«Abzüglich zehn Prozent.«
«Ja, das sollen sie glauben.«
Man hatte sich nicht an die Geneva Trust Bank in Nassau gewendet. Das wäre nicht nur sinnlos, sondern auch riskant gewesen. Keine Bank der Welt hätte unter diesen Umständen einen Transfer vorgenommen, und hätte Argrow versucht, die Überweisung zu veranlassen, so hätte man mit Sicherheit peinliche Fragen gestellt.
Das Geld, das nach Panama unterwegs war, stammte aus den Kassen der CIA.
«Langley macht Druck«, sagte der Anwalt.
«Ich bin dem Zeitplan voraus«, sagte der Banker.
Der Karton wurde auf dem Tisch in der juristischen Abteilung der Bibliothek ausgepackt. Beech und Yarber sahen den Inhalt durch, während Argrow, ihr neuer Mandant, mit gespieltem Interesse dabei stand. Spicer hatte Besseres zu tun. Er war mitten in seinem wöchentlichen Pokerspiel.
«Wo ist die Urteilsbegründung?«fragte Beech und blätterte in dem Stapel.
«Ich brauche die Anklageschrift«, murmelte Yarber.
Sie fanden, was sie gesucht hatten, und machten es sich für einen langen Nachmittag in ihren Sesseln bequem. Beechs Wahl war langweilig, Yarbers Lektüre dagegen erwies sich als ausgesprochen interessant.
Die Anklageschrift las sich wie ein Kriminalroman. Argrow hatte zusammen mit sieben anderen Bankangestellten, fünf Buchhaltern, fünf Börsenmaklern, zwei Anwälten, elf Männern, die nur als Drogenhändler bezeichnet wurden, sowie sechs Herren aus Kolumbien ein kompliziertes Unternehmen organisiert und unterhalten, mit dem aus Drogengeschäften stammendes Bargeld in legale Geldanlagen umgewandelt worden war. Mindestens 400 Millionen Dollar waren gewaschen worden, bevor es gelungen war, den Ring zu infiltrieren, und es hatte den Anschein, als sei Argrow eine der Schlüsselfiguren gewesen. Yarber bewunderte seine Gerissenheit. Wenn auch nur die Hälfte der Anschuldigungen stimmte, war Argrow ein sehr findiger und talentierter Finanzjongleur.
Die Stille begann Argrow zu langweilen, und er verließ den Raum und machte einen Spaziergang über das Gefängnisgelände. Als Yarber mit seiner Lektüre fertig war, unterbrach er Beech und ließ ihn die Anklageschrift lesen. Auch Beech war angetan.»Er muss irgendwo etwas von diesem Geld gebunkert haben«, sagte er.
«Klar«, stimmte Yarber ihm zu.»Vierhundert Millionen Dollar — und das ist nur der Teil, den sie aufgespürt haben. Was meinst zu seinem Berufungsantrag?«
«Sieht nicht gut aus. Der Richter hat den Ermessensspielraum nicht überschritten. Ich kann keinen
Fehler finden.«
«Armer Kerl.«
«Ach was, armer Kerl! Er kommt vier Jahre früher raus als ich!«
«Das glaube ich nicht, Mr. Beech. Wir haben unser letztes Weihnachtsfest im Gefängnis verbracht.«»Meinst du wirklich?«fragte Beech.
«Allerdings.«
Beech legte die Anklageschrift auf den Tisch, stand auf, reckte sich und begann auf und ab zu gehen.»Die Antwort müsste schon längst hier sein «, sagte er leise, obgleich außer ihnen niemand im Raum war.
«Geduld.«
«Aber die Vorwahlen sind fast vorbei. Er ist die meiste Zeit wieder in Washington. Er hat den Brief schon seit einer Woche.«
«Er kann ihn nicht ignorieren. Er überlegt, was er tun soll, das ist alles.«
Die nächste Aktennotiz von der Strafvollzugsbehörde in Washington verblüffte den Gefängnisdirektor. Wer von diesen Sesselfurzern da oben hatte eigentlich nichts Besseres zu tun, als auf die Karte der Bundesgefängnisse zu sehen und sich zu überlegen, welchen Direktor er denn heute mal ärgern könnte? Er hatte einen Bruder, der als Gebrauchtwagenhändler 150 000 Dollar im Jahr nach Hause brachte, während er als Gefängnisdirektor nur die Hälfte bekam und dafür die idiotischen Aktennotizen irgendeines Bürokraten lesen müsste, der 100000 im Jahr verdiente und nichts Produktives tat. Er hatte es so satt!
BETRIFFT: Besuchszeiten für Anwälte, Bundesgefängnis Trumble
Die bisher geltende Anweisung, der zufolge Anwaltsbesuche auf Dienstag, Donnerstag und Samstag von 15 bis 18 Uhr zu beschränken sind, ist hiermit aufgehoben.
Ab sofort sind Anwaltsbesuche täglich von 9 bis 19
Uhr gestattet.
«Erst muss ein Anwalt sterben, bevor die Regeln geändert werden«, murmelte der Direktor.
FÜNFUNDDREISSIG
In der Tiefgarage schoben sie Teddy Maynards Rollstuhl in den Kleinbus und schlössen die Türen. York und Deville setzten sich zu ihm. Der Fahrer und ein Leibwächter stiegen vorn ein. Der Wagen war mit einem Fernseher, einer Stereoanlage und einer kleinen Bar ausgestattet, die mit Sodawasser und Limonade bestückt war — alles Dinge, die Teddy ignorierte. Seine Stimmung war gedrückt, denn ihm graute vor der nächsten Stunde. Er war es leid — er war es leid zu arbeiten, zu kämpfen, sich Tag für Tag zu quälen. Halt noch sechs Monate aus, sagte er sich immer wieder, und dann tritt zurück und lass einen anderen sich den Kopf darüber zerbrechen, wie die Welt gerettet werden kann. Er würde sich auf seine kleine Farm in West Virginia zurückziehen. Er würde am Teich sitzen, zusehen, wie die Blätter ins Wasser fielen, und auf das Ende warten. Er war die Schmerzen so leid.
Vor ihnen war ein schwarzer Wagen, hinter ihnen ein grauer. Der kleine Konvoi fuhr auf dem Beltway, dann über die Roosevelt-Brücke und schließlich die Constitution Avenue hinunter.
Teddy schwieg, und darum schwiegen York und Deville ebenfalls. Sie wussten, wie sehr er verabscheute, was er jetzt tun musste.
Er sprach einmal pro Woche mit dem Präsidenten, gewöhnlich am Mittwochvormittag, und zwar, wenn es nach Teddy ging, per Telefon. Ihre letzte persönliche Begegnung hatte vor neun Monaten stattgefunden, als Teddy im Krankenhaus lag und der Präsident über einen wichtigen Sachverhalt informiert werden musste.
Auch hier war es normalerweise so, dass eine Gefälligkeit durch eine andere ausgeglichen wurde, doch Teddy war es verhasst, auf derselben Stufe zu stehen wie ein Präsident. Seine Bitte würde natürlich erfüllt werden, doch er fand es erniedrigend, bitten zu müssen.
In dreißig Jahren hatte er sechs Präsidenten kommen und gehen sehen, und die Gefälligkeiten, die er ihnen erwiesen hatte, waren seine Geheimwaffe gewesen. Sammle Informationen, horte sie, sage dem Präsidenten nur selten alles und verpacke hin und wieder ein kleines Wunder in Geschenkpapier und gib es im Weißen Haus ab.
Der gegenwärtige Präsident schmollte im Augenblick noch wegen der demütigenden Niederlage in der Abstimmung über einen Atomtestvertrag, bei dessen Torpedierung Teddy kräftig geholfen hatte. Am Tag vor der Ablehnung des Vertrags durch den Senat hatte die CIA einen geheimen Bericht durchsickern lassen, in dem rechtliche Bedenken gegen den Vertrag geäußert wurden, und in der Debatte hatte der Präsident auf verlorenem Posten gestanden. Das Ende seiner Amtszeit war in Sicht — er war ein Präsident auf Abruf, dem sein Nachruhm mehr am Herzen lag als wichtige politische Entscheidungen.
Teddy kannte diese Situation zur Genüge. Vor dem Ausscheiden aus dem Amt waren Präsidenten unerträglich. Da sie sich nicht noch einmal dem Votum der Wähler stellen mussten, konzentrierten sie sich auf den Gesamteindruck, den sie hinterlassen würden. Sie reisten gern mit vielen Freunden in ferne Länder, wo sie an Gipfeltreffen mit anderen Staatsführern auf Abruf teilnahmen. Sie dachten an die Bibliothek, die zu ihrem Gedenken eröffnet werden würde. Sie dachten an ihr Porträt, das noch gemalt werden musste. Sie dachten an die Biografien, die in Arbeit waren, und verbrachten viel Zeit mit Historikern. Und während die Uhr tickte, wurden sie immer weiser und philosophischer, und ihre Reden wurden immer pathetischer. Sie sprachen über die Zukunft, über die Herausforderungen, vor denen das Land stand, und darüber, wie die Welt sein sollte, und vergaßen die Tatsache, dass sie acht Jahre Zeit gehabt hatten, die Dinge zu tun, die hätten getan werden müssen.