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Der Ring schien zu wachsen. Eine Erschütterung lief von seinem Mittelpunkt aus durch die Luft, den Fels und Charitys Körper hindurch, erfaßte alles um sie herum, dehnte und streckte es, bis ihre Gelenke schmerzten. Auf der Akademie hatte sie sich während der Vorlesungen immer gefragt, wie ein unbeteiligter Beobachter ein Gravitationsbeben erleben würde. Nun hatte sie die Antwort, deren Kurzfassung lautete, daß es bei einem solchen Beben keine Unbeteiligten gab.

Der Schutt auf dem Band begann, in Richtung auf den Transmitter zu rutschen. Hilflos versuchte Charity, sich am Rand des Transportbandes festzuhalten. Einer der Scheinwerfer zerplatzte, und die Scherben stiegen auf wie ein glitzernder Insektenschwarm. Ihre Hand rutschte ab, und sie fühlte, wie sie in die Höhe gehoben wurde.

Im nächsten Moment war es vorbei. Mit einem ohrenbetäubenden Knall fiel das Übertragungsfeld in sich zusammen, und der unheimliche Sog endete abrupt. Sanft wie eine Feder senkte Charity sich wieder auf das Förderband.

»Glück gehabt«, keuchte sie. Skudder hatte eine für einen Indianer ungewöhnlich helle Gesichtsfarbe angenommen. Ihr selbst war so übel, daß sie sich beinahe in ihren Helm übergeben hätte.

»Wie lange noch«, brachte sie mühsam heraus. »Bis zum nächsten Mal, meine ich?«

Skudder sah sie entsetzt an.

»Ich nehme an, diese Frage galt mir«, teilte der Würfel mit.

Charity verdrehte die Augen. »Wie lange?« zischte sie.

»Fünf Minuten«, kam die Antwort.

Charity sah sich vorsichtig um. »Wir können hier nicht liegenbleiben«, sagte sie.

»Warten Sie«, sagte der Computer, als sie sich aufrichten wollte. »Ich glaube, ich kann einen Zyklus erkennen.«

»Und?«

»Geben Sie mir noch ein paar Sekunden Meßzeit.«

»Wir liegen hier wie ein Spanferkel auf der Servierplatte«, beschwerte sich Skudder. »Sollen wir etwa warten, bis uns jemand einen Apfel ins Maul stopft?«

»Das wäre in Ihrem Fall eindeutig eine Verbesserung«, antwortete der Würfel patzig.

Skudder öffnete den Mund und schloß ihn wieder. Charity biß sich auf die Lippen, um einen Lachanfall zu unterdrücken.

»Wollen Sie nun eine genaue Prognose, oder kann ich mir die Mühe sparen?«

»Du kriegst deine Messungen«, sagte Charity diplomatisch und blickte sich vorsichtig um. »Ich hoffe, daß wir so den Zündzeitpunkt bestimmen können.«

»Erinnern Sie mich nicht daran«, murmelte der Würfel.

Skudder hob den Kopf und spähte nach vorn. »Warum geht es nicht weiter?« fragte er gepreßt.

»Maschinenschaden«, antwortete sie ungehalten. »Woher zum Kuckuck soll ich das wissen? Ich liege genauso im Dreck wie du.«

»Dann schau mal nach rechts«, sagte Skudder.

Charity drehte sich langsam auf die Seite und spähte in die angegebene Richtung. In der hinteren Hälfte der Halle, die im Dunkeln lag, bewegte sich eine unförmige Gestalt, umgeben von mehreren Dutzend Kriegern. Zwischen den ausgebrannten Trümmern der Raffinerieanlage kam der Trupp langsam näher.

»Wir bekommen Besuch«, sagte sie tonlos.

Skudder nickte grimmig. »Die Beschreibung stimmt.«

Das Band setzte sich quietschend wieder in Bewegung. »Sobald wir am Ende ankommen, beginnt der Feuerzauber«, sagte Charity noch. »Ich übernehme den Moroni am Steuerpult.«

In dem Moment, in dem sie über die Bandkante hinweggetragen wurden, versetzte sie der Bombe einen kräftigen Stoß, der sie selbst ein wenig bremste. Die eigene Trägheit trug sie trotzdem in einem weiten Bogen über den Moroni-Bautrupp hinweg. Charity schaltete ihre Zieloptik ein, kam mit einer eleganten Rolle auf die Füße und stieß sich von der Podestwand sofort wieder ab. Der Moroni am Steuerpult der Transportbänder starrte ihr fassungslos entgegen. Sie rammte ihm den Gewehrlauf gegen den Schädel, und er kippte wie in Zeitlupe über die Pulte nach hinten.

Charity vergewisserte sich mit einem hastigen Blick, daß Harris und Dubois das Transportband verlassen hatten. Die Bombe lag zusammen mit dem Würfel auf der Podestfläche vor dem Transmitter. Rasch beugte sie sich vor und ergriff wahllos ein paar Hebel. Die Bänder stoppten nacheinander. Sie sah, wie Dubois, die sich einfach seitlich vom Band gerollt hatte, sich vom Boden abstieß und auf das Podest zutrieb. Wolken im nahen Infrarot markierten den Einschlag von Explosivgeschossen, und Hochrasanzgeschosse wurden zu Glühwürmchen, die auf Schnellbahnstraßen reisten. Einer der Hebel glitt über die Nullstellung hinaus, und mit kreischenden Motoren kehrte das vordere Transportband seine Bewegungsrichtung um.

Eine Lasersalve traf das andere Pult und verwandelte es in glühende Schlacke. Sie drehte sich herum, feuerte während der Drehung ein halbes Magazin in Richtung auf die Montagegerüste. Drei Moroni-Krieger wurden von dem Geschoßhagel erfaßt. Charity flankte über die Pulte hinweg und ließ sich in die Baugrube fallen. Skudder hatte vier der Ameisen erschossen, er kämpfte mit der fünften, während sich ihm zwei weitere von hinten näherten. Ihre Schüsse trafen die Moroni, ohne ihre Bewegung zu stoppen, und der Zweikampf wurde sekundenlang zu einem unübersichtlichen Standbild, bevor Skudder sich seines Widersachers entledigen konnte.

»Danke«, sagte er schwer atmend und rappelte sich wieder auf. Der Druckanzug hatte ein paar Schrammen abbekommen.

»Hier herauf«, sagte Charity und streckte die Hand aus. Skudder kam aus der Grube heraus und sah sich um.

Der Shait war innerhalb weniger Sekunden bis auf hundert Meter an sie herangekommen und befand sich nun im Lichtkreis der Scheinwerfer. Auf diese Entfernung wirkte er wie ein degeneriertes Höhlen-Flugwesen, eine Libelle mit undurchsichtigen Flügeln, die seinen großen Körper mit Sauerstoff versorgen sollten und ihm in dieser niedrigen Schwerkraft vielleicht sogar die Möglichkeit gaben, sich in der Luft zu halten. Der mächtige Körper, der mindestens sechs Meter in die Höhe ragte, war mit Panzerplatten bedeckt, die eine Art natürlichen Harnisch bildeten, und die vier großen Arme endeten in Krallen, die ineinander verschränkt waren. Der glatte, insektoide Kopf endete in zwei mächtigen Facettenaugen und zwei Bündeln verschieden langer, haariger Fühler. Hinter dem großen vorderen Thorax begann ein vielfach untergliederter Hinterleib, wie der segmentierte Körper eines angeschwollenen Hundertfüßlers, und Paare von kleineren Armen, noch immer so groß wie die eines ausgewachsenen Moroni-Kriegers, hingen wimmelnd herab. Sechs kräftige Beine trugen die riesige Masse vorwärts, wobei der Hinterleib über den Boden glitt auf eine Art, die an eine Schnecke erinnerte. Krallen durchsetzten den Wald armlanger Tentakel, hinter dem sich das Maul verbergen mußte.

Dieses Unwesen kann eine Königin überwältigen, dachte Charity. Sie war wie gelähmt.

Und auf der anderen Seite der Halle, zwischen verbogenen Stahlträgern und rußgeschwärzten Blechen, fing ein anderes Wesen einen vertrauten Geruch auf und erwachte schlagartig aus seinem Schlaf.

Jetzt, dachte es.

Der Shait blieb stehen und richtete sich auf. Betonplatten zerbrachen unter dem Griff der Beinklauen. Das Monstrum breitete seine Schwingen aus wie eine gewaltige Fledermaus. Die Haut glänzte wie nasses Leder und zuckte gleichmäßig. Der Kopf hing schwer zwischen dem dreifachen Paar pumpender, zuckender Flügel, und der Hinterleib krümmte und wand sich, als hätte er einen eigenen Willen.

Skudder rappelte sich auf die Knie und legte das Gewehr an, feuerte aus allen drei Läufen gleichzeitig. Wolken aus Fleisch und Hautfetzen spritzten auseinander, wallten auf, als Explosivgeschosse in der klaffenden Wunde explodierten, und darauf folgte die dumpfe Explosion der Gewehrgranate und legte Knochen und Panzerplatten frei. Hautlappen hingen auf den Boden herunter. Der Shait schrie, ein gellendes, in den Ohren schmerzendes Geräusch. Ungläubig beobachteten sie, wie das verletzte Fleisch zu schäumen begann und sich innerhalb von Sekunden regenerierte.