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»Die Küchentür war aufgebrochen«, erläuterte Jones, »und ich habe im Garten Fußabdrücke gefunden, die denen entsprachen, die ich auch bei den Abernettys gesehen habe.«

»Ich habe gleich gedacht, dass er hinter meinem Schmuck her gewesen ist«, fuhr Mrs Webster fort. »Ich habe in meinem Schlafzimmer ein Stahlfach. Aber das ist nicht angerührt worden. Nur die kleine Statuette von Königin Victoria stand nicht mehr auf dem Klavier.«

»Es hätte Ihnen sicher leidgetan, sie zu verlieren, nehme ich an?«

»Allerdings, Mr Holmes. Mein Mann und ich sind am Tag des Thronjubiläums zur St-Pauls-Kathedrale gefahren und haben gesehen, wie die Prozession mit Ihrer Majestät eintraf. Sie ist so ein wunderbares Vorbild für uns! Ich muss sagen, dass ich meinen eigenen Verlust sehr viel besser ertragen kann, weil ich weiß, dass wir den Schmerz der Witwenschaft teilen.«

»Ist Ihr Mann erst vor kurzem gestorben?«

»Letztes Jahr. Es war die Tuberkulose. Aber ich muss sagen, dass Mrs Abernetty sehr freundlich zu mir gewesen ist. In den Tagen nach der Beerdigung war sie fast ständig hier. Ich war ganz außer mir – das können Sie sich wahrscheinlich vorstellen –, und sie hat mich versorgt. Sie hat für mich gekocht. Sie hat mir Gesellschaft geleistet. Nichts war ihr zu viel. Andererseits haben sie und ihr Mann dasselbe für die alte Mrs Briggs getan. Ich schwöre, Sie finden auf der ganzen Welt keine fürsorglicheren Menschen als diese beiden.«

»Mrs Briggs war Ihre frühere Nachbarin, nehme ich an?«

»In der Tat. Sie hat die Abernettys hierhergeholt. Mrs Abernetty war ihre Pflegerin und Mr Abernetty der Diener. So kam es, dass die beiden hier wohnten. Ich war mit Mrs Briggs eng befreundet, und sie hat mir immer wieder versichert, wie dankbar sie ihnen war. Matilda Briggs war keine reiche Frau. Ihr Mann war Richter am Magistratsgericht, stellvertretender Beisitzer. Er ist mit drei-oder vierundachtzig gestorben, und nach seinem Tod war sie praktisch sich selbst überlassen.«

»Kinder gab es wohl keine?«

»Keine eigenen. Ihre Schwester hatte wohl einen Sohn, aber den haben sie in Afghanistan totgeschossen. Er war Soldat.«

»Wie alt war dieser Sohn?«

»Er kann nicht viel älter als zwanzig gewesen sein, als er starb. Ich habe ihn nie kennengelernt, und die arme Matilda konnte nie über ihn sprechen, ohne dass sie schrecklich unglücklich wurde. Der Junge war alles, was ihr an Familie geblieben war, aber sie konnte es nicht einmal ertragen, sein Foto in ihrer Nähe zu haben. Am Ende ihres Lebens hatte sie niemanden mehr, dem sie das Haus hinterlassen konnte, und deshalb schenkte sie es den Abernettys, um ihnen für ihre Dienste zu danken. Das war sehr großzügig von ihr.«

»Waren Sie überrascht?«

»Nein, keineswegs. Mrs Briggs hatte mir erzählt, dass sie es mit ihr besprochen hatten. Sie hat mir gesagt, dass sie sich dazu entschlossen hätte. Den Rest ihres Geldes überließ sie der Kirche, aber das Haus hat sie den Abernettys geschenkt.«

»Vielen Dank für diese erhellenden Aussagen, Mrs Webster«, sagte Holmes. Er streckte die Hand aus, und Jones gab ihm eine der Porzellanfiguren, die er mitgebracht hatte. »Sind Sie eigentlich ganz sicher, dass es die richtige ist? Sie sind schließlich alle gleich.«

»Nein, nein. Das ist mit Sicherheit meine. Ich habe sie dummerweise beim Staubwischen fallen lassen, und sie ist entzweigegangen. Mein Mann hat sich große Mühe gegeben, um sie zu reparieren. Er wusste ja, dass ich sie sehr mochte.«

»Er hätte doch eine andere kaufen können.«

»Das wäre nicht dasselbe gewesen. Es hat ihm viel Freude gemacht, sie für mich zu reparieren.«

Jetzt konnten wir nur noch die Hintertür inspizieren, wo der Einbruch stattgefunden hatte, und das taten wir auch. Jones zeigte uns die Fußspuren, die er gefunden hatte und die im Blumenbeet immer noch gut sichtbar waren. Holmes untersuchte sie und wandte seine Aufmerksamkeit dann der aufgebrochenen Tür zu. »Das muss eine Menge Lärm gemacht haben«, sagte er. Er wandte sich Mrs Webster zu, die ganz in der Nähe stand, weil sie erwartete, ja vielleicht sogar hoffte, dass sie noch mehr gefragt würde. »Haben Sie denn gar nichts gehört?«

»Ich schlafe sehr fest«, gab die Dame zu. »Ich hatte früher Schwierigkeiten, und deshalb nehme ich jetzt manchmal ein bisschen Laudanum. Vor einigen Wochen hat mir Mrs Abernetty ein Kopfkissen empfohlen, das mit Kamelhaar gefüllt ist. Sie hatte völlig recht. Seitdem schlafe ich ganz hervorragend.«

Wir verabschiedeten uns und gingen zusammen zum anderen Ende der Häuserzeile. Dabei kamen wir auch am Haus der Dunstables vorbei, die immer noch abwesend waren. »Schade, dass wir sie nicht befragen können«, sagte ich zu Holmes.

»Ich bezweifle, dass sie uns viel zu sagen hätten, Watson. Und ich habe den Verdacht, das gilt auch für die Abernettys. Aber wir werden ja sehen. Das ist die Eingangstür … die dringend einen frischen Anstrich braucht. Das ganze Haus wirkt etwas vernachlässigt. Andererseits kam es ja als Vermächtnis zu ihnen, und zwar als sehr großzügiges. Klingeln Sie mal, Watson? Ah – ich glaube, da kommt schon jemand.«

Die Tür wurde von Harold Abernetty geöffnet, einem hochgewachsenen Mann mit hängenden Schultern, tief eingegrabenen Falten und langem, silbernem Haar, der sich äußerst bedächtig bewegte. Er war ungefähr sechzig und erinnerte mich an einen Beerdigungsunternehmer, muss ich gestehen. Sein Gesichtsausdruck war jedenfalls unendlich traurig, und er trug einen Gehrock mit gestreiften Hosen, der sehr nüchtern und ein wenig abgeschabt wirkte. »Inspektor Jones!«, rief er, als er unseren Begleiter erkannte. »Gibt es Neuigkeiten? Ich freue mich, Sie zu sehen. Aber wer sind denn die Herren, die mit Ihnen gekommen sind?«

»Das ist Mr Sherlock Holmes, der berühmte Detektiv«, erwiderte Jones. »Und das ist Dr Watson, sein Weggefährte.«

»Mr Holmes! Natürlich kenne ich den Namen. Ich muss gestehen, Sir, dass ein so unbedeutender Vorfall von Interesse für jemanden wie Sie sein könnte, erstaunt mich sehr.«

»Der Tod eines Menschen ist nie unbedeutend«, entgegnete Holmes.

»In der Tat. Ich dachte auch mehr an den Diebstahl der Porzellanfiguren. Das war natürlich falsch. Kommen Sie doch bitte herein!«

Das Haus hatte denselben Grundriss wie das von Mrs Webster, wirkte aber sehr düster und wie eine Gruft. Es schien verlassen, obwohl es ja durchaus bewohnt war. Mrs Abernetty wartete im Salon. Sie war eine sehr kleine Frau und schien von dem Sessel, in dem sie saß, fast verschluckt zu werden. Noch immer war sie offenbar unfähig, etwas zu sagen, und betupfte sich ständig die Augen mit einem Taschentuch.

»Es ist eine schreckliche Sache, Mr Holmes«, begann Abernetty. »Ich habe dem Inspektor schon alles erklärt, aber ich bin natürlich bereit, Ihnen in jeder Weise behilflich zu sein.«

»Es war alles mein Fehler«, schluchzte Mrs Abernetty. »Harold hat den jungen Mann um meinetwillen erschossen.«

»Es war meine Frau, die mich geweckt hat«, fuhr Abernetty fort. »Sie hatte gehört, wie eine Tür aufgebrochen wurde, und schickte mich nach unten, damit ich nachsehe. Ich nahm den Revolver mit, obwohl ich nie die Absicht hatte, ihn zu gebrauchen. Aber als der Mann mich gesehen hat und auf mich losging … Es ging alles so schnell. Ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Ich habe gefeuert und sah ihn fallen und wünschte von ganzem Herzen, dass ich ihn bloß verletzt und nicht sein junges Leben beendet hätte.«

»Was haben Sie getan, als er gefallen war?«

»Ich bin zu meiner Frau gerannt und habe ihr gesagt, dass ich unverletzt sei. Dann habe ich mich angezogen. Meine Absicht war, so schnell wie möglich einen Polizisten zu finden, aber dann entdeckte ich den Koffer, den der junge Mann mitgebracht hatte, und obwohl ich wusste, dass ich das Beweismaterial nicht anfassen sollte, habe ich hineingeschaut. Da habe ich die drei Porzellanfiguren gesehen, die darin lagen. Eine davon erkannte ich als unsere eigene. Ich hatte sie meiner Frau zur Erinnerung an das Goldene Jubiläum der Thronbesteigung gekauft und sah auch sofort, dass sie nicht mehr auf ihrem Platz auf der Anrichte stand. Sie können sich bestimmt vorstellen, wie überrascht ich war, als ich die beiden anderen gesehen habe – aber dann fiel mir ein, dass ich eine davon im Wohnzimmer von Mrs Webster gesehen hatte.«