«Ich an eurer Stelle würde mir einen neuen Klienten suchen«, sagte Trevor und lachte über seinen Witz.
«Tja, dann muss ich wohl für drei trinken«, verkündete er mitten im Hauptgang und machte sich daran, seine Ankündigung wahr zu machen.
Zu ihrer Erleichterung stellten sie fest, dass er ein friedfertiger Betrunkener war. Sie schenkten ihm immer wieder nach, um herauszufinden, wann er genug haben würde. Er wurde immer stiller und sank in sich zusammen, und lange nach dem Dessert gab er dem Kellner ein 300-Dollar-Trinkgeld und ließ sich von ihnen zum Wagen helfen. Sie fuhren ihn nach Hause.
Als Wes das Licht ausschaltete, lag Trevor in seiner verknitterten Hose und dem weißen Baumwollhemd schnarchend auf dem Bett. Seine Fliege war aufgebunden, doch die Schuhe hatte er nicht ausgezogen. Er drückte den neuen Aktenkoffer mit beiden Armen an die Brust. Das Telegramm mit der Benachrichtigung, das Geld sei auf seinem Konto eingegangen, war um kurz vor fünf Uhr gekommen. Klockner hatte Wes und Chap angewiesen, Trevor betrunken zu machen, um zu sehen, wie er sich unter diesen Umständen verhielt, und ihn am nächsten Morgen in die Mangel zu nehmen.
Um halb acht öffneten sie seine Haustür mit ihrem Schlüssel und stellten fest, dass Trevor sich seit gestern Abend offenbar kaum bewegt hatte. Er hatte einen Schuh ausgezogen und sich auf die Seite gedreht, presste den Koffer aber immer noch an sich, als wäre es ein Football.
«Aufstehen, los, los!«schrie Chap, während Wes das Licht anschaltete, die Rollos hochzog und so viel Lärm wie möglich machte. Trevor rappelte sich auf, verschwand im Badezimmer, duschte rasch und erschien zwanzig Minuten später in gebügelten Kleidern und mit ordentlich gebundener Fliege in seinem Wohnzimmer. Seine Augenlider waren leicht geschwollen, doch er lächelte und schien entschlossen, den Tag mit frischen Kräften zu beginnen.
Die eine Million Dollar half ihm enorm. Eigentlich hatte er noch nie einen Kater so schnell überwunden.
Im Beach Java tranken sie starken Kaffee und aßen ein Muffin, und dann fuhren sie zur Kanzlei. Chap setzte sich an den Empfang, während Wes und Trevor sich im Büro an die Arbeit machten.
Manches hatten sie bereits im Verlauf des Abendessens erfahren. Trevor hatte schließlich die Namen seiner Komplizen ausgespuckt, und Wes und Chap hatten sehr überzeugend große Überraschung geheuchelt.
«Drei Richter?«hatten beide ungläubig wiederholt.
Trevor hatte gelächelt und stolz genickt, als hätte er allein sich diesen meisterhaften Plan ausgedacht. Er wollte, dass sie glaubten, er sei intelligent und gerissen genug, um drei ehemalige Richter dazu zu bringen, Briefe an einsame homosexuelle Männer zu schreiben, damit er ein Drittel des erpressten Geldes einstreichen konnte. Tja, er war im Grunde ein Genie.
Andere Teile des Rätsels waren noch ungelöst, und Wes war entschlossen, Trevor so lange unter Verschluss zu behalten, bis er mit den Antworten herausrückte.
«Unterhalten wir uns mal über Quince Garbe«, sagte er.»Sein Postfach war von einer nicht existenten Firma gemietet. Wie haben Sie rausgekriegt, wer er ist?«
«Das war ganz einfach«, sagte Trevor und war abermals sehr stolz auf sich. Er war nicht nur ein Genie, sondern auch sehr reich. Gestern Morgen war er mit Kopfschmerzen aufgewacht, hatte sich eine halbe Stunde im Bett herumgewälzt und sich Sorgen über seine Spielverluste, den Niedergang seiner Kanzlei und seine zunehmende Abhängigkeit von der Bruderschaft und ihren Erpressungen gemacht. 24 Stunden später war er mit noch schlimmeren Kopfschmerzen aufgewacht, aber die eine Million Dollar hatte sich als ein wirksamer Balsam erwiesen.
Er war euphorisch und zappelig und hatte es eilig, diese Sache hinter sich zu bringen, damit er sein erträumtes Leben beginnen konnte.
«Ich habe einen Privatdetektiv in Des Moines beauftragt«, sagte er, nahm einen Schluck Kaffee und legte seine Füße auf den Schreibtisch, wo sie hingehörten.»Ich hab ihm einen Scheck über 1000 Dollar geschickt. Er hat zwei Tage in Bakers verbracht — sind Sie schon mal in Bakers gewesen?«
«Ja.«
«Ich hatte schon Angst, ich müsste selbst dorthin fahren. Die Sache läuft am besten, wenn man einen erwischt, der bekannt ist und viel Geld hat. Der zahlt jeden Preis, damit nur nichts herauskommt. Jedenfalls hat der Detektiv eine Postangestellte gefunden, die in Geldnöten war. Allein erziehende Mutter, jede Menge Kinder, ein altes Auto, eine kleine Wohnung — Sie können sich's vorstellen. Er hat sie abends angerufen und ihr gesagt, er würde ihr 500 Dollar geben, wenn sie ihm verraten würde, wer im Namen von GMT Investments das Postfach 788 gemietet hatte. Am nächsten Morgen rief er sie im Postamt an. Sie trafen sich in der Mittagspause auf dem Parkplatz. Sie gab ihm einen Zettel, auf dem der Name Quince Garbe stand, und er gab ihr einen Umschlag mit fünf 100-Dollar-Scheinen. Sie hat ihn nicht mal gefragt, wer er eigentlich war.«
«Ist das die typische Methode?«
«Bei Garbe hat sie jedenfalls gut funktioniert. Bei Curtis Gates, dem Typen in Dallas, dem zweiten, den wir erpresst haben, war es ein bisschen komplizierter. Der Detektiv, den wir beauftragt hatten, konnte keinen bestechlichen Postangestellten finden und müsste sich drei Tage lang auf die Lauer legen. Das hat uns 1800 Dollar gekostet, aber schließlich hat er ihn gesehen und sich die Nummer seines Wagens notiert.«
«Und wer ist der Nächste?«
«Wahrscheinlich ein Typ aus Upper Darby in Pennsylvania. Er nennt sich Brant White und scheint ein dicker Fisch zu sein.«
«Haben Sie diese Briefe je gelesen?«»Nie. Ich weiß nicht, was in den Briefen steht, die hin und her gehen, und ich will es auch gar nicht wissen. Wenn die so weit sind, dass sie einen hochgehen lassen wollen, sagen sie mir, dass ich den Inhaber des Postfachs herausfinden soll. Natürlich nur in dem Fall, dass ihr Brieffreund einen falschen Namen benutzt, wie Ihr Klient, Mr.
Konyers. Sie würden sich wundern, wie viele Männer ihren richtigen Namen angeben. Unglaublich.«»Wissen Sie Bescheid, wenn ein Erpresserbrief rausgeht?«
«Ja, die sagen es mir, damit ich die Bank auf den Bahamas informieren kann, dass demnächst wahrscheinlich eine Überweisung kommt. Die Bank wiederum informiert mich, sobald das Geld da ist.«
«Erzählen Sie mir von diesem Brant in Upper Darby«, sagte Wes. Er machte sich zahlreiche Notizen, als fürchtete er, etwas zu vergessen. Jedes Wort, das sie sagten, wurde im Haus gegenüber von vier verschiedenen Geräten aufgezeichnet.
«Ich weiß nur, dass Sie ihn zur Kasse bitten wollen. Er scheint ganz wild darauf zu sein, sich mit Ricky zu treffen, denn sie haben sich erst ganz wenige Briefe geschrieben. Bei einigen von diesen Typen dagegen kommen sie, nach der Zahl der Briefe zu urteilen, nur ziemlich langsam voran.«
«Aber Sie führen nicht Buch über die Briefe?«
«Ich habe keine Unterlagen hier. Ich hatte immer Angst, dass eines Tages die FBI-Typen mit einem Durchsuchungsbefehl auftauchen, und wollte keine Beweise im Haus haben.«
«Sehr schlau.«
Trevor lächelte und war stolz auf seine Gerissenheit.»Tja, na ja, ich hab ja eine Menge Strafrecht gemacht. Nach einer Weile fängt man an, wie ein Krimineller zu denken. Jedenfalls ist es mir bis jetzt nicht gelungen, einen Detektiv im Raum Philadelphia aufzutreiben. Ich arbeite noch daran.«
Da Brant White eine Erfindung der CIA war, hätte Trevor jeden beliebigen Detektiv im Nordosten beauftragen können, ohne je herauszufinden, wer der Inhaber des Postfachs in Upper Darby war.
«Eigentlich«, fuhr er fort,»wollte ich mich gerade selbst auf den Weg machen, als ich einen Anruf von Spicer bekam, der mir sagte, ich solle nach Washington fahren und AI Konyers aufspüren. Und dann sind Sie gekommen, und der Rest ist Geschichte, wie man so sagt. «Er verstummte und dachte wieder einmal an das Geld. Es war natürlich ein großer Zufall, dass Wes und Chap ausgerechnet in dem Augenblick aufgetaucht waren, als er sich auf die Spur ihres Klienten hatte setzen wollen, aber das war ihm gleichgültig. Er hörte schon die Schreie der Möwen und spürte den warmen Sand unter den Füßen. Er hörte den Reggae der Karibik-Bands und spürte, wie die Wellen sein Boot wiegten.