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«Hören Sie«, sagte er sehr höflich,»ich bin durchaus imstande, mich selbst anzuziehen und zum Frühstück eine Schale Cornflakes zu essen, und zwar allein. Das kann ich schon seit vielen Jahren. Und ich will meine Kanzlei erst um neun Uhr öffnen, und da es meine Kanzlei ist, werde ich sie auch erst um neun öffnen und keine Minute früher. Wenn Sie um diese unchristliche Zeit hier sein wollen, sind Sie herzlich willkommen — aber erst um neun, nicht um acht Uhr neunundfünfzig. Halten Sie sich bis um neun fern von meinem Haus und meiner Kanzlei. Verstanden?«

«Klar«, sagte einer von ihnen, und dann waren sie verschwunden. Für sie spielte das keine Rolle. Die ganze Kanzlei, das Haus, der Wagen, ja selbst der Aktenkoffer — alles war verwanzt. Sie wussten sogar, wo Trevor seine Zahnpasta kaufte.

Trevor trank eine ganze Kanne Kaffee und wurde langsam wieder nüchtern. Dann begann er, seinen sorgfältig ausgearbeiteten Plan umzusetzen. Er hatte an nichts anderes gedacht, seit er Trumble verlassen hatte. Er nahm an, dass sie ihn beobachteten, zusammen mit den Jungs in dem weißen Lieferwagen. Sie hatten die Geräte, die Mikrofone und Wanzen, und Wes und Chap wussten bestimmt, wie man damit umging. Geld spielte keine Rolle. Er hielt es für das Beste, seiner Phantasie die Zügel schießen zu lassen und zu glauben, dass sie alles wussten, dass sie jedes Wort hörten, ihm überallhin folgten und stets genauestens darüber informiert waren, wo er sich gerade befand.

Je paranoider er war, desto besser standen seine Chancen, ihnen zu entkommen.

Er fuhr 25 Kilometer zu einem Einkaufszentrum bei Orange Park, einem südlichen Vorort von Jacksonville. Dort schlenderte er herum, betrachtete die Auslagen in den Schaufenstern und aß in einem fast leeren Restaurant eine Pizza. Es fiel ihm schwer, nicht in irgendeinem Laden hinter einen Kleiderständer zu springen und zu warten, bis seine Verfolger vorbeigingen, doch er widerstand der Versuchung. In einem Elektronikgeschäft kaufte er ein kleines Mobiltelefon. Die Grundgebühr für den ersten Monat war im Kaufpreis bereits enthalten.

Es war nach neun, als er nach Hause zurückkehrte. Er war sicher, dass sie ihm gefolgt waren. Zunächst stellte er den Fernseher auf volle Lautstärke und kochte noch eine Kanne Kaffee. Im Badezimmer stopfte er sich Geld in die Taschen.

Nach Mitternacht — das Haus war dunkel und still, und Trevor lag scheinbar in tiefem Schlaf — schlich er zur Hintertür hinaus. Die Luft war kühl, der Vollmond stand am Himmel, und Trevor gab sich

redlich Mühe, den Eindruck zu erwecken, als wolle er bloß einen kleinen Strandspaziergang machen. Er trug eine Cargo-Hose mit vielen Taschen, zwei Jeanshemden und eine weite Windjacke, in deren Futter er Geldbündel gestopft hatte. Während er ziellos am Wasser entlang Richtung Süden ging, hatte Trevor insgesamt 80000 Dollar bei sich — ein harmloser Tourist, der einen Mitternachtsspaziergang machte.

Nach anderthalb Kilometern beschleunigte er seine Schritte. Nach fünf Kilometern war er müde, behielt sein Tempo jedoch bei. Ausruhen konnte er sich später.

Er bog vom Strand ab und ging zu einem heruntergekommenen Motel. Auf der AI A war kein Verkehr; nur das Motel und eine etwas weiter entfernte Raststätte hatten geöffnet.

Die Tür quietschte laut genug, um den Nachtportier zu wecken. Irgendwo weiter hinten lief ein Fernseher. Ein dicklicher Junge von kaum zwanzig Jahren erschien und sagte:»Guten Abend. Brauchen Sie ein Zimmer?«

«Nein«, sagte Trevor und zog langsam ein dickes Bündel 100-Dollar-Scheine aus der Tasche. Er zählte zehn Scheine ab und legte sie nebeneinander auf den Tresen.»Ich brauche jemanden, der mir einen Gefallen tut.«

Der Nachtportier starrte auf das Geld und verdrehte die Augen. Hier am Strand trieben sich wirklich alle möglichen schrägen Vögel herum.»Unsere Zimmer sind nicht so teuer«, sagte er.

«Wie heißt du?«fragte Trevor.

«Ach, ich weiß nicht. Sagen wir maclass="underline" Sammy Sosa.«

«Okay, Sammy. Hier sind tausend Dollar. Die gehören dir, wenn du mich nach Daytona Beach fährst. Das dauert bloß anderthalb Stunden.«

«Drei Stunden. Ich muss ja auch wieder zurückfahren.«

«Na gut, also drei Stunden. Das macht mehr als dreihundert Dollar die Stunde. Wann hast du zuletzt dreihundert Dollar pro Stunde verdient?«

«Ist schon eine Weile her. Aber ich kann nicht. Ich hab die Nachtschicht und muss von zehn bis acht hier sein.«

«Wer ist dein Chef?«

«Der ist in Atlanta.«

«Und wann war er das letzte Mal hier?«

«Ich hab ihn noch nie gesehen.«

«Natürlich nicht. Wenn du der Besitzer von so einer Bruchbude wärst, würdest du dann vorbeikommen und nach dem Rechten sehen?«

«So schlimm sind die Zimmer nun auch wieder nicht. Wir haben Farbfernseher ohne Extragebühr, und die meisten Klimaanlagen funktionieren.«

«Es ist eine Bruchbude, Sammy. Du kannst abschließen, wegfahren, drei Stunden später wieder da sein, und keiner wird irgendwas merken.«

Sammys Blick ruhte auf dem Geld.»Sind Sie auf der Flucht vor den Bullen oder so?«»Nein. Und ich bin unbewaffnet. Ich hab's bloß eilig.«

«Warum?«

«Ich stecke gerade in einer üblen Scheidung, und ich hab ein bisschen Geld. Meine Frau will alles haben, und sie hat einen sehr gerissenen Anwalt. Ich muss einfach verschwinden.«

«Sie haben Geld, aber keinen Wagen?«

«Also, Sammy — willst du oder willst du nicht? Wenn du nein sagst, gehe ich zu der Raststätte da drüben und finde jemanden, der schlau genug ist, mein Geld zu nehmen.«

«Zweitausend.«

«Du machst es für zweitausend?«

«Ja.«

Der Wagen war klappriger, als er befürchtet hatte. Es war ein alter Honda, den weder Sammy noch die fünf Vorbesitzer jemals gewaschen hatten. Doch die AI A war frei, und die Fahrt nach Daytona Beach dauerte genau 98 Minuten,

Um 3 Uhr 20 hielt der Honda vor einem die ganze Nacht geöffneten Waffelgrill. Trevor stieg aus, dankte Sammy und sah ihm nach, als er davonfuhr. Drinnen trank er einen Kaffee, unterhielt sich mit der Kellnerin und bat sie um das Telefonbuch. Dann bestellte er Pfannkuchen und machte mit seinem neuen Handy ein paar Anrufe.

Der nächste Flughafen war Daytona Beach International. Kurz nach vier hielt Trevors Taxi vor dem Terminal für Privatflugzeuge. Dutzende kleiner Maschinen standen ordentlich aufgereiht auf der Rollbahn. Sicher konnte man eine von ihnen kurzfristig chartern. Trevor brauchte nur eine, vorzugsweise eine zweimotorige.

NEUNUNDZWANZIG

Das hintere Schlafzimmer des Hauses war zu einem Konferenzraum umfunktioniert worden. Man hatte vier Klapptische zusammengeschoben, um eine große Tischfläche zu erhalten, die mit Zeitungen, Magazinen und Doughnut-Schachteln bedeckt war. Jeden Morgen um halb acht trafen sich Klockner und seine Leute hier, um bei Kaffee und Frühstücksgebäck die Ereignisse der Nacht zu besprechen und den Tag zu planen. Wes und Chap waren immer anwesend, außerdem sechs oder sieben andere Agenten, je nachdem, wer gerade aus Langley hierher abkommandiert war. Auch die Techniker aus dem vorderen Zimmer nahmen manchmal an diesen Besprechungen teil, obwohl Klockner nicht darauf bestand. Jetzt, wo Trevor auf ihrer Seite war, brauchten sie nicht mehr so viele Leute, um ihn zu überwachen.

Das dachten sie jedenfalls. Vor halb acht war keine Bewegung in seinem Haus auszumachen, was bei einem Mann, der sich abends oft betrank und morgens spät aufstand, nichts Ungewöhnliches war. Um acht Uhr, als Klockner im hinteren Zimmer seine Lagebesprechung abhielt, rief einer der Techniker unter dem Vorwand, eine falsche Nummer gewählt zu haben, bei Trevor an. Nach dreimaligem Läuten schaltete sich der Anrufbeantworter ein, und Trevors Stimme sagte, er sei nicht da, und man solle bitte eine Nachricht hinterlassen. Das kam gelegentlich vor, wenn Trevor verschlief, doch normalerweise weckte ihn ein solcher Anruf auf. Um 8 Uhr 30 wurde Klockner davon informiert, dass im Haus alles still war: keine Dusche, kein Fernseher, keine Musik, kein Geräusch, das auf die normale Frühstücksroutine hindeutete.