Выбрать главу

»Wie Sie wollen«, sagte Kyle.

»Woher weiß ich, ob ich mich auf Sie noch verlassen kann«, sagte Hartmann, während er die Granate auspackte. »Ich weiß nicht einmal, was Sie sind. Sie wissen es ja selbst nicht mehr.«

Kyle hinderte ihn nicht daran, die Granate zu entsichern.

»Sie sind kein Jared mehr, nicht im eigentlichen Sinn«, fuhr Hartmann fort. »Vielleicht beginnen Sie gefährlich zu werden. Sie sind von Ihrer Gemeinschaft isoliert, Kyle, nicht wahr? So, wie diese armen Kreaturen isoliert waren.« Er deutete mit der Handgranate auf die drei toten Ameisen.

Kyle verzog das Gesicht zu einem freudlosen Lächeln. »Sie sind nicht dumm, Hartmann.«

Hartmann nickte. »Vermutlich sind Sie zu schnell für mich«, sagte er. »Und vielleicht genügt eine Granate nicht, um Sie zu töten, aber hier lagern mehrere tausend Tonnen Explosivstoff.«

»Wir haben einen gemeinsamen Feind«, sagte Kyle nach einer Weile.

»Das frage ich mich«, sagte Hartmann, obwohl er dem Jared glaubte.

Kyle verzichtete auf eine Antwort. Nach einer Weile seufzte Hartmann und sicherte die Granate wieder. »Na schön«, sagte er. »Sieht so aus, als könnte ich jetzt nur schlechte Entscheidungen treffen.« Er schwankte und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren. Ein plötzlicher Schwächeanfall ließ ihn am Regal Halt suchen, und mehrere kleine Kartons mit Explosivgeschossen fielen auf den Boden.

»Seien Sie vorsichtig«, sagte Kyle besorgt. »Ihre vitalen Reserven sind durch meinen Eingriff in Ihren Stoffwechsel aufgebraucht. Sie können jetzt an einer einfachen Erkältung sterben. Passen Sie auf, daß Sie nicht hinfallen.«

»Oder etwas fallen lassen, das weniger gut verpackt ist«, spottete Hartmann mit vorgetäuschter Gelassenheit. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn.

»Sie sagen es«, stimmte Kyle zu. Er richtete sich auf und blickte sich um. Im Halbdunkel sah es aus, als wenn er in letzter Zeit noch ein paar Zentimeter gewachsen wäre. »Wir benötigen Waffen«, sagte er.

Hartmann musterte gedankenverloren die toten Moroni und fragte sich, wer von ihnen aus welchem Grund noch Waffen brauchen sollte. »Bedienen Sie sich«, sagte er und machte eine ausholende Geste mit der linken Hand. »Es ist genug für alle da.«

Kyles ungleiche Augen fixierten ihn. »Ich sehe zwar Munition, aber keine Waffen. Haben Sie etwas bemerkt, was mir entgangen ist?«

Hartmann schüttelte stumm den Kopf. »Das wäre ein echter Witz«, sagte er grimmig. »Tonnenweise Munition, aber keine einzige Waffe.« Er löste sich von dem Regal und machte versuchsweise ein paar Schritte. Ihm wurde schwindelig, aber nach ein paar tiefen Atemzügen gewann er etwas Kraft zurück.

»Alles in Ordnung?« fragte Kyle.

Hartmann hob die Hand. »Nein«, sagte er, »aber ich komme zurecht. Ich nehme diese Seite, okay?«

»Einverstanden.« Kyle griff in das Regal neben sich und warf ihm etwas zu. Er fing es auf und erkannte, daß es ein kleiner Zielscheinwerfer war.

»Batterien sind drin«, sagte Kyle und schaltete seine Lampe ein.

Hartmann tat es ihm nach. Zielscheinwerfer wurden an einer Waffe angebracht und erzeugten einen scharf gebündelten, intensiven Strahl, der in völliger Dunkelheit den Fleck markierte, den der Schuß treffen würde. Als Lampe waren sie denkbar ungeeignet, aber sie leuchteten immer noch besser als Stiefel oder Handtücher. Er ließ den Lichtfleck über die hohen Regale tanzen und schüttelte den Kopf. »Vermutlich ist das ganze Zeug alphabetisch geordnet worden«, murmelte er und setzte sich in Bewegung.

»Was?« Kyle war schon auf der anderen Seite des Regals angekommen.

»Nichts«, sagte Hartmann ergeben. »Achten Sie auf Funkgeräte, ja?«

»Wozu?« fragte Kyle und umrundete das Regal am anderen Ende.

»Net hat vielleicht noch das kleine Funkgerät. Auf diese Weise haben wir noch eine Chance, sie zu finden.«

»Falls sie noch am Leben ist«, versetzte der Jared ungerührt.

»Ich hoffe es«, antwortete Hartmann leise. »Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben.«

Kyle musterte ihn mit dem forschenden Blick eines Raubvogels. »Sie würden sie vermissen«, sagte er.

Die Worte klangen seltsam unangemessen. Hartmann nickte widerwillig.

»Als Tochter ... oder als Frau?«

Er war drei Schritte auf den Jared zugegangen, ehe seine Schwäche ihn zwang, sich wieder an das Regal zu lehnen. Überrascht erkannte er, daß er den Jared geschlagen hätte, wenn er dazu noch in der Lage gewesen wäre.

»Das wird zur schlechten Gewohnheit«, sagte Kyle, und etwas in seinem Tonfall warnte Hartmann. Kyle veränderte sich, und die Veränderung seiner Beine und seines Gesichtes waren nicht die schlimmsten. Hartmann fragte sich, ob sich Kyle dieser Veränderungen überhaupt bewußt war.

Er zwang sich zu einem Lächeln. »Passen Sie auf sich auf«, sagte er und ging zum nächsten Regal.

Kyle musterte ihn verwundert, ohne zu blinzeln. »Sie meinen, ich sollte mich vor weiteren Wunden in acht nehmen«, sagte er dann.

Hartmann nickte ihm vom nächsten Gang aus zu. »Ich finde, Sie haben sich zu Ihrem Nachteil verändert«, stellte er trocken fest.

2

Die Treppe hatte sie in einen höher gelegenen Hangar gebracht, der zwar trocken war, sich aber ansonsten nicht nennenswert von der Halle unterschied, die sie hinter sich gelassen hatte. Net konnte in einiger Entfernung etwa ein Dutzend der kleineren Moroni-Gleiter erkennen, und eine Handvoll Ameisen, die zwei der Flugmaschinen zum Einsatz bereit machten. Sie verbarg sich hinter einer großen Krananlage und überdachte ihre Lage. Die Explosionen hatten aufgehört, und irgend jemand war so rücksichtsvoll gewesen, die Alarmsirenen abzuschalten. Net hatte ein paarmal versucht, über das Funkgerät Kontakt zu Hartmann oder Kyle zu bekommen, aber keiner von beiden hatte sich gemeldet. Nach einer Weile hatte sie das Gerät abgeschaltet, um die Batterien zu schonen. Außerdem mußte sie befürchten, daß sie zwar nicht ihre Begleiter, wohl aber ein paar Moroni-Ameisen auf sich aufmerksam machen würde.

Sie versuchte den Weg zu rekonstruieren, den sie zurückgelegt hatte. Vermutlich war sie etwa drei Kilometer vom Sternentransmitter entfernt, und gut fünf Kilometer von dem kleinen Transmitter, der sie und die beiden Männer in diese Basis versetzt hatte. Der eine Ort war als Treffpunkt oder Zuflucht so ungeeignet wie der andere, aber in der großen Halle mit dem Transmitter würde es von Moroni nur so wimmeln, die Brände löschten und Maschinen reparierten. Andererseits war der kleine Transmitter nun unbrauchbar, und es war wenig wahrscheinlich, daß die beiden Männer dorthin zurückkehren würden, sofern sie noch am Leben waren. Net nahm nicht an, daß Kyle seine Absicht aufgegeben hatte, den Sternentransmitter zu zerstören; sie vermutete aber, daß Hartmann nach ihr suchen würde.

Net schüttelte stumm den Kopf. Es blieb ihr wohl keine andere Wahl, als zur Halle zurückzukehren. Allerdings war es wohl empfehlenswert, sich einige Zeit in einer dunklen Ecke zu verkriechen und zu warten, bis die Aufregung vorüber war. Sie blickte nach oben. Die Treppe wand sich weiter hinauf, und in der Nähe leuchteten einladend die Markierungen von zwei Liftschächten. Sie überlegte kurz, verwarf den Gedanken dann aber. Liftkabinen waren zu riskant. Die Treppe dagegen konnte man riskieren, denn sie wurde vermutlich nicht elektronisch überwacht. Wenn sie sich schon die Zeit vertreiben mußte, dann konnte sie genausogut zur Oberfläche zurückkehren.

Net sah sich noch einmal um und schlich dann geduckt zur Treppe hinüber. Es blieb ruhig, und von den Gleitern drang weiterhin das unregelmäßige Geräusch schwerer Lademaschinen zu ihr herüber. Sie begann, die Treppe hinaufzusteigen.

»Ich hasse Treppen«, murmelte sie, dann biß sie die Zähne zusammen und machte sich auf den Weg. Um sich abzulenken, dachte sie über die Ereignisse in der Halle nach. Hartmann war in das Gleiterwrack hineingekommen, soviel stand fest, und da die Moroni ihn nicht sofort hinausgeworfen hatten, war er wohl auch bis zum Ziel vorgedrungen. Hatte er nicht den Mut gehabt, sich selbst in die Luft zu jagen, oder hatte er nicht gewollt, daß Kyle und sie dabei ums Leben kamen? Oder war er aus einem anderen Grund gescheitert? Vielleicht war er im letzten Augenblick von einer automatischen Sicherungsanlage getötet worden, von der weder er noch Kyle gewußt hatten. Früher oder später würde sie es doch erfahren - wenn sie noch lange genug am Leben blieb.