Der leitende Meditechniker, der jetzt in seinem offiziellen weißen Overall steckte, stellte die Duellanten und Sekundanten einander vor. Leoh hatte nur Hector benannt. Für den Journalisten gab es zwei Sekundanten: seinen Redakteur, ein mageres, kahlköpfiges, nervöses Männchen, und einen Network-Vizepräsidenten, der zufrieden und wohlgenährt aussah. Beschäftigt wahrscheinlich drei Diätspezialisten und einen Biochemiker, um sein Gewicht unter Kontrolle zu halten, dachte Leoh ungnädig.
Sie erledigten die Formalitäten und gingen zu ihren Kabinen. Hector setzte sich an das eine Ende der halbrunden Polsterbank vor der Maschine. Der Redakteur und der V. P. setzten sich ans andere Ende. Bis auf die Meditechniker, die jetzt ihre Posten an den Kontrollpulten einnahmen, befand sich niemand im Saal. Die Pressetribüne war leer. Die Lämpchen an den Konsolen blinkten auf. Der große Saal vibrierte leise unter dem kaum hörbaren Summen der riesigen Transformatoren.
Nach zehn Minuten wechselten alle Lämpchen auf der Kommandokonsole von Grün auf Gelb. Das Duell war zu Ende.
Hector stürzte zu Leohs Kabine. Lächelnd trat der Professor aus der Tür.
»Sind Sie… haben Sie… ist alles gutgegangen?« fragte Hector aufgeregt.
Aus der anderen Kabine kam der Reporter. Sein Redakteur mußte ihn stützen. Der Vizepräsident blieb auf der Bank sitzen und machte ein halb enttäuschtes, halb belustigtes Gesicht. Der Journalist sah aus wie ein kraftloser Teigklumpen, käseweiß im Gesicht und weich in den Knien.
»Er hat überhaupt kein Reaktionsvermögen«, erklärte Leoh, »und nicht die geringste Ahnung von den einfachsten physikalischen Gesetzen.«
Der V. P. stand auf und kam mit ausgestreckter Hand und einem Zahnpastalächeln auf Leoh zu. »Herzlichen Glückwunsch, Professor«, sagte er mit seinem jovialen Bariton.
Leoh ergriff die Hand, erwiderte aber: »Das war nichts als eine idiotische Zeitverschwendung. Ich bin überrascht, daß ein Mann in Ihrer Position sich so etwas überhaupt anschaut.«
Der V. P. neigte schuldbewußt das Haupt. »Für die Sache bin ich eigentlich verantwortlich. Meine Mitarbeiter haben mich überzeugt, daß es eine gute Idee sein würde, die Duellmaschine zu testen und dann das Ergebnis des Tests zu veröffentlichen. Sie haben doch nichts dagegen, daß wir die Aufzeichnung über unser Tri-Di-Sendernetz ausstrahlen?«
Achselzuckend meinte Leoh: »Ihr Mann gibt keine besonders gute Figur ab. Er wurde von einer Bowling-Kugel überrollt und hat dann seine Kraft etwas überschätzt und sich das Rückgrat verrenkt, als er etwas Schweres heben wollte… «
Der V. P. unterbrach ihn mit einer Handbewegung. »Mir egal, was auf dem Band ist. Ich habe mich entschlossen, es zu senden, wenn Sie keine Einwände haben.«
»Nein, ich habe keine Einwände.«
»Sie werden auf dem ganzen Planeten berühmt«, strahlte der V. P. »Ihr Name wird in aller Munde sein. Der neue Tri-Di-Star von Acquatainia!«
»Wenn das Band die Acquatainier überzeugt, daß die Duellmaschine jetzt sicher ist, soll mir’s recht sein«, meinte Leoh. »Was Berühmtheit anbetrifft… ich bin auch jetzt schon recht bekannt.«
»Ja, aber nicht in der Öffentlichkeit. Gewiß sind Sie berühmt und angesehen unter Ihren akademischen Kollegen und bei der Elite von Acquatainia und dem Commonwealth. Aber der Normalbürger kennt Sie höchstens aus ein paar Nachrichtenspots. Jetzt werden Sie jedoch wirklich berühmt.«
»Wegen so eines blöden Duells? Das bezweifle ich sehr.«
»Warten Sie’s ab«, schmunzelte der Vizepräsident.
Der V. P. hatte nicht übertrieben. Seine Voraussage war eher noch zurückhaltend gewesen.
Leohs Duell wurde am gleichen Abend von allen Tri-Di-Stationen des Planeten ausgestrahlt. Innerhalb einer Woche war die Aufzeichnung im gesamten Acquataine Cluster gezeigt worden, und die Commonwealth-Stationen rissen sich darum.
Es war das erste Mal, daß ein Duell öffentlich gezeigt wurde, und die Tatsache, daß der Erfinder der Duellmaschine einer der Duellanten war, erhöhte noch das Interesse. Der Anblick des korpulenten Reporters, wie er in offensichtliche Fallen tappte und sich in den Seilen von Flaschenzügen verhedderte oder von schiefen Ebenen mit herabrollenden Kugeln gehetzt wurde, während Leoh ihn bei jedem Schritt fürsorglich zur Vorsicht mahnte, kam den meisten Leuten äußerst spaßig vor. Die Acquatainier, die seit Monaten in ständiger Furcht vor einem Kriegsausbruch lebten, fanden ein plötzliches und wirkungsvolles Ventil für ihre Ängste in Leohs Duell. Hier war der Erfinder der Duellmaschine, der Mann, der den kerakischen Killer bezwungen hatte, zeigte im Tri-Di, wie clever er war, und bewies, daß Kerak gegen solch einen genialen Kopf keine Chance hatte.
Die wahren Fakten — daß Leoh in Martines Kabinett keinen Einfluß besaß, daß Odal wieder auf Acquatainia war, daß sich kerakische Kriegsflotten unauffällig an der acquatainischen Grenze sammelten —, diese Fakten traten bei dem Mann auf der Straße zurück hinter seinem Triumph über Leohs Duell. Über Nacht wurde Leoh zum Publikumsliebling. Die Universitäten im ganzen Cluster rissen sich darum, ihn zu Vorträgen und Gastvorlesungen einzuladen. Tri-Di-Shows boten ihm Unsummen für Auftritte, und Reporter folgten ihm auf Schritt und Tritt.
Zuerst versuchte sich der alte Wissenschaftler der Flut entgegenzustemmen. Eine Woche lang nach der ersten Ausstrahlung seines Duells weigerte er sich, eine öffentliche Erklärung abzugeben.
»Sag ihnen, ich sei beschäftigt«, instruierte er Hector und verschanzte sich in seinem kleinen Arbeitszimmer hinter Formeln und Gleichungen.
Als sich dann aber die Universitäten bei ihm meldeten, gab er nach. Bevor er sich versah, wurde er von einer Woge persönlicher Auftritte, Tri-Di-Shows und Partys weggeschwemmt.
»Vielleicht«, sagte er zu Hector, »lerne ich auf diese Art Leute mit Einfluß auf Martines Regierung kennen. Möglicherweise kann ich sie von den Vorteilen einer Allianz mit dem Commonwealth überzeugen, so daß sie entsprechenden Druck auf Martine ausüben.«
Auf Partys, bei privaten Treffen, bei Pressekonferenzen schnitt Leoh dieses Thema an. Aber die Wirkung war gleich Null. Die Studenten, die Professoren, die Journalisten, die Vertreter der Wirtschaft, das Tri-Di-Publikum — sie alle wollten Unterhaltung, keine Politik. Sie wollten eine Bestätigung, daß alles in bester Ordnung war, wollten sich nicht mit so unangenehmen Themen befassen wie Krieg und Verteidigung und Kampf.
Die Vorträge an den Universitäten waren ein umwerfender Erfolg — als Vorträge. Leoh hatte erwartet, vorwiegend vor Psychonikstudenten zu sprechen, aber jedes Audimax war vollgepackt mit Studenten und Dozenten aller Fachrichtungen, von der Politologie über Physik, Mathematik bis zur Soziologie und Psychiatrie… Tausende auf jedem Campus.
Und bei jedem Universitätsbesuch gab es die unvermeidlichen Lokalreporter, die Tri-Di-Auftritte, die Podiumsdiskussionen. Und die Fakultätspartys an den Abenden. Und die zwanglosen studentischen Seminare am späten Nachmittag. Und die Journalisten, die beim Frühstück »nur auf ein Wort« vorbeikamen.
Die Universitätstournee dauerte über zwei Monate. Am Anfang versuchte Leoh jeden Tag noch ein paar Minuten abzuzweigen für das Problem von Hectors »Sprung«. Aber jeden Morgen wachte er unausgeschlafener aus, jeder Tag brachte mehr Menschen, die respektvoll und bewundernd lauschten. Jeden Abend ging er später zu Bett; glücklich, erschöpft, mit einem leise bohrenden Gefühl, daß er eigentlich mit diesem Showbusineß aufhören und sich wieder der Wissenschaft widmen sollte.
Hectors langes Gesicht wurde immer länger, als er Leoh von Campus zu Campus nachtrottete. Dem alten Mann machte es ganz offensichtlich großen Spaß, aber ebenso offensichtlich verausgabte er sich durch das Reisen und die Auftritte und die Partys. Dazu kam, daß Geri in der Hauptstadt zurückgeblieben war, und all die einladend lächelnden Studentinnen sie in seinen Augen nicht ersetzen konnten.