Die Umfrageergebnisse enthüllten auch einige Bereiche, in denen Lake nicht sehr gut aussah. Der erste betraf Lakes Beschränkung auf ein einziges Thema. Der Rüstungsetat war für die Wähler nur für eine begrenzte Zeit von Interesse, und die Umfragen zeigten, dass viele wissen wollten, welche Haltung er zu anderen Fragen einnahm.

Zweitens lag Lake bei einer hypothetischen Gegenüberstellung noch immer fünf Prozent hinter dem Vizepräsidenten. Dem waren die Wähler zwar nicht sonderlich zugeneigt, doch immerhin wussten sie, wer er war. Lake dagegen war den meisten ein Rätsel. Außerdem würden Lake und der Vizepräsident vor den Wahlen im November einige Male aufeinander treffen. Lake, dessen Nominierung schon beinahe sicher war, brauchte Übung.