«Oh Gott!«murmelte Trevor. Sein schlimmster Alptraum wurde wahr.
«Eine wunderbare Idee«, sagte Wes.»Man erpresst Geld von reichen Männern, die ihre Veranlagung geheim halten wollen. Die können sich schließlich nicht wehren. Und Ricky ist ja schon im Knast und hat also nichts zu verlieren.«
«Fast perfekt«, ergänzte Chap.»Es sei denn, ihr kriegt den falschen Fisch an den Haken, und genau das ist jetzt passiert.«
«Ich hab mir das nicht ausgedacht«, sagte Trevor. Seine Stimme war noch immer zwei Oktaven höher als sonst, und seine Augen suchten nach der Pistole.
«Ja, aber ohne Sie würde die Sache nicht funktionieren, oder?«fragte Wes.»Ohne einen kriminellen Anwalt, der die Post rein- und rausschmuggelt, geht es nicht. Und Ricky braucht jemanden, der das Geld weiterleitet und ein bisschen Detektivarbeit leistet.«
«Sie sind keine Cops, oder?«fragte Trevor.
«Nein. Wir sind private Ermittler«, antwortete Chap.
«Denn wenn Sie Cops sind, sage ich lieber nichts mehr.«
«Wir sind keine Cops.«
Trevor bekam wieder Luft und dachte nach. Das Atmen fiel ihm leichter als das Denken, doch seine Routine half ihm.»Ich glaube, ich werde das hier lieber aufnehmen«, sagte er.»Nur für den Fall, dass Sie doch Cops sind.«
«Ich sagte, wir sind keine Cops.«
«Ich traue den Cops nicht, besonders dem FBI. Irgendwelche FBI-Typen würden hier genau so reinspaziert kommen wie Sie. Sie würden mit einer Kanone herumfuchteln und Stein und Bein schwören, dass sie nicht vom FBI sind. Ich mag einfach keine Cops. Also werde ich das hier aufnehmen.«
Am liebsten hätten sie gesagt: Keine Sorge, alter Freund, das erledigen wir bereits. Es wurde alles aufgezeichnet, live und mit einer hochauflösenden Digital-Farbkamera, die in der Decke, ein paar Meter hinter ihnen, angebracht war. Und rings um Trevors unaufgeräumten Schreibtisch waren so viele Mikrofone montiert, dass er nicht schnarchen, rülpsen oder seine Knöchel knacken lassen konnte, ohne dass irgendjemand im Haus gegenüber es hörte.
Die Pistole wurde wieder hervorgeholt. Wes hielt sie in den Händen und betrachtete sie nachdenklich.
«Sie werden hier gar nichts aufnehmen«, stellte Chap fest.»Wie ich schon sagte: Wir sind private Ermittler. Und wir bestimmen die Regeln. «Er trat einen Schritt näher. Trevor behielt ihn im Auge und versuchte, keine unbedachte Bewegung zu machen.
«Und wir sind in friedlicher Absicht hier«, fuhr Chap fort.
«Wir haben Geld für Sie dabei«, ergänzte Wes und steckte das verdammte Ding wieder ein.
«Geld für was?«fragte Trevor.
«Wir wollen Sie zur Zusammenarbeit überreden. Wir würden gern Ihre Dienste in Anspruch nehmen.«
«Und was soll ich tun?«
«Uns helfen, unseren Klienten zu schützen«, sagte Chap.»Wir sehen die Sache so: Sie sind Mitglied einer kriminellen Vereinigung. Sie arbeiten mit jemandem zusammen, der im Gefängnis sitzt und von dort aus Leute erpresst, und wir haben Sie aufgespürt. Wir könnten jetzt zur Polizei gehen und Sie und Ihren Kumpel hochgehen lassen. Sie würden zweieinhalb Jahre Knast kriegen und wahrscheinlich nach Trumble kommen, wohin Sie übrigens gut passen würden. Man würde Ihnen die Anwaltszulassung entziehen, und das würde bedeuten, dass Sie all das hier verlieren. «Chap machte eine lässige Handbewegung, die das Durcheinander, den Staub und die seit Jahren unberührten Akten einschloss.
Wes nahm den Gedanken auf.»Wir könnten zur Polizei gehen und die Erpresserbriefe aus Trumble stoppen. Unserem Klienten würde die Bloßstellung wahrscheinlich erspart bleiben. Aber es bleibt ein Restrisiko, das unser Klient nicht eingehen will. Was ist, wenn Ricky in Trumble oder draußen noch einen anderen Helfer hat, von dem wir nichts wissen und der das Geheimnis unseres Klienten lüften könnte?«
Chap schüttelte den Kopf.»Zu riskant. Wir fänden es viel besser, wenn Sie mit uns zusammenarbeiten würden, Trevor. Wir würden Sie lieber kaufen und die Sache von diesem Büro aus beenden.«
«Ich bin nicht käuflich«, sagte Trevor mit nicht sehr viel Überzeugung.
«Dann mieten wir Sie eben für eine Weile. Was halten Sie davon?«fragte Wes.»Soviel ich weiß, werden Anwälte doch sowieso stundenweise gemietet.«
«Das stimmt wohl. Aber Sie erwarten von mir, dass ich meinen Mandanten verkaufe.«
«Ihr Mandant ist ein Verbrecher, der im Gefängnis sitzt und täglich weitere Verbrechen begeht. Und Sie sind genauso schuldig wie er. Sie sollten Ihre Scheinheiligkeit also auf ein Minimum begrenzen.«
«Als Krimineller haben Sie das Recht, sich im Recht zu fühlen, verwirkt, Trevor«, sagte Chap ernst.»Also halten Sie uns keine Predigten. Wir wissen, dass es hier nur um die Höhe der Summe geht.«
Trevor vergaß für einen Augenblick nicht nur die Pistole, sondern auch seine Zulassung als Anwalt, die ein wenig schief hinter ihm an der Wand hing. Und wie so oft in letzter Zeit, wenn er mit den unangenehmen Seiten des Anwaltsberufs konfrontiert war, schloss er die Augen und träumte von einem Segelboot, das im warmen, ruhigen Wasser einer verborgenen Bucht vor Anker lag; am hundert Meter entfernten Ufer tummelten sich hübsche Mädchen mit nacktem Busen, und er selbst saß spärlich bekleidet an Deck und nippte an einem Drink. Er roch das Salzwasser, er spürte die leise Brise, er schmeckte den Rum, er hörte das Lachen der Mädchen.
Schließlich schlug er die Augen auf und versuchte, sich auf Wes, der ihm gegenübersaß, zu konzentrieren.»Wer ist Ihr Klient?«fragte er.
«Immer schön langsam«, sagte Chap.»Erst müssen wir uns einig werden.«
«Worüber?«
«Wir geben Ihnen Geld, und Sie arbeiten als Doppelagent. Wir bekommen Einblick in alles. Wenn Sie mit Ricky reden, werden Sie verdrahtet. Wir kontrollieren die Post. Sie unternehmen nichts, ohne sich mit uns abzustimmen.«
«Warum bezahlen Sie nicht einfach das geforderte Geld?«fragte Trevor.»Das wäre doch viel unkomplizierter. «
«Darüber haben wir auch schon nachgedacht«, sagte Wes.»Aber Ricky spielt nicht fair. Wenn wir das Geld bezahlen würden, wäre er im Nu wieder da und würde mehr fordern. Und noch mehr und noch mehr.«
«Nein, würde er nicht.«
«Tatsächlich? Und was ist mit Quince Garbe in Bakers, lowa?«
Oh Gott, dachte Trevor. Beinahe hätte er es laut ausgesprochen. Wie viel wussten sie? Alles, was er herausbrachte, war ein schwaches:»Wer ist das?«
«Also bitte, Trevor«, sagte Chap.»Wir wissen, dass das Geld auf den Bahamas ist. Wir wissen von Boomer Realty und Ihrem Konto, auf dem im Augenblick nicht ganz siebzigtausend Dollar liegen.«
«Wir haben so tief gegraben, wie wir konnten, Trevor«, sagte Wes. Die beiden waren perfekt aufeinander eingespielt. Trevor hatte das Gefühl, einem Tennismatch zuzusehen: hin und her, hin und her.»Aber dann sind wir auf gewachsenen Fels gestoßen, und darum brauchen wir Sie.«
Trevor hatte Spicer noch nie gemocht. Er war ein kalter, böser, rücksichtsloser Mann, der die Frechheit besessen hatte, seinen Anteil zu kürzen. Beech und Yarber waren in Ordnung, aber das spielte keine große Rolle. Trevor blieben nicht sehr viele Möglichkeiten.»Wie viel?«fragte er.
«Unser Klient ist bereit, hunderttausend Dollar in bar zu zahlen«, sagte Chap.
«Natürlich in bar«, sagte Trevor.»Und hunderttausend Dollar — das soll wohl ein Witz sein. Das wäre Rickys erste Forderung. Meine Selbstachtung ist ein ganzes Stück mehr wert als hunderttausend Dollar.«
«Zweihunderttausend«, sagte Wes.
«Gehen wir die Sache doch lieber von der anderen Seite an«, sagte Trevor und versuchte, sein Herzklopfen zu unterdrücken.»Wie viel wäre es Ihrem Klienten wert, wenn sein kleines Geheimnis bewahrt würde?«
«Und Sie wären bereit, es zu bewahren?«fragte Wes.
«Ja.«
«Einen Augenblick«, sagte Chap und zog ein Handy aus der Tasche. Er öffnete die Tür, trat in den Flur und tippte dabei eine Nummer ein. Dann murmelte er etwas, das Trevor nicht verstehen konnte. Wes starrte an die Wand. Die Pistole lag friedlich neben seinem Stuhl. Trevor konnte sie nicht sehen, obwohl er es versuchte.