«In Chevy Chase, Maryland. Schreib's dir auf: AI Konyers, Box 455, Mailbox America, 39380 Western Avenue, Chevy Chase. Sei äußerst vorsichtig — dieser Typ könnte Freunde haben, und es ist möglich, dass jemand anders das Ding bereits im Auge behält. Nimm ein bisschen Bargeld mit, und setz ein paar gute Detektive darauf an.«
«Ich bin hier gerade ziemlich beschäftigt.«
«Ja, tut mir leid, dass ich dich geweckt habe. Verlier keine Zeit, Trevor. Mach dich heute noch auf den Weg. Und komm nicht zurück, bevor du nicht weißt, wem das Postfach gehört.«
«Na gut, na gut.«
Spicer legte auf, und Trevor legte die Füße wieder auf den Schreibtisch und sah aus, als wollte er sein Nickerchen fortsetzen. In Wirklichkeit dachte er nach. Wenig später rief er Jan zu, sie solle ihm einen Flug nach Washington heraussuchen.
In seinen vierzehn Jahren an der Front hatte Klockner es noch nie erlebt, dass so viele Leute jemanden überwachten, der so wenig tat. Er führte ein kurzes Gespräch mit Deville in Langley. Danach kam Leben in die Agenten. Es war Zeit für die Wes-und-Chap-Show.
Wes ging hinüber, öffnete die quietschende Tür, von der die Farbe abblätterte, und betrat die Kanzlei von Rechtsanwalt L. Trevor Carson. Wes trug eine Khakihose, einen Baumwollpullover, Slipper und keine Socken, und als Jan ihn mit ihrem üblichen schiefen Grinsen begrüßte, wusste sie nicht, ob er ein Einheimischer oder ein Tourist war.»Was kann ich für Sie tun?«fragte sie.
«Ich muss dringend mit Mr. Carson sprechen«, sagte Wes mit Verzweiflung in der Stimme.
«Haben Sie einen Termin?«fragte sie, als wäre ihr Chef so beschäftigt, dass sie nicht imstande war, den Überblick zu behalten.
«Äh, nein, es ist gewissermaßen ein Notfall.«
«Er hat sehr viel zu tun«, sagte sie, und Wes konnte beinahe das Gelächter im Haus gegenüber hören.»Bitte. Ich muss einfach mit ihm sprechen.«
Sie verdrehte die Augen und gab sich eisern.»Um was geht es denn?«
«Ich komme gerade von der Beerdigung meiner Frau«, sagte er, den Tränen nahe, und endlich zeigten sich Risse in Jans Abwehr.»Das tut mir sehr leid«, sagte sie. Armer Kerl.
«Sie ist bei einem Unfall auf der 1-95, ein kleines Stück nördlich von Jacksonville, ums Leben gekommen.«
Jan war inzwischen aufgestanden und wünschte, sie hätte frischen Kaffee gekocht.»Wie schrecklich. Wann ist das passiert?«
«Vor zwölf Tagen. Ein Freund hat mir Mr. Carson empfohlen.«
Das konnte kein guter Freund gewesen sein.»Möchten Sie einen Kaffee?«fragte sie und schraubte den Deckel auf das Nagellackfläschchen. Vor zwölf Tagen. Wie alle guten Anwaltssekretärinnen las sie täglich die Zeitung und achtete auf Unfallmeldungen. Es war ja immerhin möglich, dass ein Unfallopfer zur Tür hereinmarschiert kam.
Allerdings nicht durch Trevors Tür. Bis jetzt.
«Nein, danke«, sagte Wes.»Es war ein Tankwagen. Der Fahrer war betrunken.«
«Oh Gott!«rief sie und schlug die Hand vor den Mund. Bei so einem Fall konnte nicht einmal Trevor etwas falsch machen.
Viel Geld, ein dickes Honorar, und der Typ stand direkt vor ihr, während ihr blöder Chef in seinem Zimmer saß und seinen Mittagsrausch ausschlief.
«Er nimmt gerade eine eidesstattliche Erklärung auf«, sagte sie.»Ich will mal sehen, ob ich ihn stören kann. Nehmen Sie doch Platz. «Am liebsten hätte sie die Eingangstür abgeschlossen, damit er nicht entkommen konnte.
«Mein Name ist Yates. Yates Newman«, sagte er hilfsbereit.
«Gut. «Sie eilte durch den Korridor, klopfte höflich an Trevors Tür und trat ein.»Wachen Sie auf, Sie Penner!«zischte sie mit zusammengebissenen Zähnen, allerdings laut genug, dass Wes es hören konnte.
«Was ist los?«sagte Trevor, sprang auf und nahm die Fäuste hoch, als müsste er sich gegen einen Angriff verteidigen. Er hatte nicht geschlafen, sondern in einem alten Magazin geblättert.
«Stellen Sie sich vor: Sie haben einen Mandanten.«
«Wer ist es?«
«Ein Mann, dessen Frau vor zwölf Tagen von einem Tankwagen überfahren worden ist. Er will sofort mit Ihnen sprechen.«
«Er ist hier?«
«Ja. Kaum zu glauben, was? Es gibt 3000 Anwälte in Jacksonville, und der arme Kerl kommt ausgerechnet zu Ihnen. Er behauptet, ein Freund hätte Sie ihm empfohlen.«
«Und was haben Sie ihm gesagt?«
«Dass er bei der Wahl seiner Freunde vorsichtiger sein sollte.«
«Nein, im Ernst, was haben Sie ihm gesagt?«
«Dass Sie gerade eine eidesstattliche Erklärung aufnehmen.«
«Ich hab seit acht Jahren keine eidesstattliche Erklärung mehr aufgenommen. Schicken Sie ihn rein.«
«Nur die Ruhe. Ich werde ihm einen Kaffee machen. Tun Sie so, als hätten Sie hier noch ein paar wichtige Sachen zu erledigen. Vielleicht sollten Sie hier schnell noch ein bisschen aufräumen.«
«Sorgen Sie dafür, dass er nicht weggeht.«
«Der Tankwagenfahrer war betrunken«, sagte sie und öffnete die Tür.»Versauen Sie's nicht.«
Trevor erstarrte mit offenem Mund und glasigem Blick. Seine Gedanken überschlugen sich. Ein Drittel von zwei, vier, ach was, zehn Millionen, wenn der Fahrer wirklich betrunken gewesen war und man erhöhten Schadenersatz geltend machen konnte. Er wollte wenigstens auf seinem Schreibtisch ein wenig Ordnung schaffen, doch er konnte sich nicht rühren.
Wes starrte aus dem Fenster auf das Haus gegenüber, wo seine Kollegen saßen und zurückstarrten. Er hatte Trevors Büro den Rücken zugekehrt, weil es ihn Mühe kostete sein Gesicht zu verziehen. Er hörte Schritte und dann Jans Stimme-
«Mr. Carson wird Sie gleich empfangen.«
«Danke «sagte er ohne sich umzudrehen.
Der arme Kerl ist noch nicht darüber hinweg, dachte sie und ging in die schmutzige Küche, um Kaffee zu kochen.
Die Aufnahme der eidesstattlichen Erklärung war im Nu erledigt und viele anderen Beteiligten waren wie durch ein Wunder spurlos verschwunden. Wes folgte Jan in Mr. Carson aufgeräumtes Büro. Man stellte sich einander vor. Jan brachte frischen Kaffee, und als sie endlich gegangen war, hatte Wes eine ungewöhnliche Bitte.
«Gibt es hier irgendwo ein Lokal, wo man einen starken Cafe latte bekommen kann?<<
«Aber na klar«, sagte Trevor. Seine Worte sprangen geradezu über den Tisch.»Ein paar Blocks von hier ist ein Cafe namens Beach Java.«
«Könnten Sie ihre Sekretärin hinschicken und mir einen holen lassen?;<
Selbstverständlich! Was für eine Frage!
«Natürlich. Mittel oder groß?«
«Mittel, bitte."
Trevor eilte hinaus' und wenige Sekunden später schloss Jan die Haustür hinter sich zu und rannte fast die Straße hinunter. Als sie außer Sicht war' ging Chap hinüber in Trevors Kanzlei und öffnete die Tür mit seinem eigenen Schlüssel. Dann legte er die Sicherheitskette vor, so dass Jan mit einem Becher heißem Cafe latte auf der
Veranda stehen würde.
Chap schlenderte durch den Flur und riss die Tür zu Trevors Büro auf» Würden Sie bitte draußen — «, begann Trevor.
«Ist schon in Ordnung«, sagte Wes.»Er gehört zu mir.«
Chap verriegelte die Tür, zog eine 9-mm-Pistole aus der Jackentasche und zielte in Richtung Trevor, dessen Augen sich weiteten, während ihm das Herz in die Hose rutschte.
«Was — «, stieß er mit hoher, halberstickter Stimme hervor.
«Halten Sie den Mund«, sagte Chap und reichte die Pistole Wes, der noch immer vor dem Schreibtisch saß. Trevors entsetzter Blick folgte der Waffe, bis sie in Wes' Jackentasche verschwand. Was habe ich getan? Wer sind diese Kerle? Ich hab doch alle meine Spielschulden bezahlt.
Er war sehr damit einverstanden, den Mund zu halten. Er würde tun, was immer sie sagten.
Chap lehnte sich an die Wand, ziemlich nahe bei Trevor, als wollte er sich jeden Augenblick auf ihn stürzen.»Wir haben einen Klienten«, sagte er.»Einen reichen Mann, der sich in der Schlinge gefangen hat, die Ricky und Sie ausgelegt haben.«